Daher ist es das zweite organische Recht des Ministeriums, daß keine Verordnung ohne Zustimmung des Ministeriums erlassen werden darf. Dieses Recht erscheint gegenüber der Staatsgewalt und ihrem Recht auf Verordnung in der Form der Gegenzeichnung, gegenüber den freien Verwaltungskörpern in der Form der Genehmigung. Inner- halb des eigenen ministeriellen Verwaltungskörpers kann man die Ver- ordnungen, welche an die Gesammtheit der Staatsbürger gerichtet sind, von den Erlässen, welche an die Regierungsorgane über ihre Thätigkeiten und Anfragen ergehen, unterscheiden. Alle diese Formen der verordnenden Gewalt bezeichnen zugleich die Thätigkeiten des Mini- steriums im organischen Leben der Vollziehung. Seine Stellung in der Gesetzgebung gehört der Verfassung, und beruht einerseits auf dem Rechte der Einbringung von Gesetzen, andererseits auf der ethischen Verpflichtung, die bei höherem verfassungsmäßigen Leben zu einer politischen Nothwendigkeit wird, die Stellung des Ministers aufzugeben, wenn zwischen Gesetzgebung und Vollziehung ein unausgleichbarer Unterschied der Auffassung besteht. Hier beginnt ein anderes Gebiet von Grundsätzen und Erscheinungen.
b) Eintheilung in die einzelnen Ministerien.
Die Eintheilung des gesammten Gebietes der Verwaltung in ein- zelne Ministerien erscheint auf den ersten Blick als eine theils zufällige, theils von reinen Nützlichkeitsgründen beherrschte. Dennoch ist auch sie auf das Engste mit der organischen Gestaltung der vollziehenden Ge- walt verwebt und von großer Bedeutung.
Da das Wesen der verfassungsmäßigen Verantwortlichkeit es fordert, daß in der Vollziehung gar kein Theil gänzlich außerhalb irgend eines Ministeriums stehe, so bildet die Gesammtheit der Ministerien zugleich die Gesammtheit des wirklich thätigen Organismus des Staatslebens, und die Eintheilung in die einzelnen Ministerien muß daher als die Gestalt der Vollziehung betrachtet werden.
Demnach leuchtet es ein, daß diese erst dann zu einer systema- tischen, von höheren Bedeutungen bestimmten Ordnung gelangen kann, wenn die vollziehende Gewalt sich von der gesetzgebenden getrennt hat und selbständig dasteht. Erst dann können die in ihr liegenden Ele- mente zu ihrer Geltung gelangen. Und so ist es auch historisch gewesen.
So lange nämlich in der ständischen Verwaltung sich Königthum und ständisches Recht gegenüber stehen, und der Staat in Gesetzgebung und Verwaltung zwischen beiden getheilt ist, wird überhaupt die ver- waltende Thätigkeit des Königthums theils eine sehr verschiedene sein, theils wird die Ordnung derselben wesentlich, wie schon erwähnt, auf
Daher iſt es das zweite organiſche Recht des Miniſteriums, daß keine Verordnung ohne Zuſtimmung des Miniſteriums erlaſſen werden darf. Dieſes Recht erſcheint gegenüber der Staatsgewalt und ihrem Recht auf Verordnung in der Form der Gegenzeichnung, gegenüber den freien Verwaltungskörpern in der Form der Genehmigung. Inner- halb des eigenen miniſteriellen Verwaltungskörpers kann man die Ver- ordnungen, welche an die Geſammtheit der Staatsbürger gerichtet ſind, von den Erläſſen, welche an die Regierungsorgane über ihre Thätigkeiten und Anfragen ergehen, unterſcheiden. Alle dieſe Formen der verordnenden Gewalt bezeichnen zugleich die Thätigkeiten des Mini- ſteriums im organiſchen Leben der Vollziehung. Seine Stellung in der Geſetzgebung gehört der Verfaſſung, und beruht einerſeits auf dem Rechte der Einbringung von Geſetzen, andererſeits auf der ethiſchen Verpflichtung, die bei höherem verfaſſungsmäßigen Leben zu einer politiſchen Nothwendigkeit wird, die Stellung des Miniſters aufzugeben, wenn zwiſchen Geſetzgebung und Vollziehung ein unausgleichbarer Unterſchied der Auffaſſung beſteht. Hier beginnt ein anderes Gebiet von Grundſätzen und Erſcheinungen.
b) Eintheilung in die einzelnen Miniſterien.
