Eine neueste Verordnung vom Jahr 1865 entscheidet sich bejahend über die Frage, ob die angestellten Professoren solche Vorträge halten dürfen. Von großem Interesse ist das Memoire der Handelskammer in Lyon vom 27. September 1868, über das durch dieselbe 1856 er- richtete Museum für Kunst und Industrie, das zugleich als eine treff- liche Bildungsanstalt functionirt und das nebst einem sehr guten Bericht von Harpke (2. Nov. 1859) von der nieder-österreichischen Handelskammer publicirt worden ist. Diese Publication muß als der erste kräftige Anstoß zur Gründung des österreichischen Museums für Kunst und Gewerbe in Wien angesehen werden, dessen Wirksamkeit eine in jeder Beziehung höchst anerkennenswerthe und heilsame, wenn auch eine wenig vorwiegend historische geworden ist. -- Die französische Literatur über dieß Gebiet ist sehr mangelhaft, selbst Block bietet nichts Beson- deres. M. F. le Play hat in seiner Reforme sociale en France (2me ed.) Bd. II. §. 47 einige allgemeine Sätze über das Enseigne- ment et les corporations, ohne genaue Kenntniß der Gesetze; ein dunkel geahntes Bild der von den Genossenschaften namentlich in Oester- reich hergestellten Gewerbeschulen! Audiganne (L'ouvrier d'a pre- sent) S. 113 ff. spricht von Ecoles de manufactures, die in mehreren Departements errichtet sein sollen (etwa 60 mit 1200--1500 Lehrtagen), ohne etwas über den Lehrgang anzugeben. Es scheinen das einfache Sonntagsschulen zu sein. Er sagt übrigens S. 148: "Ce qu'il faut toujours regretter c'est l'insuffisance des ecoles." -- Freilich, wenn nach ihm im Januar 1865 in Paris (!) nur 8 Schulen mit 1200 Lehr- lingen und 19 für Frauen (?) mit 500 thätig waren, trotz einer Com- mission unter dem Vorsitze von Dumas. Die allgemeinen Redensarten, wie sie Richter (Kunst und Wissenschaft, Gewerbe und Industrie 1866) darüber macht, wie S. 61 ff., muß man darnach wohl auf ihren posi- tiven Werth zurückführen. Die betreffenden Schriftsteller sind ihm un- bekannt geblieben.
C.Künstlerische Fachbildung.
Die künstlerische Fachbildung in Frankreich concentrirt sich wieder in Paris. Was zunächst die Malerei und Bildhauerei betrifft, so steht Frankreich auch hier hinter Deutschland in seiner Verwaltung zurück, obwohl es auch einige Ecoles des beaux arts in mehreren Provinzialstädten geben soll, von denen jedoch wenig bekannt ist. Ist Paris doch der Hauptsitz der Malerei und ihrer Fachbildung mit seinen zwei Elementen, der Ecole des beaux arts und der Academie des beaux arts. Nur jene ist eine Kunstschule, diese eine Kunstanstalt,
Eine neueſte Verordnung vom Jahr 1865 entſcheidet ſich bejahend über die Frage, ob die angeſtellten Profeſſoren ſolche Vorträge halten dürfen. Von großem Intereſſe iſt das Mémoire der Handelskammer in Lyon vom 27. September 1868, über das durch dieſelbe 1856 er- richtete Muſeum für Kunſt und Induſtrie, das zugleich als eine treff- liche Bildungsanſtalt functionirt und das nebſt einem ſehr guten Bericht von Harpke (2. Nov. 1859) von der nieder-öſterreichiſchen Handelskammer publicirt worden iſt. Dieſe Publication muß als der erſte kräftige Anſtoß zur Gründung des öſterreichiſchen Muſeums für Kunſt und Gewerbe in Wien angeſehen werden, deſſen Wirkſamkeit eine in jeder Beziehung höchſt anerkennenswerthe und heilſame, wenn auch eine wenig vorwiegend hiſtoriſche geworden iſt. — Die franzöſiſche Literatur über dieß Gebiet iſt ſehr mangelhaft, ſelbſt Block bietet nichts Beſon- deres. M. F. le Play hat in ſeiner Réforme sociale en France (2me éd.) Bd. II. §. 47 einige allgemeine Sätze über das Enseigne- ment et les corporations, ohne genaue Kenntniß der Geſetze; ein dunkel geahntes Bild der von den Genoſſenſchaften namentlich in Oeſter- reich hergeſtellten Gewerbeſchulen! Audiganne (L’ouvrier d’à pré- sent) S. 113 ff. ſpricht von Écoles de manufactures, die in mehreren Departements errichtet ſein ſollen (etwa 60 mit 1200—1500 Lehrtagen), ohne etwas über den Lehrgang anzugeben. Es ſcheinen das einfache Sonntagsſchulen zu ſein. Er ſagt übrigens S. 148: „Ce qu’il faut toujours regretter c’est l’insuffisance des écoles.“ — Freilich, wenn nach ihm im Januar 1865 in Paris (!) nur 8 Schulen mit 1200 Lehr- lingen und 19 für Frauen (?) mit 500 thätig waren, trotz einer Com- miſſion unter dem Vorſitze von Dumas. Die allgemeinen Redensarten, wie ſie Richter (Kunſt und Wiſſenſchaft, Gewerbe und Induſtrie 1866) darüber macht, wie S. 61 ff., muß man darnach wohl auf ihren poſi- tiven Werth zurückführen. Die betreffenden Schriftſteller ſind ihm un- bekannt geblieben.
