Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868.3) Die Nachbildungen des deutschen Volksschulwesens in Holland und Dänemark. Das entscheidende Princip dieses oben charakterisirten Systems des Da wir nun im besondern Theile die einzelnen Punkte des öffent- Was zuerst Holland betrifft, so ist das Grundgesetz des Volks- 3) Die Nachbildungen des deutſchen Volksſchulweſens in Holland und Dänemark. Das entſcheidende Princip dieſes oben charakteriſirten Syſtems des Da wir nun im beſondern Theile die einzelnen Punkte des öffent- Was zuerſt Holland betrifft, ſo iſt das Grundgeſetz des Volks- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <pb facs="#f0120" n="92"/> <div n="6"> <head>3) <hi rendition="#g">Die Nachbildungen des deutſchen Volksſchulweſens in<lb/> Holland und Dänemark</hi>.</head><lb/> <p>Das entſcheidende Princip dieſes oben charakteriſirten Syſtems des<lb/> deutſchen Volksſchulweſens, das alle einzelnen Theile und Rechtsbeſtim-<lb/> mungen deſſelben beherrſcht und das dieſelben von dem folgenden fran-<lb/> zöſiſchen auf das beſtimmteſte ſcheidet, iſt nun offenbar nicht der Grund-<lb/> ſatz, daß der Volksunterricht als eine allgemeine Aufgabe der Staats-<lb/> verwaltung angeſehen und als ſolche von den Gemeinden durchgeführt<lb/> wird, ſondern der, daß dieſe Gemeinden, welche die Laſt des Volks-<lb/> unterrichts tragen, dafür auch das Recht der <hi rendition="#g">Selbſtverwaltung ihrer<lb/> Volksſchulen</hi> beſitzen, natürlich unter der Oberaufſicht und zum Theil<lb/> unter Mitwirkung des Staats, welche ſich in zwei Dingen äußert:<lb/> zuerſt in einem oberaufſehenden, aber <hi rendition="#g">nicht</hi> direkt verwaltenden Orga-<lb/> nismus von Schulräthen oder Inſpectoren, und zweitens in der Her-<lb/> ſtellung von neuen Lehrſeminarien und mithin einer öffentlichen Verufs-<lb/> bildung für das Lehrfach mit förmlicher Prüfung. Alle diejenigen<lb/> Staaten, welche dieſe localen Grundſätze ſyſtematiſch durchgeführt haben,<lb/> rechnen wir zur <hi rendition="#g">deutſchen</hi> Gruppe des europäiſchen Volksſchulweſens,<lb/> und dahin gehören Holland, Dänemark, Schweden und die deutſchen<lb/> Kantone der Schweiz.</p><lb/> <p>Da wir nun im beſondern Theile die einzelnen Punkte des öffent-<lb/> lichen Volksſchulrechts genauer auszuführen haben, ſo darf hier die kurze<lb/> Nachweiſung der Hauptgeſetze genügen, auf welchen das Volksſchul-<lb/> weſen der erſten beiden Länder beruht.</p><lb/> <p>Was zuerſt <hi rendition="#g">Holland</hi> betrifft, ſo iſt das Grundgeſetz des Volks-<lb/> ſchulweſens das neue Geſetz vom 13. Aug. 1857. Die Grundlage iſt<lb/> der Unterſchied zwiſchen den <hi rendition="#g">öffentlichen</hi> Volksſchulen, in welchen<lb/><hi rendition="#g">alle</hi> Kinder ohne allen Unterſchied der <hi rendition="#g">Confeſſion</hi> aufgenommen<lb/> werden müſſen und die nach dem Geſetz eingerichtet werden müſſen<lb/> (Art. 16) und den <hi rendition="#g">beſonderen</hi> Schulen, die entweder von Confeſſionen<lb/> oder von Privatunternehmern unterrichtet werden (Art. 37), denen aber<lb/> von der Gemeinde oder auch von den Provinzen eine Unterſtützung<lb/> gegeben werden kann (Art. 3). Jede Gemeinde hat ihre Schule herzu-<lb/> ſtellen und die Laſt zu tragen; Schulgeld <hi rendition="#g">kann</hi> erhoben werden; Schul-<lb/><hi rendition="#g">pflicht</hi> exiſtirt nicht, ſondern die Gemeindeverwaltung befördert „ſo viel<lb/> als möglich“ den Schulbeſuch (Art. 33). Die Anſtellung und Entlaſſung<lb/> der Lehrer iſt Sache des <hi rendition="#g">Gemeinderathes</hi> (Gemeindeordnung vom<lb/> 24. Juni 1851. Art. 232 ff. Geſetz von 1857 Art. 34). Das Lehrer-<lb/> weſen iſt ſpeciell geordnet in Tit. <hi rendition="#aq">IV.</hi> Art. 40 ff. mit Prüfungen und<lb/><hi rendition="#g">Strafen</hi> für neugeprüfte Lehrer; die Oberaufſicht wird ausgeübt durch<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [92/0120]
3) Die Nachbildungen des deutſchen Volksſchulweſens in
Holland und Dänemark.
