die örtliche Schulcommission, die Distriktsschulaufseher und die Pro- vinzial-Inspectoren. Die erstere besteht aus Bürgermeister und Rath (Art. 54); die andern sind angestellte Beamte. Auch der freie (Haus-) Unterricht ist strengen Vorschriften in Beziehung auf die Fähigkeit der Lehrer unterworfen. Das Nähere über einzelne Punkte unten.
In wesentlich gleicher Weise sind die dänischen Volksschulen geordnet. Schon die Verordnung vom 17. April 1759 führte die Grundlagen der allgemeinen Schulpflicht ein, und die Verordnung vom 11. Mai 1775 verpflichtete die Gemeinden, die Schulen hinzustellen. Das Hauptgesetz ist die Verordnung vom 7. Mai 1809, dem sich das Rescript vom 6. Mai 1850 anschließt. Die Schule ist Gemeindeanstalt, jedoch bestehen noch in ein- zelnen Fällen Präsentationsrechte, und in einzelnen Schulen hat die Regierung das Recht der Ernennung, während in andern wieder die Gemeinde ganz frei die Lehrer wählt. Die Schullehrerseminare sind durch das Gesetz vom 15. Juli 1857 nach deutschem Vorgange geordnet und sehr rationell eingerichtet. Das Schulwesen ist gut geleitet; die Geistlichkeit hat keinen Antheil am Unterricht, wohl aber hat sie einen Antheil an der Inspektion der Schulen. Eine so systematische Gesetz- gebung wie in Holland besteht nicht.
4) Englands Volksschulwesen und das System der Staats- unterstützung.
Dem deutschen Volksschulwesen steht nun wesentlich verschieden das englische System gegenüber, das wie kaum ein anderer Theil des öffentlichen Rechts, aus den Principien der englischen Gesellschaft hervorgeht.
In England ist die staatsbürgerliche Gesellschaft die anerkannte Grundlage aller Rechtspflege, allein ihre Principien sind in die Verwaltung nicht eingedrungen. Die rechtlich unantastbare Selb- ständigkeit und Gleichheit aller Einzelnen hat vielmehr den Grundsatz erzeugt, daß alle Entwicklung jeder einzelnen Person bestimmt ihre individuelle Aufgabe sei. Die Folge davon ist, daß statt der großen leitenden Ideen der Verwaltung, wie wir sie in Deutschland thätig sehen, das ganze Volksschulwesen dem Volke selbst überlassen und da- mit die großen Unterschiede des Besitzes, in dem die materiellen Bedingungen der Bildung liegen, für die Vertheilung der Bildung maßgebend geworden sind. Dadurch ist nicht bloß die besitzende Klasse der englischen Bevölkerung die allein gebildete, sondern sie hat auch die Herstellung der Bildung der Nichtbesitzenden nie als ihre orga- nische Aufgabe erkennen wollen, was von dem zweiten großen Theile der englischen Bevölkerung, dem noch ganz ständisch abgeschlossenen
die örtliche Schulcommiſſion, die Diſtriktsſchulaufſeher und die Pro- vinzial-Inſpectoren. Die erſtere beſteht aus Bürgermeiſter und Rath (Art. 54); die andern ſind angeſtellte Beamte. Auch der freie (Haus-) Unterricht iſt ſtrengen Vorſchriften in Beziehung auf die Fähigkeit der Lehrer unterworfen. Das Nähere über einzelne Punkte unten.
In weſentlich gleicher Weiſe ſind die däniſchen Volksſchulen geordnet. Schon die Verordnung vom 17. April 1759 führte die Grundlagen der allgemeinen Schulpflicht ein, und die Verordnung vom 11. Mai 1775 verpflichtete die Gemeinden, die Schulen hinzuſtellen. Das Hauptgeſetz iſt die Verordnung vom 7. Mai 1809, dem ſich das Reſcript vom 6. Mai 1850 anſchließt. Die Schule iſt Gemeindeanſtalt, jedoch beſtehen noch in ein- zelnen Fällen Präſentationsrechte, und in einzelnen Schulen hat die Regierung das Recht der Ernennung, während in andern wieder die Gemeinde ganz frei die Lehrer wählt. Die Schullehrerſeminare ſind durch das Geſetz vom 15. Juli 1857 nach deutſchem Vorgange geordnet und ſehr rationell eingerichtet. Das Schulweſen iſt gut geleitet; die Geiſtlichkeit hat keinen Antheil am Unterricht, wohl aber hat ſie einen Antheil an der Inſpektion der Schulen. Eine ſo ſyſtematiſche Geſetz- gebung wie in Holland beſteht nicht.
4) Englands Volksſchulweſen und das Syſtem der Staats- unterſtützung.
