lichen Freiheit des Vereinswesens. Dieß Princip ist der Grund- satz, daß die Staatsgewalt im Vereinswesen nicht etwa eine feindliche oder auch nur ihr indifferente Gewalt, sondern vielmehr einen orga- nischen Theil ihres eigenen Lebens sehen soll, ohne dessen volle und lebendige Entwicklung das Ganze nicht zur Vollendung gelangen kann. Die Staatsverwaltung soll daher nicht bloß im Allgemeinen die Blüthe des Vereinswesens fördern, sondern sie soll zugleich nach den einzelnen Seiten des öffentlichen Rechts so wenig als möglich auf den Verein Einfluß nehmen; das erste und allgemeinste Princip des öffentlichen Vereinsrechts muß das sein, nur negativ gegen alle diejenigen Mo- mente im Verein aufzutreten, welche entweder das öffentliche Wohl oder das Recht des Einzelnen gefährden. Dadurch entsteht dann der Charakter des öffentlichen Vereinsrechts überhaupt.
Es ist ein ganz bestimmter und verschiedener für die Verfassung und für die Verwaltung des Vereins. Im Verfassungsrecht sichert der Staat die Freiheit des Mitgliedes gegen den Verein als Ganzes, und den Staat gegen den Zweck des Vereins; im Verwaltungsrecht sichert er die Mitglieder einerseits und die Gemeinschaft anderseits gegen die wirkliche Thätigkeit des Vereins. Aus der Anwendung dieser Principien auf das innere Vereinsrecht und sein System hat sich dasjenige gebildet, was wir nunmehr das System des öffentlichen Vereinsrechts nennen können.
1) Das öffentliche Verfassungsrecht der Vereine.
a) Begriff der Genehmigung des Vereins.
Es ist sehr leicht das Wesen und den Begriff des öffentlichen Ver- fassungsrechts des Vereins zu bestimmen. Es ist dagegen durchaus nicht so einfach, diesen Begriff in seiner richtigen Anwendung festzustellen. Und wir werden hier wieder in die Lage kommen, das Rechtssystem auf eine Reihe von Unterscheidungen im Wesen der Vereinigungen zurückzuführen, welche man nicht gemacht hat, und demnach nicht wird entbehren können, will man anders zu einem endgültigen Resultate gelangen.
Der Begriff des öffentlichen Verfassungsrechts der Vereine kann nicht anders bestimmt werden, als indem man die Vorstellung einmal für allemal aufgibt, als sei jede Rechtsbestimmung über das Vereins- wesen vorzugsweise unfreier Natur, und als stehe es daher im Belieben einer Regierung, solche Bestimmungen überhaupt zu treffen oder nicht. Das Studium des öffentlichen Rechts hört sofort auf, seinen Ernst zu verlieren, wenn man die Freiheit des letzteren und das Ziel des
lichen Freiheit des Vereinsweſens. Dieß Princip iſt der Grund- ſatz, daß die Staatsgewalt im Vereinsweſen nicht etwa eine feindliche oder auch nur ihr indifferente Gewalt, ſondern vielmehr einen orga- niſchen Theil ihres eigenen Lebens ſehen ſoll, ohne deſſen volle und lebendige Entwicklung das Ganze nicht zur Vollendung gelangen kann. Die Staatsverwaltung ſoll daher nicht bloß im Allgemeinen die Blüthe des Vereinsweſens fördern, ſondern ſie ſoll zugleich nach den einzelnen Seiten des öffentlichen Rechts ſo wenig als möglich auf den Verein Einfluß nehmen; das erſte und allgemeinſte Princip des öffentlichen Vereinsrechts muß das ſein, nur negativ gegen alle diejenigen Mo- mente im Verein aufzutreten, welche entweder das öffentliche Wohl oder das Recht des Einzelnen gefährden. Dadurch entſteht dann der Charakter des öffentlichen Vereinsrechts überhaupt.
Es iſt ein ganz beſtimmter und verſchiedener für die Verfaſſung und für die Verwaltung des Vereins. Im Verfaſſungsrecht ſichert der Staat die Freiheit des Mitgliedes gegen den Verein als Ganzes, und den Staat gegen den Zweck des Vereins; im Verwaltungsrecht ſichert er die Mitglieder einerſeits und die Gemeinſchaft anderſeits gegen die wirkliche Thätigkeit des Vereins. Aus der Anwendung dieſer Principien auf das innere Vereinsrecht und ſein Syſtem hat ſich dasjenige gebildet, was wir nunmehr das Syſtem des öffentlichen Vereinsrechts nennen können.
