Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866.des Verwaltungsrechts und seiner Bedürfnisse als Grundlage der Bil- In diesem Sinn wird man nun sagen, daß unsere Zeit in dem 3) Die Gränze zwischen dem gesetzmäßigen und verordnungs- mäßigen Verwaltungsrecht. Allerdings nämlich geht in dem oben bezeichneten Processe das Die Frage ist aber darum eine ernste, weil, wenn man einen Schritt des Verwaltungsrechts und ſeiner Bedürfniſſe als Grundlage der Bil- In dieſem Sinn wird man nun ſagen, daß unſere Zeit in dem 3) Die Gränze zwiſchen dem geſetzmäßigen und verordnungs- mäßigen Verwaltungsrecht. Allerdings nämlich geht in dem oben bezeichneten Proceſſe das Die Frage iſt aber darum eine ernſte, weil, wenn man einen Schritt <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0105" n="83"/> des Verwaltungsrechts und ſeiner Bedürfniſſe als Grundlage der Bil-<lb/> dung des geſetzmäßigen Verwaltungsrechts.</p><lb/> <p>In dieſem Sinn wird man nun ſagen, daß unſere Zeit in dem<lb/> conſtitutionellen Verwaltungsrechte ihren ſpecifiſchen Charakter der Bil-<lb/> dung des Verwaltungsrechts habe. Dennoch müſſen wir noch eine Frage<lb/> ins Auge faſſen, die auch mit dem Obigen nicht erledigt, und keines-<lb/> wegs unwichtig iſt.</p> </div><lb/> <div n="5"> <head>3) <hi rendition="#g">Die Gränze zwiſchen dem geſetzmäßigen und verordnungs-<lb/> mäßigen Verwaltungsrecht</hi>.</head><lb/> <p>Allerdings nämlich geht in dem oben bezeichneten Proceſſe das<lb/> Verordnungsrecht in das Geſetz über, und dieſer Uebergang ſtellt die<lb/> Harmonie zwiſchen den beiden Faktoren, Staat und Geſellſchaft oder<lb/> Regierung und Volksvertretung, wieder her. Allein eben ſo gewiß iſt<lb/> anderſeits, daß dieſer Uebergang nicht für <hi rendition="#g">alle</hi> Beſtimmungen des<lb/> Verwaltungsrechts möglich, ja nicht einmal wünſchenswerth iſt. Beide<lb/> Formen werden ſich ſtets neben einander erzeugen, ſtets neben einander<lb/> erhalten. Und es entſteht daher die Frage, ob es überhaupt eine <hi rendition="#g">Gränze</hi><lb/> zwiſchen dem Gebiet des verordnungsmäßigen und des geſetzmäßigen<lb/> Verwaltungsrechts gibt, und wie ſie zu beſtimmen iſt.</p><lb/> <p>Die Frage iſt aber darum eine ernſte, weil, wenn man einen Schritt<lb/> weiter geht, die Volksvertretung, welche das geſetzmäßige Verwaltungs-<lb/> recht bildet, ihrer ganzen Natur zwar einerſeits die Trägerin der ſtaats-<lb/> bürgerlichen Freiheit, anderſeits aber auch der <hi rendition="#g">geſellſchaftlichen<lb/> Gegenſätze</hi> im Volksleben iſt. Wo es daher gelingt, das Verord-<lb/> nungsrecht dem Geſetzesrecht ganz zu unterwerfen und die Regierung<lb/> damit zu einer bloß ausführenden Gewalt zu machen, da entſteht die<lb/> Gefahr, daß das Verwaltungsrecht zu einem furchtbaren, gewaltigen<lb/> Mittel in der Hand des herrſchenden Theiles des Volkes werde, das<lb/> alsdann in keinem Regierungsrecht ein heilſames Gegengewicht hat.<lb/> Das war der, von den Hiſtorikern ſo wenig beachtete und doch ſo ent-<lb/> ſcheidende Charakter der Verwaltung und des Verwaltungsrechts in den<lb/> Republiken des Alterthums; es iſt daſſelbe überhaupt das Princip des<lb/><hi rendition="#g">republikaniſchen</hi> Verwaltungsrechts. Das republikaniſche Verwal-<lb/> tungsrecht hat die Form der höchſten Freiheit; aber ſein Inhalt iſt<lb/> von dieſer Form unabhängig. Denn indem die Mehrheit der Staats-<lb/> bürger formell das Geſetz beſchließt, wird naturgemäß <hi rendition="#g">materiell</hi>, das<lb/> iſt in ihrer Beziehung zum praktiſchen Leben, die Geſetzgebung überhaupt<lb/> und mithin weſentlich die des innern Verwaltungsrechts dabei ſtets<lb/> nach den herrſchenden <hi rendition="#g">Intereſſen der Mehrheit</hi> beſtimmt werden.<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [83/0105]
des Verwaltungsrechts und ſeiner Bedürfniſſe als Grundlage der Bil-
dung des geſetzmäßigen Verwaltungsrechts.
