Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868.

Bild:
<< vorherige Seite
Vorrede.

Ich muß mit dem Bekenntniß beginnen, daß ich bei keinem
Theile des ganzen Verwaltungsrechts so klar wie bei dem vorliegen-
den das Bewußtsein gehabt habe, daß es mir unmöglich sein
werde, das Material auch nur bis zu dem Grade zu bewältigen,
den ich in den bisherigen Theilen meiner Arbeit erreicht habe. Je
weiter man in dieß Gebiet dringt, je mehr muß man die Ueber-
zeugung gewinnen, daß die vollständige Bearbeitung desselben das
ganze Leben, die ganze Kraft eines Menschen fordert und daß der-
jenige sehr viel und Hochwichtiges geleistet haben wird, dem es
gelingt, hier auch nur den wesentlichen Ansprüchen nach allen
Seiten hin zu genügen.

Ich verstatte mir jedoch dieses aufrichtige Bekenntniß nicht,
um für die Mängel des Folgenden in gewöhnlicher Weise Entschul-
digung zu finden. Denn ich habe beim Beginn meiner Arbeit ge-
wußt, wie viel ich nicht werde leisten können. In diesem Bewußt-
sein aber mußte ich mich fragen, worin denn eigentlich neben jenen
Mängeln, die der Fachmann in jedem Theile finden wird, das Ziel
und damit der Werth einer solchen Arbeit bestehen könne und solle.

Ich will auch dieß mit ganzer Offenheit sagen, auf die Gefahr
hin, mißverstanden zu werden.

In der großen, fast täglich wachsenden Literatur über das
Bildungswesen sowohl im Ganzen als über einzelne Theile fehlen
drei Dinge, ohne welche sie stets unvollkommen bleiben wird.

Zuerst fehlt eine Arbeit, welche alle Gebiete des gesammten
Bildungswesens als ein Ganzes umfaßt und damit die Grundlage

Vorrede.

Ich muß mit dem Bekenntniß beginnen, daß ich bei keinem
Theile des ganzen Verwaltungsrechts ſo klar wie bei dem vorliegen-
den das Bewußtſein gehabt habe, daß es mir unmöglich ſein
werde, das Material auch nur bis zu dem Grade zu bewältigen,
den ich in den bisherigen Theilen meiner Arbeit erreicht habe. Je
weiter man in dieß Gebiet dringt, je mehr muß man die Ueber-
zeugung gewinnen, daß die vollſtändige Bearbeitung deſſelben das
ganze Leben, die ganze Kraft eines Menſchen fordert und daß der-
jenige ſehr viel und Hochwichtiges geleiſtet haben wird, dem es
gelingt, hier auch nur den weſentlichen Anſprüchen nach allen
Seiten hin zu genügen.

Ich verſtatte mir jedoch dieſes aufrichtige Bekenntniß nicht,
um für die Mängel des Folgenden in gewöhnlicher Weiſe Entſchul-
digung zu finden. Denn ich habe beim Beginn meiner Arbeit ge-
wußt, wie viel ich nicht werde leiſten können. In dieſem Bewußt-
ſein aber mußte ich mich fragen, worin denn eigentlich neben jenen
Mängeln, die der Fachmann in jedem Theile finden wird, das Ziel
und damit der Werth einer ſolchen Arbeit beſtehen könne und ſolle.

Ich will auch dieß mit ganzer Offenheit ſagen, auf die Gefahr
hin, mißverſtanden zu werden.

In der großen, faſt täglich wachſenden Literatur über das
Bildungsweſen ſowohl im Ganzen als über einzelne Theile fehlen
drei Dinge, ohne welche ſie ſtets unvollkommen bleiben wird.

Zuerſt fehlt eine Arbeit, welche alle Gebiete des geſammten
Bildungsweſens als ein Ganzes umfaßt und damit die Grundlage