1) Das öffentliche Verfaſſungsrecht der Vereine.
a) Begriff der Genehmigung des Vereins.
Es iſt ſehr leicht das Weſen und den Begriff des öffentlichen Ver- faſſungsrechts des Vereins zu beſtimmen. Es iſt dagegen durchaus nicht ſo einfach, dieſen Begriff in ſeiner richtigen Anwendung feſtzuſtellen. Und wir werden hier wieder in die Lage kommen, das Rechtsſyſtem auf eine Reihe von Unterſcheidungen im Weſen der Vereinigungen zurückzuführen, welche man nicht gemacht hat, und demnach nicht wird entbehren können, will man anders zu einem endgültigen Reſultate gelangen.
Der Begriff des öffentlichen Verfaſſungsrechts der Vereine kann nicht anders beſtimmt werden, als indem man die Vorſtellung einmal für allemal aufgibt, als ſei jede Rechtsbeſtimmung über das Vereins- weſen vorzugsweiſe unfreier Natur, und als ſtehe es daher im Belieben einer Regierung, ſolche Beſtimmungen überhaupt zu treffen oder nicht. Das Studium des öffentlichen Rechts hört ſofort auf, ſeinen Ernſt zu verlieren, wenn man die Freiheit des letzteren und das Ziel des
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><hirendition="#g"><pbfacs="#f0641"n="617"/>
lichen Freiheit des Vereinsweſens</hi>. Dieß Princip iſt der Grund-<lb/>ſatz, daß die Staatsgewalt im Vereinsweſen nicht etwa eine feindliche<lb/>
oder auch nur ihr indifferente Gewalt, ſondern vielmehr einen orga-<lb/>
niſchen Theil ihres eigenen Lebens ſehen ſoll, ohne deſſen volle und<lb/>
lebendige Entwicklung das Ganze nicht zur Vollendung gelangen kann.<lb/>
Die Staatsverwaltung ſoll daher nicht bloß im Allgemeinen die Blüthe<lb/>
des Vereinsweſens fördern, ſondern ſie ſoll zugleich nach den einzelnen<lb/>
Seiten des öffentlichen Rechts ſo wenig als möglich auf den Verein<lb/>
Einfluß nehmen; das erſte und allgemeinſte Princip des öffentlichen<lb/>
Vereinsrechts muß das ſein, nur negativ gegen alle diejenigen <hirendition="#g">Mo-<lb/>
mente</hi> im Verein aufzutreten, welche entweder das öffentliche Wohl<lb/>
oder das Recht des Einzelnen gefährden. Dadurch entſteht dann der<lb/>
Charakter des öffentlichen Vereinsrechts überhaupt.</p><lb/><p>Es iſt ein ganz beſtimmter und verſchiedener für die Verfaſſung<lb/>
und für die Verwaltung des Vereins. Im Verfaſſungsrecht ſichert der<lb/>
Staat die Freiheit des Mitgliedes gegen den Verein als Ganzes, und<lb/>
den Staat gegen den Zweck des Vereins; im Verwaltungsrecht ſichert<lb/>
er die Mitglieder einerſeits und die Gemeinſchaft anderſeits gegen die<lb/>
wirkliche Thätigkeit des Vereins. Aus der Anwendung dieſer Principien<lb/>
auf das innere Vereinsrecht und ſein Syſtem hat ſich dasjenige gebildet,<lb/>
was wir nunmehr das <hirendition="#g">Syſtem des öffentlichen Vereinsrechts</hi><lb/>
nennen können.</p><lb/><divn="5"><head>1) <hirendition="#g">Das öffentliche Verfaſſungsrecht der Vereine</hi>.</head><lb/><divn="6"><head><hirendition="#aq">a)</hi> Begriff der Genehmigung des Vereins.</head><lb/><p>Es iſt ſehr leicht das Weſen und den Begriff des öffentlichen Ver-<lb/>
faſſungsrechts des Vereins zu beſtimmen. Es iſt dagegen durchaus nicht<lb/>ſo einfach, dieſen Begriff in ſeiner richtigen Anwendung feſtzuſtellen.<lb/>
Und wir werden hier wieder in die Lage kommen, das Rechtsſyſtem<lb/>
auf eine Reihe von Unterſcheidungen im Weſen der Vereinigungen<lb/>
zurückzuführen, welche man nicht gemacht hat, und demnach nicht<lb/>
