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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868.

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Le Noy a. a. O. S. 502). Dafür aber ist in neuester Zeit durch die
Verordnung vom 1. September 1866 das System der Ecoles d'adultes
eingeführt, unsern Fortbildungsschulen entsprechend, zugleich für Mädchen.
Dieselben sollen wieder in eine division elementaire und eine superieure
eingetheilt werden. Das Lehrsystem ist nach dem Gesetz von 1842 ge-
regelt und umfaßt die Grundbegriffe des verfassungsmäßigen Rechts
neben der Elementarlehre (Art. 6). Der Staat kann dafür Unterstützung
gewähren (Art. 29). In jeder dieser Schulen sollen wo möglich öffentliche
Vorträge, wöchentlich einmal, abgehalten werden.

Holland. Sehr entwickeltes System von Warteschulen, daneben
Wiederholungsschulen, Sonntagsschulen in großer Zahl. Die Schulen
selbst zerfallen in zwei Hauptklassen, von denen die erste den Elementar-,
die zweite den höheren Bürgerschulen entspricht. Die eigentliche Schei-
dung trat wohl erst in neuester Zeit ein durch das Gesetz von 1857
über das Volksschulwesen (laager Onderwiis) und das Gesetz vom
2. Februar 1861, welches den mittleren Unterricht (middelbaar Onder-
wiis
) davon trennte. Das System des letzteren umfaßt die wirthschaftliche
Vorbildung in den "Bürgerschulen, höheren Bürgerschulen und den Land-
bauschulen." Offenbar sind die "Bürgerschulen" (mit nur zweijährigem
Curs) ungefähr wie die Ecoles primaires superieures in Belgien doch
nur die höheren Klassen der Volksschule, wie auch ihr Programm (Gesetz
von 1861, Art. 13) und die Bestimmung zeigt, daß sie aus Tag- und
Abendschulen bestehen und daß in jeder Gemeinde von 10,000 Seelen
(sehr hoch gegriffen!) eine solche Tag- und Abend-Bürgerschule errichtet
werden soll (Gesetz von 1861, Art. 14). Bemerkenswerth ist die Ein-
führung des Turnunterrichts. Jedoch fehlt eben wegen des Princips der
fast gänzlich freien Gemeindeverwaltung die Einheit und Gleichheit in
diesen Anstalten. Le Roy bei Schmid III. 566 hat nur Andeutungen.

Zweite Gruppe. Privatschulen.
Wesen und Recht derselben.

Bei der auch im besten Falle beschränkten Thätigkeit der öffent-
lichen Volksschule bilden die Privatschulen ein wesentliches Element
der Elementarbildung. Allein ihr Einfluß sowie ihr Umfang hängt
vorzugsweise in allen Ländern davon ab, ob und in wie weit die Be-
rufsschulen in den Vorbildungsanstalten auf die unterste Stufe der
Bildung zurückgreifen. Wo dieß wie in Deutschland der Fall ist, da
werden die elementaren Privatschulen niemals eine große Bedeutung
empfangen, während sie da, wo die Berufsbildung schlecht organisirt ist

Stein, die Verwaltungslehre. V. 10

Le Noy a. a. O. S. 502). Dafür aber iſt in neueſter Zeit durch die
Verordnung vom 1. September 1866 das Syſtem der Écoles d’adultes
eingeführt, unſern Fortbildungsſchulen entſprechend, zugleich für Mädchen.
Dieſelben ſollen wieder in eine division élémentaire und eine supérieure
eingetheilt werden. Das Lehrſyſtem iſt nach dem Geſetz von 1842 ge-
regelt und umfaßt die Grundbegriffe des verfaſſungsmäßigen Rechts
neben der Elementarlehre (Art. 6). Der Staat kann dafür Unterſtützung
gewähren (Art. 29). In jeder dieſer Schulen ſollen wo möglich öffentliche
Vorträge, wöchentlich einmal, abgehalten werden.

Holland. Sehr entwickeltes Syſtem von Warteſchulen, daneben
Wiederholungsſchulen, Sonntagsſchulen in großer Zahl. Die Schulen
ſelbſt zerfallen in zwei Hauptklaſſen, von denen die erſte den Elementar-,
die zweite den höheren Bürgerſchulen entſpricht. Die eigentliche Schei-
dung trat wohl erſt in neueſter Zeit ein durch das Geſetz von 1857
über das Volksſchulweſen (laager Onderwiis) und das Geſetz vom
2. Februar 1861, welches den mittleren Unterricht (middelbaar Onder-
wiis
) davon trennte. Das Syſtem des letzteren umfaßt die wirthſchaftliche
Vorbildung in den „Bürgerſchulen, höheren Bürgerſchulen und den Land-
bauſchulen.“ Offenbar ſind die „Bürgerſchulen“ (mit nur zweijährigem
Curs) ungefähr wie die Écoles primaires supérieures in Belgien doch
nur die höheren Klaſſen der Volksſchule, wie auch ihr Programm (Geſetz
von 1861, Art. 13) und die Beſtimmung zeigt, daß ſie aus Tag- und
Abendſchulen beſtehen und daß in jeder Gemeinde von 10,000 Seelen
(ſehr hoch gegriffen!) eine ſolche Tag- und Abend-Bürgerſchule errichtet
werden ſoll (Geſetz von 1861, Art. 14). Bemerkenswerth iſt die Ein-
führung des Turnunterrichts. Jedoch fehlt eben wegen des Princips der
faſt gänzlich freien Gemeindeverwaltung die Einheit und Gleichheit in
dieſen Anſtalten. Le Roy bei Schmid III. 566 hat nur Andeutungen.

