III. Die Elemente des Gymnasialwesens der Gegenwart.
Das öffentliche Recht der Gymnasien besteht demnach in der Ge- sammtheit derjenigen Bestimmungen, durch welche die Verwaltung die in den Gymnasien zu gebende wissenschaftliche Vorbildung für die Fächer der Universität ordnet.
Die Gebiete des Systems dieses Rechts sind naturgemäß die- selben wie beim Volksschulrecht. Die Bestimmungen desselben sind aber im Wesentlichen in allen deutschen Ländern so gleichartig, daß fast nur auf dem Gebiete der Methodologie noch bedeutsame Unterschiede ob- walten. Diese speciellen Bestimmungen müssen daher für jedes Land auf die festen Kategorien des Systems zurückgeführt werden. Diese sind folgende.
I. Die Gymnasien oder gelehrte Schulen sind der Regel nach Staatsanstalten. Sie stehen daher unter der Staatsverwaltung. Allein ihr Organismus ist ein von dem der Volksschulen wesentlich verschiedener. Die Verhältnisse desselben theilen sich in zwei Gebiete: dem zur allgemeinen Verwaltung des staatlichen Bildungswesens oder dem Unterrichtsministerium, und dem ihrer inneren Verwaltung.
Das Verhältniß zum Ministerium ist in dem allgemeinen Orga- nismus desselben gegeben. Die gelehrten Schulen stehen jedoch fast nirgends direkt unter der höchsten Reichsstelle, sondern zunächst unter der höchsten Landesstelle. Das Referat ist einem eigenen Departe- ment übergeben.
Die innere Verwaltung dagegen ist nach der Grundlage ihrer Vorbilder, der Universitäten geordnet und beruht auf dem Princip der im Lehrkörper gegebenen Selbstverwaltung für das Lehrwesen. Das Gymnasium tritt dabei nach außen vermöge des Lehrkörpers als ein Ganzes auf und entscheidet seine Lehrangelegenheiten gleichfalls durch denselben. Die Spitze bildet meist der Rektor; doch wird der- selbe nicht gewählt, sondern von der Regierung ernannt. Die Rechte desselben sind zwar nicht allenthalben gleich, aber doch fast durchgehend formeller Natur.
Da endlich die Gymnasien Staatsanstalten sind, so trägt der Staat die Kosten derselben und hat daher auch über die Ausgaben die allein entscheidende Stimme. Der Lehrkörper hat nur Wünsche auszu- sprechen. Die Frage, wie weit neben dem Staate die Landschaften mit beizutragen haben, ist verschieden geordnet.
Auf Grundlage dieser seiner Leistungen hat nun der Staat das Gymnasialwesen einer eigenen Gesetzgebung unterworfen, welche die
Stein, die Verwaltungslehre. V. 14
III. Die Elemente des Gymnaſialweſens der Gegenwart.
Das öffentliche Recht der Gymnaſien beſteht demnach in der Ge- ſammtheit derjenigen Beſtimmungen, durch welche die Verwaltung die in den Gymnaſien zu gebende wiſſenſchaftliche Vorbildung für die Fächer der Univerſität ordnet.
Die Gebiete des Syſtems dieſes Rechts ſind naturgemäß die- ſelben wie beim Volksſchulrecht. Die Beſtimmungen deſſelben ſind aber im Weſentlichen in allen deutſchen Ländern ſo gleichartig, daß faſt nur auf dem Gebiete der Methodologie noch bedeutſame Unterſchiede ob- walten. Dieſe ſpeciellen Beſtimmungen müſſen daher für jedes Land auf die feſten Kategorien des Syſtems zurückgeführt werden. Dieſe ſind folgende.
I. Die Gymnaſien oder gelehrte Schulen ſind der Regel nach Staatsanſtalten. Sie ſtehen daher unter der Staatsverwaltung. Allein ihr Organismus iſt ein von dem der Volksſchulen weſentlich verſchiedener. Die Verhältniſſe deſſelben theilen ſich in zwei Gebiete: dem zur allgemeinen Verwaltung des ſtaatlichen Bildungsweſens oder dem Unterrichtsminiſterium, und dem ihrer inneren Verwaltung.
Das Verhältniß zum Miniſterium iſt in dem allgemeinen Orga- nismus deſſelben gegeben. Die gelehrten Schulen ſtehen jedoch faſt nirgends direkt unter der höchſten Reichsſtelle, ſondern zunächſt unter der höchſten Landesſtelle. Das Referat iſt einem eigenen Departe- ment übergeben.