wird entbehren können, will man anders zu einem endgültigen Reſultate<lb/>
gelangen.</p><lb/><p>Der Begriff des öffentlichen Verfaſſungsrechts der Vereine kann<lb/>
nicht anders beſtimmt werden, als indem man die Vorſtellung einmal<lb/>
für allemal aufgibt, als ſei jede Rechtsbeſtimmung über das Vereins-<lb/>
weſen vorzugsweiſe unfreier Natur, und als ſtehe es daher im Belieben<lb/>
einer Regierung, ſolche Beſtimmungen überhaupt zu treffen oder nicht.<lb/>
Das Studium des öffentlichen Rechts hört ſofort auf, ſeinen Ernſt zu<lb/>
verlieren, wenn man die Freiheit des letzteren und das Ziel des<lb/></p></div></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[617/0641]
lichen Freiheit des Vereinsweſens. Dieß Princip iſt der Grund-
ſatz, daß die Staatsgewalt im Vereinsweſen nicht etwa eine feindliche
oder auch nur ihr indifferente Gewalt, ſondern vielmehr einen orga-
niſchen Theil ihres eigenen Lebens ſehen ſoll, ohne deſſen volle und
lebendige Entwicklung das Ganze nicht zur Vollendung gelangen kann.
Die Staatsverwaltung ſoll daher nicht bloß im Allgemeinen die Blüthe
des Vereinsweſens fördern, ſondern ſie ſoll zugleich nach den einzelnen
Seiten des öffentlichen Rechts ſo wenig als möglich auf den Verein
Einfluß nehmen; das erſte und allgemeinſte Princip des öffentlichen
Vereinsrechts muß das ſein, nur negativ gegen alle diejenigen Mo-
mente im Verein aufzutreten, welche entweder das öffentliche Wohl
oder das Recht des Einzelnen gefährden. Dadurch entſteht dann der
Charakter des öffentlichen Vereinsrechts überhaupt.
Es iſt ein ganz beſtimmter und verſchiedener für die Verfaſſung
und für die Verwaltung des Vereins. Im Verfaſſungsrecht ſichert der
Staat die Freiheit des Mitgliedes gegen den Verein als Ganzes, und
den Staat gegen den Zweck des Vereins; im Verwaltungsrecht ſichert
er die Mitglieder einerſeits und die Gemeinſchaft anderſeits gegen die
wirkliche Thätigkeit des Vereins. Aus der Anwendung dieſer Principien
auf das innere Vereinsrecht und ſein Syſtem hat ſich dasjenige gebildet,
was wir nunmehr das Syſtem des öffentlichen Vereinsrechts
nennen können.
1) Das öffentliche Verfaſſungsrecht der Vereine.
a) Begriff der Genehmigung des Vereins.
Es iſt ſehr leicht das Weſen und den Begriff des öffentlichen Ver-
faſſungsrechts des Vereins zu beſtimmen. Es iſt dagegen durchaus nicht
ſo einfach, dieſen Begriff in ſeiner richtigen Anwendung feſtzuſtellen.
Und wir werden hier wieder in die Lage kommen, das Rechtsſyſtem
auf eine Reihe von Unterſcheidungen im Weſen der Vereinigungen
zurückzuführen, welche man nicht gemacht hat, und demnach nicht
wird entbehren können, will man anders zu einem endgültigen Reſultate
gelangen.
Der Begriff des öffentlichen Verfaſſungsrechts der Vereine kann
nicht anders beſtimmt werden, als indem man die Vorſtellung einmal
für allemal aufgibt, als ſei jede Rechtsbeſtimmung über das Vereins-
weſen vorzugsweiſe unfreier Natur, und als ſtehe es daher im Belieben
einer Regierung, ſolche Beſtimmungen überhaupt zu treffen oder nicht.
Das Studium des öffentlichen Rechts hört ſofort auf, ſeinen Ernſt zu
verlieren, wenn man die Freiheit des letzteren und das Ziel des
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 617. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/641>, abgerufen am 21.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.