Die Eintheilung des geſammten Gebietes der Verwaltung in ein- zelne Miniſterien erſcheint auf den erſten Blick als eine theils zufällige, theils von reinen Nützlichkeitsgründen beherrſchte. Dennoch iſt auch ſie auf das Engſte mit der organiſchen Geſtaltung der vollziehenden Ge- walt verwebt und von großer Bedeutung.
Da das Weſen der verfaſſungsmäßigen Verantwortlichkeit es fordert, daß in der Vollziehung gar kein Theil gänzlich außerhalb irgend eines Miniſteriums ſtehe, ſo bildet die Geſammtheit der Miniſterien zugleich die Geſammtheit des wirklich thätigen Organismus des Staatslebens, und die Eintheilung in die einzelnen Miniſterien muß daher als die Geſtalt der Vollziehung betrachtet werden.
Demnach leuchtet es ein, daß dieſe erſt dann zu einer ſyſtema- tiſchen, von höheren Bedeutungen beſtimmten Ordnung gelangen kann, wenn die vollziehende Gewalt ſich von der geſetzgebenden getrennt hat und ſelbſtändig daſteht. Erſt dann können die in ihr liegenden Ele- mente zu ihrer Geltung gelangen. Und ſo iſt es auch hiſtoriſch geweſen.
So lange nämlich in der ſtändiſchen Verwaltung ſich Königthum und ſtändiſches Recht gegenüber ſtehen, und der Staat in Geſetzgebung und Verwaltung zwiſchen beiden getheilt iſt, wird überhaupt die ver- waltende Thätigkeit des Königthums theils eine ſehr verſchiedene ſein, theils wird die Ordnung derſelben weſentlich, wie ſchon erwähnt, auf
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><p><pbfacs="#f0335"n="311"/>
Daher iſt es das zweite organiſche Recht des Miniſteriums, daß keine<lb/>
Verordnung ohne Zuſtimmung des Miniſteriums erlaſſen werden darf.<lb/>
Dieſes Recht erſcheint gegenüber der Staatsgewalt und ihrem Recht<lb/>
auf Verordnung in der Form der <hirendition="#g">Gegenzeichnung</hi>, gegenüber den<lb/>
freien Verwaltungskörpern in der Form der <hirendition="#g">Genehmigung</hi>. Inner-<lb/>
halb des eigenen miniſteriellen Verwaltungskörpers kann man die <hirendition="#g">Ver-<lb/>
ordnungen</hi>, welche an die Geſammtheit der Staatsbürger gerichtet<lb/>ſind, von den <hirendition="#g">Erläſſen</hi>, welche an die Regierungsorgane über ihre<lb/>
Thätigkeiten und Anfragen ergehen, unterſcheiden. Alle dieſe Formen<lb/>
der verordnenden Gewalt bezeichnen zugleich die Thätigkeiten des Mini-<lb/>ſteriums im organiſchen Leben der Vollziehung. Seine Stellung in<lb/>
der Geſetzgebung gehört der Verfaſſung, und beruht einerſeits auf dem<lb/>
Rechte der Einbringung von Geſetzen, andererſeits auf der ethiſchen<lb/>
Verpflichtung, die bei höherem verfaſſungsmäßigen Leben zu einer<lb/>
politiſchen Nothwendigkeit wird, die Stellung des Miniſters aufzugeben,<lb/>
wenn zwiſchen Geſetzgebung und Vollziehung ein unausgleichbarer<lb/>
Unterſchied der Auffaſſung beſteht. Hier beginnt ein anderes Gebiet<lb/>
von Grundſätzen und Erſcheinungen.</p></div><lb/><divn="5"><head><hirendition="#aq">b</hi>) Eintheilung in die einzelnen Miniſterien.</head><lb/><p>Die Eintheilung des geſammten Gebietes der Verwaltung in ein-<lb/>
zelne Miniſterien erſcheint auf den erſten Blick als eine theils zufällige,<lb/>
theils von reinen Nützlichkeitsgründen beherrſchte. Dennoch iſt auch ſie<lb/>
auf das Engſte mit der organiſchen Geſtaltung der vollziehenden Ge-<lb/>
walt verwebt und von großer Bedeutung.</p><lb/><p>Da das Weſen der verfaſſungsmäßigen Verantwortlichkeit es fordert,<lb/>
daß in der Vollziehung gar kein Theil gänzlich außerhalb irgend eines<lb/>
Miniſteriums ſtehe, ſo bildet die Geſammtheit der Miniſterien zugleich<lb/>
die Geſammtheit des wirklich thätigen Organismus des Staatslebens,<lb/>
