Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868.

Bild:
<< vorherige Seite
B. Specialschulen.

I. Oeffentliches Bauwesen. Das öffentliche Bauwesen beruht
wesentlich auf der Ecole des ponts et chaussees, die bereits 1750 ge-
gründet, unter der Revolution aufrecht erhalten, und durch das Decret
vom 13. Oktober 1851 neu organisirt ward. Bis zu dieser Organisation
war diese Schule eine streng französische und ausschließlich für die
Zöglinge der Ecole polytechnique bestimmt. Erst jetzt ist sie eine all-
gemeine Fachbildungsanstalt für Bauwesen; zugleich für Fremde zugäng-
lich. Aufnahme nach stattgefundener Prüfung. Gegenstand der Bil-
dung das Hoch- und Straßenbauwesen, Wasserbau und etwas Bau-
recht in zehn Cursen; dreijähriger Cursus. Die Schüler der Ecole po-
lytechnique
bedürfen keiner Aufnahmsprüfung; das ist jetzt die einzige
Verbindung zwischen beiden; Aufnahmsordnung (vom 14. Febr. 1852);
Lehrordnung (Decret vom 13. Nov. 1851). -- Die Ecole polytechnique
ist eine Militär-Ingenieurschule und steht unter dem Kriegsminister;
sie ist ein Pensionat (mit 1000 Fr. Pension). Zulassung gegen Auf-
nahmsprüfung, ohne formelle Vorbedingung. Cursus nur zwei Jahr.
Lehrgegenstände: Vorbildung für die Ponts et chaussees, die Mines,
Telegraphenwesen, Tabakverwaltung (!) Wasserbau, "enfin pour
les autres services publiques qui exigent des connaissances etendues
dans les sciences mathematiques, physiques et chimiques"
(Decret
vom 25. Nov. 1852). Das Ganze ist so sehr eine untergeordnete
Militärschule, daß die mit Abgangszeugniß versehenen Schüler, wenn
sie keine Anstellung finden oder in die höheren Specialschulen übergehen,
Unterlieutenants werden. Wie dieselbe als Muster für die deutschen
polytechnischen Institute hat gelten und in der deutschen Literatur die
Ecole des Ponts et Chaussees, oder gar das so viel wichtigere Con-
servatoire
hat verdunkeln können, bleibt geradezu unbegreiflich!

II. Höhere Gewerbelehre. Ecole centrale d'Arts et Manu-
facture
hauptsächlich neben Zeichnen und Chemie auch Metallurgie,
Hüttenbau, Leitung von Werkstätten und Fabriken. Zulassung mit dem
sechzehnten Jahr (!). Dreijähriger Curs. Die Anstalt gehört haupt-
sächlich der Stadt Paris, jedoch mit bourses, demibourses und Staats-
subvention. Das Programm scheint sehr unbestimmt (Smith bei Block
a. a. O. v. Enseignement industriel, Read, Instr. publique).

III. Ecole superieure de Commerce. Grundlage der Organisation
ist die Scheidung in trois comptoirs; erstes: allgemeine Bildungs-
gegenstände; zweites: Correspondenz und Arithmetik, nebst fremden
Sprachen (nicht obligat); drittes: angewendete Chemie, Waarenkunde,
allgemeine volkswirthschaftliche Vorkenntnisse. Nach dem dritten Jahr