C.Künſtleriſche Fachbildung.
Die künſtleriſche Fachbildung in Frankreich concentrirt ſich wieder in Paris. Was zunächſt die Malerei und Bildhauerei betrifft, ſo ſteht Frankreich auch hier hinter Deutſchland in ſeiner Verwaltung zurück, obwohl es auch einige Écoles des beaux arts in mehreren Provinzialſtädten geben ſoll, von denen jedoch wenig bekannt iſt. Iſt Paris doch der Hauptſitz der Malerei und ihrer Fachbildung mit ſeinen zwei Elementen, der École des beaux arts und der Académie des beaux arts. Nur jene iſt eine Kunſtſchule, dieſe eine Kunſtanſtalt,
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Eine neueſte Verordnung vom Jahr 1865 entſcheidet ſich bejahend
über die Frage, ob die angeſtellten Profeſſoren ſolche Vorträge halten
dürfen. Von großem Intereſſe iſt das Mémoire der Handelskammer in
Lyon vom 27. September 1868, über das durch dieſelbe 1856 er-
richtete Muſeum für Kunſt und Induſtrie, das zugleich als eine treff-
liche Bildungsanſtalt functionirt und das nebſt einem ſehr guten
Bericht von Harpke (2. Nov. 1859) von der nieder-öſterreichiſchen
Handelskammer publicirt worden iſt. Dieſe Publication muß als der erſte
kräftige Anſtoß zur Gründung des öſterreichiſchen Muſeums für Kunſt
und Gewerbe in Wien angeſehen werden, deſſen Wirkſamkeit eine in
jeder Beziehung höchſt anerkennenswerthe und heilſame, wenn auch eine
wenig vorwiegend hiſtoriſche geworden iſt. — Die franzöſiſche Literatur
über dieß Gebiet iſt ſehr mangelhaft, ſelbſt Block bietet nichts Beſon-
deres. M. F. le Play hat in ſeiner Réforme sociale en France
(2me éd.) Bd. II. §. 47 einige allgemeine Sätze über das Enseigne-
ment et les corporations, ohne genaue Kenntniß der Geſetze; ein
dunkel geahntes Bild der von den Genoſſenſchaften namentlich in Oeſter-
reich hergeſtellten Gewerbeſchulen! Audiganne (L’ouvrier d’à pré-
sent) S. 113 ff. ſpricht von Écoles de manufactures, die in mehreren
Departements errichtet ſein ſollen (etwa 60 mit 1200—1500 Lehrtagen),
ohne etwas über den Lehrgang anzugeben. Es ſcheinen das einfache
Sonntagsſchulen zu ſein. Er ſagt übrigens S. 148: „Ce qu’il faut
toujours regretter c’est l’insuffisance des écoles.“ — Freilich, wenn
nach ihm im Januar 1865 in Paris (!) nur 8 Schulen mit 1200 Lehr-
lingen und 19 für Frauen (?) mit 500 thätig waren, trotz einer Com-
miſſion unter dem Vorſitze von Dumas. Die allgemeinen Redensarten,
wie ſie Richter (Kunſt und Wiſſenſchaft, Gewerbe und Induſtrie 1866)
darüber macht, wie S. 61 ff., muß man darnach wohl auf ihren poſi-
tiven Werth zurückführen. Die betreffenden Schriftſteller ſind ihm un-
bekannt geblieben.
C. Künſtleriſche Fachbildung.
Die künſtleriſche Fachbildung in Frankreich concentrirt ſich wieder
in Paris. Was zunächſt die Malerei und Bildhauerei betrifft,
ſo ſteht Frankreich auch hier hinter Deutſchland in ſeiner Verwaltung
zurück, obwohl es auch einige Écoles des beaux arts in mehreren
Provinzialſtädten geben ſoll, von denen jedoch wenig bekannt iſt. Iſt
Paris doch der Hauptſitz der Malerei und ihrer Fachbildung mit ſeinen
zwei Elementen, der École des beaux arts und der Académie des
beaux arts. Nur jene iſt eine Kunſtſchule, dieſe eine Kunſtanſtalt,
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre05_1868/346>, abgerufen am 22.02.2025.
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