In dieſem Sinn wird man nun ſagen, daß unſere Zeit in dem
conſtitutionellen Verwaltungsrechte ihren ſpecifiſchen Charakter der Bil-
dung des Verwaltungsrechts habe. Dennoch müſſen wir noch eine Frage
ins Auge faſſen, die auch mit dem Obigen nicht erledigt, und keines-
wegs unwichtig iſt.
3) Die Gränze zwiſchen dem geſetzmäßigen und verordnungs-
mäßigen Verwaltungsrecht.
Allerdings nämlich geht in dem oben bezeichneten Proceſſe das
Verordnungsrecht in das Geſetz über, und dieſer Uebergang ſtellt die
Harmonie zwiſchen den beiden Faktoren, Staat und Geſellſchaft oder
Regierung und Volksvertretung, wieder her. Allein eben ſo gewiß iſt
anderſeits, daß dieſer Uebergang nicht für alle Beſtimmungen des
Verwaltungsrechts möglich, ja nicht einmal wünſchenswerth iſt. Beide
Formen werden ſich ſtets neben einander erzeugen, ſtets neben einander
erhalten. Und es entſteht daher die Frage, ob es überhaupt eine Gränze
zwiſchen dem Gebiet des verordnungsmäßigen und des geſetzmäßigen
Verwaltungsrechts gibt, und wie ſie zu beſtimmen iſt.
Die Frage iſt aber darum eine ernſte, weil, wenn man einen Schritt
weiter geht, die Volksvertretung, welche das geſetzmäßige Verwaltungs-
recht bildet, ihrer ganzen Natur zwar einerſeits die Trägerin der ſtaats-
bürgerlichen Freiheit, anderſeits aber auch der geſellſchaftlichen
Gegenſätze im Volksleben iſt. Wo es daher gelingt, das Verord-
nungsrecht dem Geſetzesrecht ganz zu unterwerfen und die Regierung
damit zu einer bloß ausführenden Gewalt zu machen, da entſteht die
Gefahr, daß das Verwaltungsrecht zu einem furchtbaren, gewaltigen
Mittel in der Hand des herrſchenden Theiles des Volkes werde, das
alsdann in keinem Regierungsrecht ein heilſames Gegengewicht hat.
Das war der, von den Hiſtorikern ſo wenig beachtete und doch ſo ent-
ſcheidende Charakter der Verwaltung und des Verwaltungsrechts in den
Republiken des Alterthums; es iſt daſſelbe überhaupt das Princip des
republikaniſchen Verwaltungsrechts. Das republikaniſche Verwal-
tungsrecht hat die Form der höchſten Freiheit; aber ſein Inhalt iſt
von dieſer Form unabhängig. Denn indem die Mehrheit der Staats-
bürger formell das Geſetz beſchließt, wird naturgemäß materiell, das
iſt in ihrer Beziehung zum praktiſchen Leben, die Geſetzgebung überhaupt
und mithin weſentlich die des innern Verwaltungsrechts dabei ſtets
nach den herrſchenden Intereſſen der Mehrheit beſtimmt werden.
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