B. Specialſchulen.

I. Oeffentliches Bauweſen. Das öffentliche Bauweſen beruht
weſentlich auf der École des ponts et chaussées, die bereits 1750 ge-
gründet, unter der Revolution aufrecht erhalten, und durch das Decret
vom 13. Oktober 1851 neu organiſirt ward. Bis zu dieſer Organiſation
war dieſe Schule eine ſtreng franzöſiſche und ausſchließlich für die
Zöglinge der École polytechnique beſtimmt. Erſt jetzt iſt ſie eine all-
gemeine Fachbildungsanſtalt für Bauweſen; zugleich für Fremde zugäng-
lich. Aufnahme nach ſtattgefundener Prüfung. Gegenſtand der Bil-
dung das Hoch- und Straßenbauweſen, Waſſerbau und etwas Bau-
recht in zehn Curſen; dreijähriger Curſus. Die Schüler der École po-
lytechnique
bedürfen keiner Aufnahmsprüfung; das iſt jetzt die einzige
Verbindung zwiſchen beiden; Aufnahmsordnung (vom 14. Febr. 1852);
Lehrordnung (Decret vom 13. Nov. 1851). — Die École polytechnique
iſt eine Militär-Ingenieurſchule und ſteht unter dem Kriegsminiſter;
ſie iſt ein Penſionat (mit 1000 Fr. Penſion). Zulaſſung gegen Auf-
nahmsprüfung, ohne formelle Vorbedingung. Curſus nur zwei Jahr.
Lehrgegenſtände: Vorbildung für die Ponts et chaussées, die Mines,
Telegraphenweſen, Tabakverwaltung (!) Waſſerbau, „enfin pour
les autres services publiques qui exigent des connaissances étendues
dans les sciences mathématiques, physiques et chimiques“
(Decret
vom 25. Nov. 1852). Das Ganze iſt ſo ſehr eine untergeordnete
Militärſchule, daß die mit Abgangszeugniß verſehenen Schüler, wenn
ſie keine Anſtellung finden oder in die höheren Specialſchulen übergehen,
Unterlieutenants werden. Wie dieſelbe als Muſter für die deutſchen
polytechniſchen Inſtitute hat gelten und in der deutſchen Literatur die
École des Ponts et Chaussées, oder gar das ſo viel wichtigere Con-
servatoire
hat verdunkeln können, bleibt geradezu unbegreiflich!

II. Höhere Gewerbelehre. École centrale d’Arts et Manu-
facture
hauptſächlich neben Zeichnen und Chemie auch Metallurgie,
Hüttenbau, Leitung von Werkſtätten und Fabriken. Zulaſſung mit dem
ſechzehnten Jahr (!). Dreijähriger Curs. Die Anſtalt gehört haupt-
ſächlich der Stadt Paris, jedoch mit bourses, demibourses und Staats-
ſubvention. Das Programm ſcheint ſehr unbeſtimmt (Smith bei Block
a. a. O. v. Enseignement industriel, Read, Instr. publique).

III. École supérieure de Commerce. Grundlage der Organiſation
iſt die Scheidung in trois comptoirs; erſtes: allgemeine Bildungs-
gegenſtände; zweites: Correſpondenz und Arithmetik, nebſt fremden
Sprachen (nicht obligat); drittes: angewendete Chemie, Waarenkunde,
allgemeine volkswirthſchaftliche Vorkenntniſſe. Nach dem dritten Jahr

