Vergehens zuwendet, gleichartig organisirt ist. Auch sie hat Be- dingungen, welche sie durch sich selber nicht herzustellen vermag; auch sie ist eine der großen, vielleicht die größte Bedingung der gesammten Entwicklung der Menschheit. Auch sie bildet daher eine Aufgabe der Thätigkeit der Innern Verwaltung. Und die Gesammt- heit der Grundsätze, Gesetze, Thätigkeiten und Anstalten, vermöge deren die Innere Verwaltung die, den Einzelnen unerreichbaren Bedingungen seiner individuellen geistigen Entwicklung und damit des geistigen Lebens der Völker herstellt, nennen wir das Bil- dungswesen.
Von allen Theilen der Verwaltungslehre ist nun das Bildungs- wesen nicht bloß seinem Umfang, sondern auch seinem Inhalt nach das schwierigste. Das geistige Leben überhaupt ist nicht allein un- endlich groß und vielgestaltig, sondern die Beziehungen desselben sind so mannigfach, daß sie schwer eine feste Gestalt gewinnen und daher schwer eine feste Darstellung annehmen. Es ist seinem in- nersten Wesen nach frei und beständig geneigt, sich einer äußern, bestimmten Ordnung zu entziehen. Es wechselt in seinen Formen am meisten, weil eben in diesen seinen Formen der Wechsel des ganzen Lebens zum höchsten geistigen Ausdruck gelangt. Es hat daher, wie das Folgende es zeigen wird, auch noch bei vielfach tiefgehender Erörterung des Einzelnen, im Ganzen und in seiner vollen organischen Einheit keine Bearbeitung gefunden. Und es ist daher nothwendig -- vielleicht am nothwendigsten in der ganzen Verwaltungslehre -- sich über die leitenden Grundbegriffe und ebenso über ihre Namen einig zu sein, ehe man in das Ein- zelne eingeht.
II.
Die erste Voraussetzung an sich und besonders im Hinblick auf die bisherigen Bearbeitungen ist nun dafür wohl die, das Ver- hältniß der Verwaltungslehre zur Lehre vom geistigen Leben und seinen Grundformen festzustellen.
Wir nennen das geistige Leben, insofern es aus einzelnen Kenntnissen und Fähigkeiten besteht, die ihrerseits durch Arbeit
Vergehens zuwendet, gleichartig organiſirt iſt. Auch ſie hat Be- dingungen, welche ſie durch ſich ſelber nicht herzuſtellen vermag; auch ſie iſt eine der großen, vielleicht die größte Bedingung der geſammten Entwicklung der Menſchheit. Auch ſie bildet daher eine Aufgabe der Thätigkeit der Innern Verwaltung. Und die Geſammt- heit der Grundſätze, Geſetze, Thätigkeiten und Anſtalten, vermöge deren die Innere Verwaltung die, den Einzelnen unerreichbaren Bedingungen ſeiner individuellen geiſtigen Entwicklung und damit des geiſtigen Lebens der Völker herſtellt, nennen wir das Bil- dungsweſen.
Von allen Theilen der Verwaltungslehre iſt nun das Bildungs- weſen nicht bloß ſeinem Umfang, ſondern auch ſeinem Inhalt nach das ſchwierigſte. Das geiſtige Leben überhaupt iſt nicht allein un- endlich groß und vielgeſtaltig, ſondern die Beziehungen deſſelben ſind ſo mannigfach, daß ſie ſchwer eine feſte Geſtalt gewinnen und daher ſchwer eine feſte Darſtellung annehmen. Es iſt ſeinem in- nerſten Weſen nach frei und beſtändig geneigt, ſich einer äußern, beſtimmten Ordnung zu entziehen. Es wechſelt in ſeinen Formen am meiſten, weil eben in dieſen ſeinen Formen der Wechſel des ganzen Lebens zum höchſten geiſtigen Ausdruck gelangt. Es hat daher, wie das Folgende es zeigen wird, auch noch bei vielfach tiefgehender Erörterung des Einzelnen, im Ganzen und in ſeiner vollen organiſchen Einheit keine Bearbeitung gefunden. Und es iſt daher nothwendig — vielleicht am nothwendigſten in der ganzen Verwaltungslehre — ſich über die leitenden Grundbegriffe und ebenſo über ihre Namen einig zu ſein, ehe man in das Ein- zelne eingeht.
II.
Die erſte Vorausſetzung an ſich und beſonders im Hinblick auf die bisherigen Bearbeitungen iſt nun dafür wohl die, das Ver- hältniß der Verwaltungslehre zur Lehre vom geiſtigen Leben und ſeinen Grundformen feſtzuſtellen.
Wir nennen das geiſtige Leben, inſofern es aus einzelnen Kenntniſſen und Fähigkeiten beſteht, die ihrerſeits durch Arbeit
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[XVIII/0024]
Vergehens zuwendet, gleichartig organiſirt iſt. Auch ſie hat Be-
dingungen, welche ſie durch ſich ſelber nicht herzuſtellen vermag;
auch ſie iſt eine der großen, vielleicht die größte Bedingung der
geſammten Entwicklung der Menſchheit. Auch ſie bildet daher eine
Aufgabe der Thätigkeit der Innern Verwaltung. Und die Geſammt-
heit der Grundſätze, Geſetze, Thätigkeiten und Anſtalten, vermöge
deren die Innere Verwaltung die, den Einzelnen unerreichbaren
Bedingungen ſeiner individuellen geiſtigen Entwicklung und damit
des geiſtigen Lebens der Völker herſtellt, nennen wir das Bil-
dungsweſen.
Von allen Theilen der Verwaltungslehre iſt nun das Bildungs-
weſen nicht bloß ſeinem Umfang, ſondern auch ſeinem Inhalt nach
das ſchwierigſte. Das geiſtige Leben überhaupt iſt nicht allein un-
endlich groß und vielgeſtaltig, ſondern die Beziehungen deſſelben
ſind ſo mannigfach, daß ſie ſchwer eine feſte Geſtalt gewinnen und
daher ſchwer eine feſte Darſtellung annehmen. Es iſt ſeinem in-
nerſten Weſen nach frei und beſtändig geneigt, ſich einer äußern,
beſtimmten Ordnung zu entziehen. Es wechſelt in ſeinen Formen
am meiſten, weil eben in dieſen ſeinen Formen der Wechſel des
ganzen Lebens zum höchſten geiſtigen Ausdruck gelangt. Es hat
daher, wie das Folgende es zeigen wird, auch noch bei vielfach
tiefgehender Erörterung des Einzelnen, im Ganzen und in ſeiner
vollen organiſchen Einheit keine Bearbeitung gefunden. Und es
iſt daher nothwendig — vielleicht am nothwendigſten in der
ganzen Verwaltungslehre — ſich über die leitenden Grundbegriffe
und ebenſo über ihre Namen einig zu ſein, ehe man in das Ein-
zelne eingeht.
II.
Die erſte Vorausſetzung an ſich und beſonders im Hinblick
auf die bisherigen Bearbeitungen iſt nun dafür wohl die, das Ver-
hältniß der Verwaltungslehre zur Lehre vom geiſtigen Leben und
ſeinen Grundformen feſtzuſtellen.
Wir nennen das geiſtige Leben, inſofern es aus einzelnen
Kenntniſſen und Fähigkeiten beſteht, die ihrerſeits durch Arbeit
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868, S. XVIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre05_1868/24>, abgerufen am 22.02.2025.
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