Dem deutſchen Volksſchulweſen ſteht nun weſentlich verſchieden das engliſche Syſtem gegenüber, das wie kaum ein anderer Theil des öffentlichen Rechts, aus den Principien der engliſchen Geſellſchaft hervorgeht.
In England iſt die ſtaatsbürgerliche Geſellſchaft die anerkannte Grundlage aller Rechtspflege, allein ihre Principien ſind in die Verwaltung nicht eingedrungen. Die rechtlich unantaſtbare Selb- ſtändigkeit und Gleichheit aller Einzelnen hat vielmehr den Grundſatz erzeugt, daß alle Entwicklung jeder einzelnen Perſon beſtimmt ihre individuelle Aufgabe ſei. Die Folge davon iſt, daß ſtatt der großen leitenden Ideen der Verwaltung, wie wir ſie in Deutſchland thätig ſehen, das ganze Volksſchulweſen dem Volke ſelbſt überlaſſen und da- mit die großen Unterſchiede des Beſitzes, in dem die materiellen Bedingungen der Bildung liegen, für die Vertheilung der Bildung maßgebend geworden ſind. Dadurch iſt nicht bloß die beſitzende Klaſſe der engliſchen Bevölkerung die allein gebildete, ſondern ſie hat auch die Herſtellung der Bildung der Nichtbeſitzenden nie als ihre orga- niſche Aufgabe erkennen wollen, was von dem zweiten großen Theile der engliſchen Bevölkerung, dem noch ganz ſtändiſch abgeſchloſſenen
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die örtliche Schulcommiſſion, die Diſtriktsſchulaufſeher und die Pro-
vinzial-Inſpectoren. Die erſtere beſteht aus Bürgermeiſter und Rath
(Art. 54); die andern ſind angeſtellte Beamte. Auch der freie (Haus-)
Unterricht iſt ſtrengen Vorſchriften in Beziehung auf die Fähigkeit der
Lehrer unterworfen. Das Nähere über einzelne Punkte unten.
In weſentlich gleicher Weiſe ſind die däniſchen Volksſchulen geordnet.
Schon die Verordnung vom 17. April 1759 führte die Grundlagen der
allgemeinen Schulpflicht ein, und die Verordnung vom 11. Mai 1775
verpflichtete die Gemeinden, die Schulen hinzuſtellen. Das Hauptgeſetz iſt
die Verordnung vom 7. Mai 1809, dem ſich das Reſcript vom 6. Mai 1850
anſchließt. Die Schule iſt Gemeindeanſtalt, jedoch beſtehen noch in ein-
zelnen Fällen Präſentationsrechte, und in einzelnen Schulen hat die
Regierung das Recht der Ernennung, während in andern wieder die
Gemeinde ganz frei die Lehrer wählt. Die Schullehrerſeminare ſind
durch das Geſetz vom 15. Juli 1857 nach deutſchem Vorgange geordnet
und ſehr rationell eingerichtet. Das Schulweſen iſt gut geleitet; die
Geiſtlichkeit hat keinen Antheil am Unterricht, wohl aber hat ſie einen
Antheil an der Inſpektion der Schulen. Eine ſo ſyſtematiſche Geſetz-
gebung wie in Holland beſteht nicht.
4) Englands Volksſchulweſen und das Syſtem der Staats-
unterſtützung.
Dem deutſchen Volksſchulweſen ſteht nun weſentlich verſchieden
das engliſche Syſtem gegenüber, das wie kaum ein anderer Theil
des öffentlichen Rechts, aus den Principien der engliſchen Geſellſchaft
hervorgeht.
In England iſt die ſtaatsbürgerliche Geſellſchaft die anerkannte
Grundlage aller Rechtspflege, allein ihre Principien ſind in die
Verwaltung nicht eingedrungen. Die rechtlich unantaſtbare Selb-
ſtändigkeit und Gleichheit aller Einzelnen hat vielmehr den Grundſatz
erzeugt, daß alle Entwicklung jeder einzelnen Perſon beſtimmt ihre
individuelle Aufgabe ſei. Die Folge davon iſt, daß ſtatt der großen
leitenden Ideen der Verwaltung, wie wir ſie in Deutſchland thätig
ſehen, das ganze Volksſchulweſen dem Volke ſelbſt überlaſſen und da-
mit die großen Unterſchiede des Beſitzes, in dem die materiellen
Bedingungen der Bildung liegen, für die Vertheilung der Bildung
maßgebend geworden ſind. Dadurch iſt nicht bloß die beſitzende Klaſſe
der engliſchen Bevölkerung die allein gebildete, ſondern ſie hat auch
die Herſtellung der Bildung der Nichtbeſitzenden nie als ihre orga-
niſche Aufgabe erkennen wollen, was von dem zweiten großen Theile
der engliſchen Bevölkerung, dem noch ganz ſtändiſch abgeſchloſſenen
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre05_1868/121>, abgerufen am 03.03.2025.
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