Einleitung. Der allgemeine organische Staatsbegriff.
Wenn Begriff und Definition den Anforderungen der Wissenschaft entsprechen sollen, so müssen beide sich als ein Entwicklungsmoment eines höheren, allgemeineren Begriffes ergeben. Das gilt für alle wissenschaftliche Begriffsbestimmung, und so auch für den Begriff der Verwaltung. Dieß zu leisten ist die Aufgabe unsrer Einleitung.
Wenn Begriff und Definition dem praktischen Bedürfniß entsprechen sollen, so müssen beide für jeden einzelnen Theil des Ganzen zutreffend erscheinen. Dieß nachzuweisen, ist die Aufgabe des eigentlichen Inhalts unsrer Darstellung.
Es ist daher bei dem Begriffe der Verwaltung nothwendig, ihn auf den allgemeineren Begriff des Staats zurückzuführen, ihn aus dem- selben organisch zu entwickeln, und ihm daraus seine Stellung, seinen Umfang und seine ethische, rechtliche und wirthschaftliche Bedeutung zu bestimmen. Die Verwaltung ist ihrem Inhalt und ihrer Aufgabe nach so unendlich wichtig, daß wir dem Einzelnen eine Arbeit und Mühe nicht ersparen können, ohne welche die Wissenschaft niemals zu einem festen Resultat gelangen kann. Und das großartige Leben, welches sich dabei vor unsern Blicken entfaltet, wird die Mühe lohnen, welche die unendliche Mannigfaltigkeit der Erscheinungen auf wenige einfache und herrschende Elemente zurückführt, deren Verständniß wir als die Bedin- gung des Verständnisses des Ganzen betrachten müssen.
Wir werden daher in dieser Einleitung zuerst den Begriff der Ver- waltung für sich, dann seine organische Stellung im Staate, und end- lich seinen organischen Inhalt entwickeln. Und es wird das nicht schwierig sein, wenn man sich nur dessen enthalten kann, hergebrachte Ausdrücke in hergebrachter Unklarheit beizubehalten. Wir werden zum Schlusse versuchen, die Unfertigkeit der ganzen bisherigen Behandlungsweise dieses Gebietes auf ihre historischen Grundlagen zurückzuführen.
Stein, die Verwaltungslehre. I. 1
Einleitung. Der allgemeine organiſche Staatsbegriff.
Wenn Begriff und Definition den Anforderungen der Wiſſenſchaft entſprechen ſollen, ſo müſſen beide ſich als ein Entwicklungsmoment eines höheren, allgemeineren Begriffes ergeben. Das gilt für alle wiſſenſchaftliche Begriffsbeſtimmung, und ſo auch für den Begriff der Verwaltung. Dieß zu leiſten iſt die Aufgabe unſrer Einleitung.
Wenn Begriff und Definition dem praktiſchen Bedürfniß entſprechen ſollen, ſo müſſen beide für jeden einzelnen Theil des Ganzen zutreffend erſcheinen. Dieß nachzuweiſen, iſt die Aufgabe des eigentlichen Inhalts unſrer Darſtellung.
Es iſt daher bei dem Begriffe der Verwaltung nothwendig, ihn auf den allgemeineren Begriff des Staats zurückzuführen, ihn aus dem- ſelben organiſch zu entwickeln, und ihm daraus ſeine Stellung, ſeinen Umfang und ſeine ethiſche, rechtliche und wirthſchaftliche Bedeutung zu beſtimmen. Die Verwaltung iſt ihrem Inhalt und ihrer Aufgabe nach ſo unendlich wichtig, daß wir dem Einzelnen eine Arbeit und Mühe nicht erſparen können, ohne welche die Wiſſenſchaft niemals zu einem feſten Reſultat gelangen kann. Und das großartige Leben, welches ſich dabei vor unſern Blicken entfaltet, wird die Mühe lohnen, welche die unendliche Mannigfaltigkeit der Erſcheinungen auf wenige einfache und herrſchende Elemente zurückführt, deren Verſtändniß wir als die Bedin- gung des Verſtändniſſes des Ganzen betrachten müſſen.
Wir werden daher in dieſer Einleitung zuerſt den Begriff der Ver- waltung für ſich, dann ſeine organiſche Stellung im Staate, und end- lich ſeinen organiſchen Inhalt entwickeln. Und es wird das nicht ſchwierig ſein, wenn man ſich nur deſſen enthalten kann, hergebrachte Ausdrücke in hergebrachter Unklarheit beizubehalten. Wir werden zum Schluſſe verſuchen, die Unfertigkeit der ganzen bisherigen Behandlungsweiſe dieſes Gebietes auf ihre hiſtoriſchen Grundlagen zurückzuführen.
Stein, die Verwaltungslehre. I. 1
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Der allgemeine organiſche Staatsbegriff.
Wenn Begriff und Definition den Anforderungen der Wiſſenſchaft
entſprechen ſollen, ſo müſſen beide ſich als ein Entwicklungsmoment
eines höheren, allgemeineren Begriffes ergeben. Das gilt für alle
wiſſenſchaftliche Begriffsbeſtimmung, und ſo auch für den Begriff der
Verwaltung. Dieß zu leiſten iſt die Aufgabe unſrer Einleitung.
Wenn Begriff und Definition dem praktiſchen Bedürfniß entſprechen
ſollen, ſo müſſen beide für jeden einzelnen Theil des Ganzen zutreffend
erſcheinen. Dieß nachzuweiſen, iſt die Aufgabe des eigentlichen Inhalts
unſrer Darſtellung.
Es iſt daher bei dem Begriffe der Verwaltung nothwendig, ihn
auf den allgemeineren Begriff des Staats zurückzuführen, ihn aus dem-
ſelben organiſch zu entwickeln, und ihm daraus ſeine Stellung, ſeinen
Umfang und ſeine ethiſche, rechtliche und wirthſchaftliche Bedeutung zu
beſtimmen. Die Verwaltung iſt ihrem Inhalt und ihrer Aufgabe nach
ſo unendlich wichtig, daß wir dem Einzelnen eine Arbeit und Mühe
nicht erſparen können, ohne welche die Wiſſenſchaft niemals zu einem
feſten Reſultat gelangen kann. Und das großartige Leben, welches ſich
dabei vor unſern Blicken entfaltet, wird die Mühe lohnen, welche die
unendliche Mannigfaltigkeit der Erſcheinungen auf wenige einfache und
herrſchende Elemente zurückführt, deren Verſtändniß wir als die Bedin-
gung des Verſtändniſſes des Ganzen betrachten müſſen.
Wir werden daher in dieſer Einleitung zuerſt den Begriff der Ver-
waltung für ſich, dann ſeine organiſche Stellung im Staate, und end-
lich ſeinen organiſchen Inhalt entwickeln. Und es wird das nicht ſchwierig
ſein, wenn man ſich nur deſſen enthalten kann, hergebrachte Ausdrücke
in hergebrachter Unklarheit beizubehalten. Wir werden zum Schluſſe
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/25>, abgerufen am 21.11.2024.
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