Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867.Strafrecht hinüber, und hier erscheint derselbe als das Strafrecht des III. Das System des Rechts der Einzelpolizei. 1) Die polizeiliche Verhaftung. Auf Grundlage der obigen Darlegung scheiden wir nunmehr ganz Es ist nun wohl klar, daß gerade in diesem polizeilichen Ver- Strafrecht hinüber, und hier erſcheint derſelbe als das Strafrecht des III. Das Syſtem des Rechts der Einzelpolizei. 1) Die polizeiliche Verhaftung. Auf Grundlage der obigen Darlegung ſcheiden wir nunmehr ganz Es iſt nun wohl klar, daß gerade in dieſem polizeilichen Ver- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0162" n="140"/> Strafrecht hinüber, und hier erſcheint derſelbe als das Strafrecht des<lb/> Amtsmißbrauchs in allen continentalen Strafrechten. Allein der weſent-<lb/> liche Unterſchied zwiſchen dieſem Recht und dem engliſchen beſteht den-<lb/> noch darin, daß die Verfolgung des Amtsmißbrauchs <hi rendition="#g">Sache der<lb/> Staatsanwaltſchaft</hi> iſt, daß alſo dasjenige Organ, welches eben<lb/> die Sicherheitspolizei am meiſten gebraucht, zugleich daſſelbe ſein muß,<lb/> das ſie im einzelnen Fall verklagt — ein Mißverhältniß, das natürlich<lb/> praktiſch faſt dieſelben Folgen haben kann, als ob es gar kein Geſetz in<lb/> dieſer Beziehung gäbe. Die Geſetze zum „Schutze der perſönlichen Freiheit,“<lb/> wie das preußiſche von 1850 und die neueſten öſterreichiſchen von 1862,<lb/> ſind im übrigen eben ſo gut, zum Theil beſſer, wie das engliſche Recht.<lb/> Nur in dem obigen Punkte fehlt der entſcheidende Schlußſatz, der freilich<lb/> eine weſentlich andere Auffaſſung auch im Strafproceß vorausſetzt.<lb/> Auch auf dieſem Punkte wird nur durch die Einführung der Schwur-<lb/> gerichte geholfen werden. — Die Uebung, daß die Polizei ſich mit Be-<lb/> fehlen des Gerichts verſieht, um ſie anwenden zu können, wenn nöthig,<lb/> ſollte ganz regelmäßig eingeführt werden. Wie man es in Frankreich<lb/> macht, zeigen unter anderm <hi rendition="#g">Caulers</hi> Memoiren. Warum hat <hi rendition="#g">Stieber</hi><lb/> bei ſeiner ſonſt praktiſchen Darſtellung nicht darauf hingewieſen? Oder<lb/> iſt es mehr ein Mangel in der Verantwortlichkeit im preußiſchen Syſtem,<lb/> als ein Mangel in dem Schriftſteller?</p> </div><lb/> <div n="4"> <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">III.</hi> Das Syſtem des Rechts der Einzelpolizei.</hi> </head><lb/> <div n="5"> <head>1) <hi rendition="#g">Die polizeiliche Verhaftung</hi>.</head><lb/> <p>Auf Grundlage der obigen Darlegung ſcheiden wir nunmehr ganz<lb/> beſtimmt die <hi rendition="#g">polizeiliche</hi> Verhaftung als diejenige, welche die Polizei<lb/> kraft ihres eigenen beſonderen Rechts vollzieht, von der <hi rendition="#g">gerichtlichen</hi>,<lb/> die auf Befehl eines Gerichts vorgenommen wird. Die letztere mit<lb/> allen dahin gehörigen Fragen, Caution, Unterſuchungshaft u. ſ. w.,<lb/> verweiſen wir definitiv in den Strafproceß. Nur die erſtere gehört<lb/> dem Polizei-, und damit dem Verwaltungsrechte an.