betrachten. Wir müssen die Ueberzeugung aussprechen, daß Wesen und Gestalt jenes ganzen Organismus, wie die der einzelnen Hauptorgane unabänder- lich für den Staat sind, wie Knochenbau und Nervensystem, Muskeln und Gefäßsystem für den Körper des Menschen. Die unendlichen Verschiedenheiten der Staatenbildung bestehen auch hier nicht darin, daß jene Grundformen vor- handen sind oder nicht, sondern nur darin, daß sie sich je nach der Individua- lität des Staats anders gestalten. Liegt doch auch die Tiefe der Individualität des Menschen nicht in dem Mangel oder dem Mehr der Grundorgane; und doch ist sie wahrlich reich und mächtig genug innerhalb des unabänderlich Gleichen! Gewiß aber wird die Wissenschaft nicht wesentlich weiter kommen, wenn sie sich nicht endlich einigt über das wesentlich Gleiche!
I. Der Organismus als Gegenstand der Wissenschaft. Aufgabe der letztern.
Das einzelne Organ der vollziehenden Gewalt, dieser Grundbegriff des Folgenden entsteht nun, indem dieselbe sich den gegebenen, wirk- lichen Lebensverhältnissen zuwendet, und in ihnen den Willen des Staats verwirklichen will. Diese Lebensverhältnisse sind nun äußerlich und innerlich unendlich verschieden. Sie sind theils reine persönliche Ver- hältnisse, theils rein natürliche Zustände, theils Thatsachen, welche aus dem Zusammenwirken beider hervorgehen. Immer aber bilden sie ein Gebiet, welches dem persönlichen Begriffe des Staates selbständig gegenüber steht; sie sind, als Ganzes zusammengefaßt, das natürliche Dasein des Staates. Der Begriff des Lebens ist auch hier der große, aus dem Wesen der Staatspersönlichkeit hervorgehende Proceß, durch welchen er dieß natürliche Dasein seinem geistigen Leben unterwirft. Die Besonderheiten des erstern fordern eine selbständige, für diese Be- sonderheiten bestimmte Erscheinung des letztern; und diejenige Erscheinung, welche der persönliche Staat selbständig für die Bewältigung des ein- zelnen Lebensverhältnisses seines äußern Daseins bestimmt, ist das einzelne Organ der vollziehenden Gewalt.
Dieß einzelne Organ bezeichnet uns daher einen doppelten Inhalt. Zuerst enthält es, und ist es der Träger des allgemeinen Staatswillens; dann enthält es die Gesammtheit der wirklichen, äußern Lebensverhält- nisse, in denen es erscheint und für deren Beherrschung im Sinne des Staats es bestimmt ist. Daraus entstehen die beiden Verhältnisse, welche den Inhalt des einzelnen Organes bilden, seine Selbständigkeit, und seine Einheit mit einem ganzen Organismus. Beide Gesichtspunkte sind für das Leben des Organismus entscheidend.
betrachten. Wir müſſen die Ueberzeugung ausſprechen, daß Weſen und Geſtalt jenes ganzen Organismus, wie die der einzelnen Hauptorgane unabänder- lich für den Staat ſind, wie Knochenbau und Nervenſyſtem, Muskeln und Gefäßſyſtem für den Körper des Menſchen. Die unendlichen Verſchiedenheiten der Staatenbildung beſtehen auch hier nicht darin, daß jene Grundformen vor- handen ſind oder nicht, ſondern nur darin, daß ſie ſich je nach der Individua- lität des Staats anders geſtalten. Liegt doch auch die Tiefe der Individualität des Menſchen nicht in dem Mangel oder dem Mehr der Grundorgane; und doch iſt ſie wahrlich reich und mächtig genug innerhalb des unabänderlich Gleichen! Gewiß aber wird die Wiſſenſchaft nicht weſentlich weiter kommen, wenn ſie ſich nicht endlich einigt über das weſentlich Gleiche!