und die Eintheilung in die einzelnen Miniſterien muß daher als die<lb/><hirendition="#g">Geſtalt</hi> der Vollziehung betrachtet werden.</p><lb/><p>Demnach leuchtet es ein, daß dieſe erſt dann zu einer ſyſtema-<lb/>
tiſchen, von höheren Bedeutungen beſtimmten Ordnung gelangen kann,<lb/>
wenn die vollziehende Gewalt ſich von der geſetzgebenden getrennt hat<lb/>
und ſelbſtändig daſteht. Erſt dann können die in ihr liegenden Ele-<lb/>
mente zu ihrer Geltung gelangen. Und ſo iſt es auch hiſtoriſch geweſen.</p><lb/><p>So lange nämlich in der ſtändiſchen Verwaltung ſich Königthum<lb/>
und ſtändiſches Recht gegenüber ſtehen, und der Staat in Geſetzgebung<lb/>
und Verwaltung zwiſchen beiden getheilt iſt, wird überhaupt die ver-<lb/>
waltende Thätigkeit des Königthums theils eine ſehr verſchiedene ſein,<lb/>
theils wird die Ordnung derſelben weſentlich, wie ſchon erwähnt, auf<lb/></p></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[311/0335]
Daher iſt es das zweite organiſche Recht des Miniſteriums, daß keine
Verordnung ohne Zuſtimmung des Miniſteriums erlaſſen werden darf.
Dieſes Recht erſcheint gegenüber der Staatsgewalt und ihrem Recht
auf Verordnung in der Form der Gegenzeichnung, gegenüber den
freien Verwaltungskörpern in der Form der Genehmigung. Inner-
halb des eigenen miniſteriellen Verwaltungskörpers kann man die Ver-
ordnungen, welche an die Geſammtheit der Staatsbürger gerichtet
ſind, von den Erläſſen, welche an die Regierungsorgane über ihre
Thätigkeiten und Anfragen ergehen, unterſcheiden. Alle dieſe Formen
der verordnenden Gewalt bezeichnen zugleich die Thätigkeiten des Mini-
ſteriums im organiſchen Leben der Vollziehung. Seine Stellung in
der Geſetzgebung gehört der Verfaſſung, und beruht einerſeits auf dem
Rechte der Einbringung von Geſetzen, andererſeits auf der ethiſchen
Verpflichtung, die bei höherem verfaſſungsmäßigen Leben zu einer
politiſchen Nothwendigkeit wird, die Stellung des Miniſters aufzugeben,
wenn zwiſchen Geſetzgebung und Vollziehung ein unausgleichbarer
Unterſchied der Auffaſſung beſteht. Hier beginnt ein anderes Gebiet
von Grundſätzen und Erſcheinungen.
b) Eintheilung in die einzelnen Miniſterien.
Die Eintheilung des geſammten Gebietes der Verwaltung in ein-
zelne Miniſterien erſcheint auf den erſten Blick als eine theils zufällige,
theils von reinen Nützlichkeitsgründen beherrſchte. Dennoch iſt auch ſie
auf das Engſte mit der organiſchen Geſtaltung der vollziehenden Ge-
walt verwebt und von großer Bedeutung.
Da das Weſen der verfaſſungsmäßigen Verantwortlichkeit es fordert,
daß in der Vollziehung gar kein Theil gänzlich außerhalb irgend eines
Miniſteriums ſtehe, ſo bildet die Geſammtheit der Miniſterien zugleich
die Geſammtheit des wirklich thätigen Organismus des Staatslebens,
und die Eintheilung in die einzelnen Miniſterien muß daher als die
Geſtalt der Vollziehung betrachtet werden.
Demnach leuchtet es ein, daß dieſe erſt dann zu einer ſyſtema-
tiſchen, von höheren Bedeutungen beſtimmten Ordnung gelangen kann,
wenn die vollziehende Gewalt ſich von der geſetzgebenden getrennt hat
und ſelbſtändig daſteht. Erſt dann können die in ihr liegenden Ele-
mente zu ihrer Geltung gelangen. Und ſo iſt es auch hiſtoriſch geweſen.
So lange nämlich in der ſtändiſchen Verwaltung ſich Königthum
und ſtändiſches Recht gegenüber ſtehen, und der Staat in Geſetzgebung
und Verwaltung zwiſchen beiden getheilt iſt, wird überhaupt die ver-
waltende Thätigkeit des Königthums theils eine ſehr verſchiedene ſein,
theils wird die Ordnung derſelben weſentlich, wie ſchon erwähnt, auf
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/335>, abgerufen am 21.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.