</p><lb/> <p>Es iſt nun wohl klar, daß gerade in dieſem polizeilichen Ver-<lb/> haftungsrecht das Hauptgebiet desjenigen liegt, was wir das Recht des<lb/> Schutzes der perſönlichen Freiheit nennen. Denn in der That iſt es<lb/> vollſtändig unmöglich, zu verkennen, daß der Akt der Verhaftung nicht<lb/> immer auf einen gerichtlichen Befehl warten kann, und daß es daher<lb/> neben und vor der gerichtlichen Verhaftung noch eine polizeiliche gibt<lb/> und <hi rendition="#g">geben muß</hi>, die ihrerſeits ein Recht zum Schutze der perſönlichen<lb/> Freiheit fordert, ſo gut wie letztere. Der Verſuch, die hierin liegende<lb/> Schwierigkeit zu überwinden, beſchränkt ſich bis auf die neueſte Zeit<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [140/0162]
Strafrecht hinüber, und hier erſcheint derſelbe als das Strafrecht des
Amtsmißbrauchs in allen continentalen Strafrechten. Allein der weſent-
liche Unterſchied zwiſchen dieſem Recht und dem engliſchen beſteht den-
noch darin, daß die Verfolgung des Amtsmißbrauchs Sache der
Staatsanwaltſchaft iſt, daß alſo dasjenige Organ, welches eben
die Sicherheitspolizei am meiſten gebraucht, zugleich daſſelbe ſein muß,
das ſie im einzelnen Fall verklagt — ein Mißverhältniß, das natürlich
praktiſch faſt dieſelben Folgen haben kann, als ob es gar kein Geſetz in
dieſer Beziehung gäbe. Die Geſetze zum „Schutze der perſönlichen Freiheit,“
wie das preußiſche von 1850 und die neueſten öſterreichiſchen von 1862,
ſind im übrigen eben ſo gut, zum Theil beſſer, wie das engliſche Recht.
Nur in dem obigen Punkte fehlt der entſcheidende Schlußſatz, der freilich
eine weſentlich andere Auffaſſung auch im Strafproceß vorausſetzt.
Auch auf dieſem Punkte wird nur durch die Einführung der Schwur-
gerichte geholfen werden. — Die Uebung, daß die Polizei ſich mit Be-
fehlen des Gerichts verſieht, um ſie anwenden zu können, wenn nöthig,
ſollte ganz regelmäßig eingeführt werden. Wie man es in Frankreich
macht, zeigen unter anderm Caulers Memoiren. Warum hat Stieber
bei ſeiner ſonſt praktiſchen Darſtellung nicht darauf hingewieſen? Oder
iſt es mehr ein Mangel in der Verantwortlichkeit im preußiſchen Syſtem,
als ein Mangel in dem Schriftſteller?
III. Das Syſtem des Rechts der Einzelpolizei.
1) Die polizeiliche Verhaftung.
Auf Grundlage der obigen Darlegung ſcheiden wir nunmehr ganz
beſtimmt die polizeiliche Verhaftung als diejenige, welche die Polizei
kraft ihres eigenen beſonderen Rechts vollzieht, von der gerichtlichen,
die auf Befehl eines Gerichts vorgenommen wird. Die letztere mit
allen dahin gehörigen Fragen, Caution, Unterſuchungshaft u. ſ. w.,
verweiſen wir definitiv in den Strafproceß. Nur die erſtere gehört
dem Polizei-, und damit dem Verwaltungsrechte an.
Es iſt nun wohl klar, daß gerade in dieſem polizeilichen Ver-
haftungsrecht das Hauptgebiet desjenigen liegt, was wir das Recht des
Schutzes der perſönlichen Freiheit nennen. Denn in der That iſt es
vollſtändig unmöglich, zu verkennen, daß der Akt der Verhaftung nicht
immer auf einen gerichtlichen Befehl warten kann, und daß es daher
neben und vor der gerichtlichen Verhaftung noch eine polizeiliche gibt
und geben muß, die ihrerſeits ein Recht zum Schutze der perſönlichen
Freiheit fordert, ſo gut wie letztere. Der Verſuch, die hierin liegende
Schwierigkeit zu überwinden, beſchränkt ſich bis auf die neueſte Zeit
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