I. Der Organismus als Gegenſtand der Wiſſenſchaft. Aufgabe der letztern.
Das einzelne Organ der vollziehenden Gewalt, dieſer Grundbegriff des Folgenden entſteht nun, indem dieſelbe ſich den gegebenen, wirk- lichen Lebensverhältniſſen zuwendet, und in ihnen den Willen des Staats verwirklichen will. Dieſe Lebensverhältniſſe ſind nun äußerlich und innerlich unendlich verſchieden. Sie ſind theils reine perſönliche Ver- hältniſſe, theils rein natürliche Zuſtände, theils Thatſachen, welche aus dem Zuſammenwirken beider hervorgehen. Immer aber bilden ſie ein Gebiet, welches dem perſönlichen Begriffe des Staates ſelbſtändig gegenüber ſteht; ſie ſind, als Ganzes zuſammengefaßt, das natürliche Daſein des Staates. Der Begriff des Lebens iſt auch hier der große, aus dem Weſen der Staatsperſönlichkeit hervorgehende Proceß, durch welchen er dieß natürliche Daſein ſeinem geiſtigen Leben unterwirft. Die Beſonderheiten des erſtern fordern eine ſelbſtändige, für dieſe Be- ſonderheiten beſtimmte Erſcheinung des letztern; und diejenige Erſcheinung, welche der perſönliche Staat ſelbſtändig für die Bewältigung des ein- zelnen Lebensverhältniſſes ſeines äußern Daſeins beſtimmt, iſt das einzelne Organ der vollziehenden Gewalt.
Dieß einzelne Organ bezeichnet uns daher einen doppelten Inhalt. Zuerſt enthält es, und iſt es der Träger des allgemeinen Staatswillens; dann enthält es die Geſammtheit der wirklichen, äußern Lebensverhält- niſſe, in denen es erſcheint und für deren Beherrſchung im Sinne des Staats es beſtimmt iſt. Daraus entſtehen die beiden Verhältniſſe, welche den Inhalt des einzelnen Organes bilden, ſeine Selbſtändigkeit, und ſeine Einheit mit einem ganzen Organismus. Beide Geſichtspunkte ſind für das Leben des Organismus entſcheidend.
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betrachten. Wir müſſen die Ueberzeugung ausſprechen, daß Weſen und Geſtalt
jenes ganzen Organismus, wie die der einzelnen Hauptorgane unabänder-
lich für den Staat ſind, wie Knochenbau und Nervenſyſtem, Muskeln und
Gefäßſyſtem für den Körper des Menſchen. Die unendlichen Verſchiedenheiten
der Staatenbildung beſtehen auch hier nicht darin, daß jene Grundformen vor-
handen ſind oder nicht, ſondern nur darin, daß ſie ſich je nach der Individua-
lität des Staats anders geſtalten. Liegt doch auch die Tiefe der Individualität
des Menſchen nicht in dem Mangel oder dem Mehr der Grundorgane; und
doch iſt ſie wahrlich reich und mächtig genug innerhalb des unabänderlich
Gleichen! Gewiß aber wird die Wiſſenſchaft nicht weſentlich weiter kommen,
wenn ſie ſich nicht endlich einigt über das weſentlich Gleiche!
I.
Der Organismus als Gegenſtand der Wiſſenſchaft. Aufgabe
der letztern.
Das einzelne Organ der vollziehenden Gewalt, dieſer Grundbegriff
des Folgenden entſteht nun, indem dieſelbe ſich den gegebenen, wirk-
lichen Lebensverhältniſſen zuwendet, und in ihnen den Willen des Staats
verwirklichen will. Dieſe Lebensverhältniſſe ſind nun äußerlich und
innerlich unendlich verſchieden. Sie ſind theils reine perſönliche Ver-
hältniſſe, theils rein natürliche Zuſtände, theils Thatſachen, welche
aus dem Zuſammenwirken beider hervorgehen. Immer aber bilden ſie
ein Gebiet, welches dem perſönlichen Begriffe des Staates ſelbſtändig
gegenüber ſteht; ſie ſind, als Ganzes zuſammengefaßt, das natürliche
Daſein des Staates. Der Begriff des Lebens iſt auch hier der große,
aus dem Weſen der Staatsperſönlichkeit hervorgehende Proceß, durch
welchen er dieß natürliche Daſein ſeinem geiſtigen Leben unterwirft.
Die Beſonderheiten des erſtern fordern eine ſelbſtändige, für dieſe Be-
ſonderheiten beſtimmte Erſcheinung des letztern; und diejenige Erſcheinung,
welche der perſönliche Staat ſelbſtändig für die Bewältigung des ein-
zelnen Lebensverhältniſſes ſeines äußern Daſeins beſtimmt, iſt das
einzelne Organ der vollziehenden Gewalt.
Dieß einzelne Organ bezeichnet uns daher einen doppelten Inhalt.
Zuerſt enthält es, und iſt es der Träger des allgemeinen Staatswillens;
dann enthält es die Geſammtheit der wirklichen, äußern Lebensverhält-
niſſe, in denen es erſcheint und für deren Beherrſchung im Sinne des
Staats es beſtimmt iſt. Daraus entſtehen die beiden Verhältniſſe,
welche den Inhalt des einzelnen Organes bilden, ſeine Selbſtändigkeit,
und ſeine Einheit mit einem ganzen Organismus. Beide Geſichtspunkte
ſind für das Leben des Organismus entſcheidend.
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/248>, abgerufen am 21.11.2024.
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