Zweite Gruppe. Privatſchulen.
Weſen und Recht derſelben.

Bei der auch im beſten Falle beſchränkten Thätigkeit der öffent-
lichen Volksſchule bilden die Privatſchulen ein weſentliches Element
der Elementarbildung. Allein ihr Einfluß ſowie ihr Umfang hängt
vorzugsweiſe in allen Ländern davon ab, ob und in wie weit die Be-
rufsſchulen in den Vorbildungsanſtalten auf die unterſte Stufe der
Bildung zurückgreifen. Wo dieß wie in Deutſchland der Fall iſt, da
werden die elementaren Privatſchulen niemals eine große Bedeutung
empfangen, während ſie da, wo die Berufsbildung ſchlecht organiſirt iſt

Stein, die Verwaltungslehre. V. 10
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[145/0173] Le Noy a. a. O. S. 502). Dafür aber iſt in neueſter Zeit durch die Verordnung vom 1. September 1866 das Syſtem der Écoles d’adultes eingeführt, unſern Fortbildungsſchulen entſprechend, zugleich für Mädchen. Dieſelben ſollen wieder in eine division élémentaire und eine supérieure eingetheilt werden. Das Lehrſyſtem iſt nach dem Geſetz von 1842 ge- regelt und umfaßt die Grundbegriffe des verfaſſungsmäßigen Rechts neben der Elementarlehre (Art. 6). Der Staat kann dafür Unterſtützung gewähren (Art. 29). In jeder dieſer Schulen ſollen wo möglich öffentliche Vorträge, wöchentlich einmal, abgehalten werden. Holland. Sehr entwickeltes Syſtem von Warteſchulen, daneben Wiederholungsſchulen, Sonntagsſchulen in großer Zahl. Die Schulen ſelbſt zerfallen in zwei Hauptklaſſen, von denen die erſte den Elementar-, die zweite den höheren Bürgerſchulen entſpricht. Die eigentliche Schei- dung trat wohl erſt in neueſter Zeit ein durch das Geſetz von 1857 über das Volksſchulweſen (laager Onderwiis) und das Geſetz vom 2. Februar 1861, welches den mittleren Unterricht (middelbaar Onder- wiis) davon trennte. Das Syſtem des letzteren umfaßt die wirthſchaftliche Vorbildung in den „Bürgerſchulen, höheren Bürgerſchulen und den Land- bauſchulen.“ Offenbar ſind die „Bürgerſchulen“ (mit nur zweijährigem Curs) ungefähr wie die Écoles primaires supérieures in Belgien doch nur die höheren Klaſſen der Volksſchule, wie auch ihr Programm (Geſetz von 1861, Art. 13) und die Beſtimmung zeigt, daß ſie aus Tag- und Abendſchulen beſtehen und daß in jeder Gemeinde von 10,000 Seelen (ſehr hoch gegriffen!) eine ſolche Tag- und Abend-Bürgerſchule errichtet werden ſoll (Geſetz von 1861, Art. 14). Bemerkenswerth iſt die Ein- führung des Turnunterrichts. Jedoch fehlt eben wegen des Princips der faſt gänzlich freien Gemeindeverwaltung die Einheit und Gleichheit in dieſen Anſtalten. Le Roy bei Schmid III. 566 hat nur Andeutungen. Zweite Gruppe. Privatſchulen. Weſen und Recht derſelben. Bei der auch im beſten Falle beſchränkten Thätigkeit der öffent- lichen Volksſchule bilden die Privatſchulen ein weſentliches Element der Elementarbildung. Allein ihr Einfluß ſowie ihr Umfang hängt vorzugsweiſe in allen Ländern davon ab, ob und in wie weit die Be- rufsſchulen in den Vorbildungsanſtalten auf die unterſte Stufe der Bildung zurückgreifen. Wo dieß wie in Deutſchland der Fall iſt, da werden die elementaren Privatſchulen niemals eine große Bedeutung empfangen, während ſie da, wo die Berufsbildung ſchlecht organiſirt iſt Stein, die Verwaltungslehre. V. 10

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre05_1868/173>, abgerufen am 21.11.2024.