Das entſcheidende Princip dieſes oben charakteriſirten Syſtems des
deutſchen Volksſchulweſens, das alle einzelnen Theile und Rechtsbeſtim-
mungen deſſelben beherrſcht und das dieſelben von dem folgenden fran-
zöſiſchen auf das beſtimmteſte ſcheidet, iſt nun offenbar nicht der Grund-
ſatz, daß der Volksunterricht als eine allgemeine Aufgabe der Staats-
verwaltung angeſehen und als ſolche von den Gemeinden durchgeführt
wird, ſondern der, daß dieſe Gemeinden, welche die Laſt des Volks-
unterrichts tragen, dafür auch das Recht der Selbſtverwaltung ihrer
Volksſchulen beſitzen, natürlich unter der Oberaufſicht und zum Theil
unter Mitwirkung des Staats, welche ſich in zwei Dingen äußert:
zuerſt in einem oberaufſehenden, aber nicht direkt verwaltenden Orga-
nismus von Schulräthen oder Inſpectoren, und zweitens in der Her-
ſtellung von neuen Lehrſeminarien und mithin einer öffentlichen Verufs-
bildung für das Lehrfach mit förmlicher Prüfung. Alle diejenigen
Staaten, welche dieſe localen Grundſätze ſyſtematiſch durchgeführt haben,
rechnen wir zur deutſchen Gruppe des europäiſchen Volksſchulweſens,
und dahin gehören Holland, Dänemark, Schweden und die deutſchen
Kantone der Schweiz.
Da wir nun im beſondern Theile die einzelnen Punkte des öffent-
lichen Volksſchulrechts genauer auszuführen haben, ſo darf hier die kurze
Nachweiſung der Hauptgeſetze genügen, auf welchen das Volksſchul-
weſen der erſten beiden Länder beruht.
Was zuerſt Holland betrifft, ſo iſt das Grundgeſetz des Volks-
ſchulweſens das neue Geſetz vom 13. Aug. 1857. Die Grundlage iſt
der Unterſchied zwiſchen den öffentlichen Volksſchulen, in welchen
alle Kinder ohne allen Unterſchied der Confeſſion aufgenommen
werden müſſen und die nach dem Geſetz eingerichtet werden müſſen
(Art. 16) und den beſonderen Schulen, die entweder von Confeſſionen
oder von Privatunternehmern unterrichtet werden (Art. 37), denen aber
von der Gemeinde oder auch von den Provinzen eine Unterſtützung
gegeben werden kann (Art. 3). Jede Gemeinde hat ihre Schule herzu-
ſtellen und die Laſt zu tragen; Schulgeld kann erhoben werden; Schul-
pflicht exiſtirt nicht, ſondern die Gemeindeverwaltung befördert „ſo viel
als möglich“ den Schulbeſuch (Art. 33). Die Anſtellung und Entlaſſung
der Lehrer iſt Sache des Gemeinderathes (Gemeindeordnung vom
24. Juni 1851. Art. 232 ff. Geſetz von 1857 Art. 34). Das Lehrer-
weſen iſt ſpeciell geordnet in Tit. IV. Art. 40 ff. mit Prüfungen und
Strafen für neugeprüfte Lehrer; die Oberaufſicht wird ausgeübt durch
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