Die innere Verwaltung dagegen iſt nach der Grundlage ihrer Vorbilder, der Univerſitäten geordnet und beruht auf dem Princip der im Lehrkörper gegebenen Selbſtverwaltung für das Lehrweſen. Das Gymnaſium tritt dabei nach außen vermöge des Lehrkörpers als ein Ganzes auf und entſcheidet ſeine Lehrangelegenheiten gleichfalls durch denſelben. Die Spitze bildet meiſt der Rektor; doch wird der- ſelbe nicht gewählt, ſondern von der Regierung ernannt. Die Rechte deſſelben ſind zwar nicht allenthalben gleich, aber doch faſt durchgehend formeller Natur.
Da endlich die Gymnaſien Staatsanſtalten ſind, ſo trägt der Staat die Koſten derſelben und hat daher auch über die Ausgaben die allein entſcheidende Stimme. Der Lehrkörper hat nur Wünſche auszu- ſprechen. Die Frage, wie weit neben dem Staate die Landſchaften mit beizutragen haben, iſt verſchieden geordnet.
Auf Grundlage dieſer ſeiner Leiſtungen hat nun der Staat das Gymnaſialweſen einer eigenen Geſetzgebung unterworfen, welche die
Stein, die Verwaltungslehre. V. 14
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III. Die Elemente des Gymnaſialweſens der Gegenwart.
Das öffentliche Recht der Gymnaſien beſteht demnach in der Ge-
ſammtheit derjenigen Beſtimmungen, durch welche die Verwaltung die
in den Gymnaſien zu gebende wiſſenſchaftliche Vorbildung für die Fächer
der Univerſität ordnet.
Die Gebiete des Syſtems dieſes Rechts ſind naturgemäß die-
ſelben wie beim Volksſchulrecht. Die Beſtimmungen deſſelben ſind aber
im Weſentlichen in allen deutſchen Ländern ſo gleichartig, daß faſt nur
auf dem Gebiete der Methodologie noch bedeutſame Unterſchiede ob-
walten. Dieſe ſpeciellen Beſtimmungen müſſen daher für jedes Land
auf die feſten Kategorien des Syſtems zurückgeführt werden. Dieſe ſind
folgende.
I. Die Gymnaſien oder gelehrte Schulen ſind der Regel nach
Staatsanſtalten. Sie ſtehen daher unter der Staatsverwaltung.
Allein ihr Organismus iſt ein von dem der Volksſchulen weſentlich
verſchiedener. Die Verhältniſſe deſſelben theilen ſich in zwei Gebiete:
dem zur allgemeinen Verwaltung des ſtaatlichen Bildungsweſens
oder dem Unterrichtsminiſterium, und dem ihrer inneren Verwaltung.
Das Verhältniß zum Miniſterium iſt in dem allgemeinen Orga-
nismus deſſelben gegeben. Die gelehrten Schulen ſtehen jedoch faſt
nirgends direkt unter der höchſten Reichsſtelle, ſondern zunächſt unter
der höchſten Landesſtelle. Das Referat iſt einem eigenen Departe-
ment übergeben.
Die innere Verwaltung dagegen iſt nach der Grundlage ihrer
Vorbilder, der Univerſitäten geordnet und beruht auf dem Princip der
im Lehrkörper gegebenen Selbſtverwaltung für das Lehrweſen.
Das Gymnaſium tritt dabei nach außen vermöge des Lehrkörpers als
ein Ganzes auf und entſcheidet ſeine Lehrangelegenheiten gleichfalls
durch denſelben. Die Spitze bildet meiſt der Rektor; doch wird der-
ſelbe nicht gewählt, ſondern von der Regierung ernannt. Die Rechte
deſſelben ſind zwar nicht allenthalben gleich, aber doch faſt durchgehend
formeller Natur.
Da endlich die Gymnaſien Staatsanſtalten ſind, ſo trägt der
Staat die Koſten derſelben und hat daher auch über die Ausgaben die
allein entſcheidende Stimme. Der Lehrkörper hat nur Wünſche auszu-
ſprechen. Die Frage, wie weit neben dem Staate die Landſchaften mit
beizutragen haben, iſt verſchieden geordnet.
Auf Grundlage dieſer ſeiner Leiſtungen hat nun der Staat das
Gymnaſialweſen einer eigenen Geſetzgebung unterworfen, welche die
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre05_1868/237>, abgerufen am 03.03.2025.
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