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <pb facs="#f0344" n="316"/>
                    <div n="8">
                      <head><hi rendition="#aq">B.</hi><hi rendition="#g">Special&#x017F;chulen</hi>.</head><lb/>
                      <p><hi rendition="#aq">I.</hi><hi rendition="#g">Oeffentliches Bauwe&#x017F;en</hi>. Das öffentliche Bauwe&#x017F;en beruht<lb/>
we&#x017F;entlich auf der <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">École des ponts et chaussées,</hi></hi> die bereits 1750 ge-<lb/>
gründet, unter der Revolution aufrecht erhalten, und durch das Decret<lb/>
vom 13. Oktober 1851 neu organi&#x017F;irt ward. Bis zu die&#x017F;er Organi&#x017F;ation<lb/>
war die&#x017F;e Schule eine &#x017F;treng franzö&#x017F;i&#x017F;che und <hi rendition="#g">aus&#x017F;chließlich</hi> für die<lb/>
Zöglinge der <hi rendition="#aq">École polytechnique</hi> be&#x017F;timmt. Er&#x017F;t jetzt i&#x017F;t &#x017F;ie eine all-<lb/>
gemeine Fachbildungsan&#x017F;talt für Bauwe&#x017F;en; zugleich für Fremde zugäng-<lb/>
lich. Aufnahme nach &#x017F;tattgefundener Prüfung. Gegen&#x017F;tand der Bil-<lb/>
dung das Hoch- und Straßenbauwe&#x017F;en, Wa&#x017F;&#x017F;erbau und etwas Bau-<lb/>
recht in zehn Cur&#x017F;en; dreijähriger Cur&#x017F;us. Die Schüler der <hi rendition="#aq">École po-<lb/>
lytechnique</hi> bedürfen keiner Aufnahmsprüfung; das i&#x017F;t jetzt die einzige<lb/>
Verbindung zwi&#x017F;chen beiden; Aufnahmsordnung (vom 14. Febr. 1852);<lb/>
Lehrordnung (Decret vom 13. Nov. 1851). &#x2014; Die <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">École polytechnique</hi></hi><lb/>
i&#x017F;t eine Militär-Ingenieur&#x017F;chule und &#x017F;teht unter dem Kriegsmini&#x017F;ter;<lb/>
&#x017F;ie i&#x017F;t ein Pen&#x017F;ionat (mit 1000 Fr. Pen&#x017F;ion). Zula&#x017F;&#x017F;ung gegen Auf-<lb/>
nahmsprüfung, <hi rendition="#g">ohne</hi> formelle Vorbedingung. Cur&#x017F;us nur zwei Jahr.<lb/>
Lehrgegen&#x017F;tände: <hi rendition="#g">Vorbildung</hi> für die <hi rendition="#aq">Ponts et chaussées,</hi> die <hi rendition="#aq">Mines,</hi><lb/>
Telegraphenwe&#x017F;en, <hi rendition="#g">Tabakverwaltung</hi> (!) Wa&#x017F;&#x017F;erbau, <hi rendition="#aq">&#x201E;enfin pour<lb/>
les autres services publiques qui exigent des connaissances étendues<lb/>
dans les sciences mathématiques, physiques et chimiques&#x201C;</hi> (Decret<lb/>
vom 25. Nov. 1852). Das Ganze i&#x017F;t &#x017F;o &#x017F;ehr eine <hi rendition="#g">untergeordnete</hi><lb/>
Militär&#x017F;chule, daß die mit Abgangszeugniß ver&#x017F;ehenen Schüler, wenn<lb/>
&#x017F;ie keine An&#x017F;tellung finden oder in die höheren Special&#x017F;chulen übergehen,<lb/><hi rendition="#g">Unterlieutenants</hi> werden. Wie die&#x017F;elbe als Mu&#x017F;ter für die deut&#x017F;chen<lb/>
polytechni&#x017F;chen In&#x017F;titute hat gelten und in der deut&#x017F;chen Literatur die<lb/><hi rendition="#aq">École des Ponts et Chaussées,</hi> oder gar das &#x017F;o viel wichtigere <hi rendition="#aq">Con-<lb/>
servatoire</hi> hat verdunkeln können, bleibt geradezu unbegreiflich!</p><lb/>
                      <p><hi rendition="#aq">II.</hi><hi rendition="#g">Höhere Gewerbelehre</hi>. <hi rendition="#aq">École centrale d&#x2019;Arts et Manu-<lb/>
facture</hi> haupt&#x017F;ächlich neben Zeichnen und Chemie auch Metallurgie,<lb/>
Hüttenbau, Leitung von Werk&#x017F;tätten und Fabriken. Zula&#x017F;&#x017F;ung mit dem<lb/>
&#x017F;echzehnten Jahr (!). Dreijähriger Curs. Die An&#x017F;talt gehört haupt-<lb/>
&#x017F;ächlich der Stadt Paris, jedoch mit <hi rendition="#aq">bourses, demibourses</hi> und Staats-<lb/>
&#x017F;ubvention. Das Programm &#x017F;cheint &#x017F;ehr unbe&#x017F;timmt (<hi rendition="#g">Smith</hi> bei Block<lb/>