<TEI>
  <text>
    <front>
      <pb facs="#f0011" n="[V]"/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Vorrede.</hi> </head><lb/>
        <p>Ich muß mit dem Bekenntniß beginnen, daß ich bei keinem<lb/>
Theile des ganzen Verwaltungsrechts &#x017F;o klar wie bei dem vorliegen-<lb/>
den das Bewußt&#x017F;ein gehabt habe, daß es mir <hi rendition="#g">unmöglich</hi> &#x017F;ein<lb/>
werde, das Material auch nur bis zu dem Grade zu bewältigen,<lb/>
den ich in den bisherigen Theilen meiner Arbeit erreicht habe. Je<lb/>
weiter man in dieß Gebiet dringt, je mehr muß man die Ueber-<lb/>
zeugung gewinnen, daß die voll&#x017F;tändige Bearbeitung de&#x017F;&#x017F;elben das<lb/>
ganze Leben, die ganze Kraft eines Men&#x017F;chen fordert und daß der-<lb/>
jenige <hi rendition="#g">&#x017F;ehr</hi> viel und Hochwichtiges gelei&#x017F;tet haben wird, dem es<lb/>
gelingt, hier auch nur den we&#x017F;entlichen An&#x017F;prüchen nach <hi rendition="#g">allen</hi><lb/>
Seiten hin zu genügen.</p><lb/>
        <p>Ich ver&#x017F;tatte mir jedoch die&#x017F;es aufrichtige Bekenntniß nicht,<lb/>
um für die Mängel des Folgenden in gewöhnlicher Wei&#x017F;e Ent&#x017F;chul-<lb/>
digung zu finden. Denn ich habe beim Beginn meiner Arbeit ge-<lb/>
wußt, wie viel ich nicht werde lei&#x017F;ten können. In die&#x017F;em Bewußt-<lb/>
&#x017F;ein aber mußte ich mich fragen, worin denn eigentlich neben jenen<lb/>
Mängeln, die der Fachmann in jedem Theile finden wird, das Ziel<lb/>
und damit der Werth einer &#x017F;olchen Arbeit be&#x017F;tehen könne und &#x017F;olle.</p><lb/>
        <p>Ich will auch dieß mit ganzer Offenheit &#x017F;agen, auf die Gefahr<lb/>
hin, mißver&#x017F;tanden zu werden.</p><lb/>
        <p>In der großen, fa&#x017F;t täglich wach&#x017F;enden Literatur über das<lb/>
Bildungswe&#x017F;en &#x017F;owohl im Ganzen als über einzelne Theile fehlen<lb/>
drei Dinge, ohne welche &#x017F;ie &#x017F;tets unvollkommen bleiben wird.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#g">Zuer&#x017F;t</hi> fehlt eine Arbeit, welche <hi rendition="#g">alle</hi> Gebiete des ge&#x017F;ammten<lb/>
Bildungswe&#x017F;ens als ein Ganzes umfaßt und damit die Grundlage<lb/></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[[V]/0011] Vorrede. Ich muß mit dem Bekenntniß beginnen, daß ich bei keinem Theile des ganzen Verwaltungsrechts ſo klar wie bei dem vorliegen- den das Bewußtſein gehabt habe, daß es mir unmöglich ſein werde, das Material auch nur bis zu dem Grade zu bewältigen, den ich in den bisherigen Theilen meiner Arbeit erreicht habe. Je weiter man in dieß Gebiet dringt, je mehr muß man die Ueber- zeugung gewinnen, daß die vollſtändige Bearbeitung deſſelben das ganze Leben, die ganze Kraft eines Menſchen fordert und daß der- jenige ſehr viel und Hochwichtiges geleiſtet haben wird, dem es gelingt, hier auch nur den weſentlichen Anſprüchen nach allen Seiten hin zu genügen. Ich verſtatte mir jedoch dieſes aufrichtige Bekenntniß nicht, um für die Mängel des Folgenden in gewöhnlicher Weiſe Entſchul- digung zu finden. Denn ich habe beim Beginn meiner Arbeit ge- wußt, wie viel ich nicht werde leiſten können. In dieſem Bewußt- ſein aber mußte ich mich fragen, worin denn eigentlich neben jenen Mängeln, die der Fachmann in jedem Theile finden wird, das Ziel und damit der Werth einer ſolchen Arbeit beſtehen könne und ſolle. Ich will auch dieß mit ganzer Offenheit ſagen, auf die Gefahr hin, mißverſtanden zu werden. In der großen, faſt täglich wachſenden Literatur über das Bildungsweſen ſowohl im Ganzen als über einzelne Theile fehlen drei Dinge, ohne welche ſie ſtets unvollkommen bleiben wird. Zuerſt fehlt eine Arbeit, welche alle Gebiete des geſammten Bildungsweſens als ein Ganzes umfaßt und damit die Grundlage

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre05_1868
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre05_1868/11
Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868, S. [V]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre05_1868/11>, abgerufen am 21.11.2024.