a. a. O. <hi rendition="#aq">v. Enseignement industriel, <hi rendition="#g">Read</hi>, Instr. publique</hi>).</p><lb/>
                      <p><hi rendition="#aq">III. <hi rendition="#i">École supérieure de Commerce.</hi></hi> Grundlage der Organi&#x017F;ation<lb/>
i&#x017F;t die Scheidung in <hi rendition="#aq">trois comptoirs;</hi> <hi rendition="#g">er&#x017F;tes</hi>: allgemeine Bildungs-<lb/>
gegen&#x017F;tände; <hi rendition="#g">zweites</hi>: Corre&#x017F;pondenz und Arithmetik, neb&#x017F;t fremden<lb/>
Sprachen (nicht obligat); <hi rendition="#g">drittes</hi>: angewendete Chemie, Waarenkunde,<lb/>
allgemeine volkswirth&#x017F;chaftliche Vorkenntni&#x017F;&#x017F;e. Nach dem dritten Jahr<lb/></p>
                    </div>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[316/0344] B. Specialſchulen. I. Oeffentliches Bauweſen. Das öffentliche Bauweſen beruht weſentlich auf der École des ponts et chaussées, die bereits 1750 ge- gründet, unter der Revolution aufrecht erhalten, und durch das Decret vom 13. Oktober 1851 neu organiſirt ward. Bis zu dieſer Organiſation war dieſe Schule eine ſtreng franzöſiſche und ausſchließlich für die Zöglinge der École polytechnique beſtimmt. Erſt jetzt iſt ſie eine all- gemeine Fachbildungsanſtalt für Bauweſen; zugleich für Fremde zugäng- lich. Aufnahme nach ſtattgefundener Prüfung. Gegenſtand der Bil- dung das Hoch- und Straßenbauweſen, Waſſerbau und etwas Bau- recht in zehn Curſen; dreijähriger Curſus. Die Schüler der École po- lytechnique bedürfen keiner Aufnahmsprüfung; das iſt jetzt die einzige Verbindung zwiſchen beiden; Aufnahmsordnung (vom 14. Febr. 1852); Lehrordnung (Decret vom 13. Nov. 1851). — Die École polytechnique iſt eine Militär-Ingenieurſchule und ſteht unter dem Kriegsminiſter; ſie iſt ein Penſionat (mit 1000 Fr. Penſion). Zulaſſung gegen Auf- nahmsprüfung, ohne formelle Vorbedingung. Curſus nur zwei Jahr. Lehrgegenſtände: Vorbildung für die Ponts et chaussées, die Mines, Telegraphenweſen, Tabakverwaltung (!) Waſſerbau, „enfin pour les autres services publiques qui exigent des connaissances étendues dans les sciences mathématiques, physiques et chimiques“ (Decret vom 25. Nov. 1852). Das Ganze iſt ſo ſehr eine untergeordnete Militärſchule, daß die mit Abgangszeugniß verſehenen Schüler, wenn ſie keine Anſtellung finden oder in die höheren Specialſchulen übergehen, Unterlieutenants werden. Wie dieſelbe als Muſter für die deutſchen polytechniſchen Inſtitute hat gelten und in der deutſchen Literatur die École des Ponts et Chaussées, oder gar das ſo viel wichtigere Con- servatoire hat verdunkeln können, bleibt geradezu unbegreiflich! II. Höhere Gewerbelehre. École centrale d’Arts et Manu- facture hauptſächlich neben Zeichnen und Chemie auch Metallurgie, Hüttenbau, Leitung von Werkſtätten und Fabriken. Zulaſſung mit dem ſechzehnten Jahr (!). Dreijähriger Curs. Die Anſtalt gehört haupt- ſächlich der Stadt Paris, jedoch mit bourses, demibourses und Staats- ſubvention. Das Programm ſcheint ſehr unbeſtimmt (Smith bei Block a. a. O. v. Enseignement industriel, Read, Instr. publique). III. École supérieure de Commerce. Grundlage der Organiſation iſt die Scheidung in trois comptoirs; erſtes: allgemeine Bildungs- gegenſtände; zweites: Correſpondenz und Arithmetik, nebſt fremden Sprachen (nicht obligat); drittes: angewendete Chemie, Waarenkunde, allgemeine volkswirthſchaftliche Vorkenntniſſe. Nach dem dritten Jahr

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre05_1868
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre05_1868/344
Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre05_1868/344>, abgerufen am 21.12.2024.