dem Einzelnen ein Privatrecht wirklich erworben, so kann dieß nicht mehr durch eine ändernde Verfügung aufgehoben werden, weil hier das Mandatsrecht eintritt, und mithin die Verordnung dem bürger- lichen Gesetze gegenüber tritt, wobei das Klagrecht unzweifelhaft ist. Das nun ist der Punkt, wo sich eben die französischen Grundsätze des contentieux und des conflit deutlich herausstellen. Im französischen Recht nämlich hat in den Fällen des contentieux die Verwaltungsbehörde auch die Competenz über den privatrechtlichen Inhalt ihrer Verwaltungs- akte, wie z. B. bei Lieferungsverträgen u. s. w., und der conflit entsteht eben dann, wenn das Gericht über diese bürgerlichen Consequenzen eine Klage annimmt, während über das öffentliche Recht und Gesetz gar keine Klage angenommen werden darf. (Siehe oben.) Die Auf- stellung der Administrativsachen verewigt diesen Widerspruch. Das deutsche Recht ist sich, wie wir oben gesehen, hier nicht klar. Dennoch ist kein anderer Grundsatz als der obige denkbar. Man muß daher sagen, daß insoweit auf Grundlage des Eigenthums-, Verkehrs- und Erbrechts im bürgerlichen (gemeinen) Recht das Gericht Recht spricht über den Inhalt einer Verordnung, dasselbe auch über Verordnungen competent ist, was im Grunde nur eine Anwendung des allgemeinen Begriffes des Klagrechts ist.
Wesentlich anders ist der zweite Fall, der der Frage nach richter- licher Competenz im weitern Sinn angehört.
b) Das richterliche Competenzrecht über die Gesetzesqualität.
Alle obigen Punkte sind nämlich einfach, so lange Gesetz und Ver- ordnung objektiv und klar geschieden sind. Allein es kann der Fall ein- treten, daß wo der Einzelne bei Gerichte klagt, die Gesetzesqualität des betreffenden Willensaktes von der Staatsgewalt geläugnet, und auf diese Negation das Recht zur Vornahme der beklagten Verordnung oder Verfügung begründet wird. Und hier tritt daher die Frage ein, ob ein Gericht über die gesetzliche Natur des öffentlichen Willens eine Entscheidung zu treffen competent, und welches das Recht dieser Ent- scheidung sei.
Dieß ist nun der Fall, den wir den eigentlichen Competenz- conflikt nennen möchten. Denn in der That handelt es sich hier um die Zuständigkeit nicht etwa der Gerichte gegenüber der Verwaltung, sondern der Gerichte gegenüber der Gesetzgebung. Die Competenz gegenüber der ersteren ist dann selbstverständlich gegeben, wenn sie gegenüber der zweiten feststeht. Die Frage ist eine ernste, und eben darum kann sie auch in einfacher und klarer Weise erledigt werden. Nur ist man gezwungen, hier auf die eigenthümlichen Verhältnisse
dem Einzelnen ein Privatrecht wirklich erworben, ſo kann dieß nicht mehr durch eine ändernde Verfügung aufgehoben werden, weil hier das Mandatsrecht eintritt, und mithin die Verordnung dem bürger- lichen Geſetze gegenüber tritt, wobei das Klagrecht unzweifelhaft iſt. Das nun iſt der Punkt, wo ſich eben die franzöſiſchen Grundſätze des contentieux und des conflit deutlich herausſtellen. Im franzöſiſchen Recht nämlich hat in den Fällen des contentieux die Verwaltungsbehörde auch die Competenz über den privatrechtlichen Inhalt ihrer Verwaltungs- akte, wie z. B. bei Lieferungsverträgen u. ſ. w., und der conflit entſteht eben dann, wenn das Gericht über dieſe bürgerlichen Conſequenzen eine Klage annimmt, während über das öffentliche Recht und Geſetz gar keine Klage angenommen werden darf. (Siehe oben.) Die Auf- ſtellung der Adminiſtrativſachen verewigt dieſen Widerſpruch. Das deutſche Recht iſt ſich, wie wir oben geſehen, hier nicht klar. Dennoch iſt kein anderer Grundſatz als der obige denkbar. Man muß daher ſagen, daß inſoweit auf Grundlage des Eigenthums-, Verkehrs- und Erbrechts im bürgerlichen (gemeinen) Recht das Gericht Recht ſpricht über den Inhalt einer Verordnung, daſſelbe auch über Verordnungen competent iſt, was im Grunde nur eine Anwendung des allgemeinen Begriffes des Klagrechts iſt.
Weſentlich anders iſt der zweite Fall, der der Frage nach richter- licher Competenz im weitern Sinn angehört.
b) Das richterliche Competenzrecht über die Geſetzesqualität.
Alle obigen Punkte ſind nämlich einfach, ſo lange Geſetz und Ver- ordnung objektiv und klar geſchieden ſind. Allein es kann der Fall ein- treten, daß wo der Einzelne bei Gerichte klagt, die Geſetzesqualität des betreffenden Willensaktes von der Staatsgewalt geläugnet, und auf dieſe Negation das Recht zur Vornahme der beklagten Verordnung oder Verfügung begründet wird. Und hier tritt daher die Frage ein, ob ein Gericht über die geſetzliche Natur des öffentlichen Willens eine Entſcheidung zu treffen competent, und welches das Recht dieſer Ent- ſcheidung ſei.
Dieß iſt nun der Fall, den wir den eigentlichen Competenz- conflikt nennen möchten. Denn in der That handelt es ſich hier um die Zuſtändigkeit nicht etwa der Gerichte gegenüber der Verwaltung, ſondern der Gerichte gegenüber der Geſetzgebung. Die Competenz gegenüber der erſteren iſt dann ſelbſtverſtändlich gegeben, wenn ſie gegenüber der zweiten feſtſteht. Die Frage iſt eine ernſte, und eben darum kann ſie auch in einfacher und klarer Weiſe erledigt werden. Nur iſt man gezwungen, hier auf die eigenthümlichen Verhältniſſe
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[187/0211]
dem Einzelnen ein Privatrecht wirklich erworben, ſo kann dieß
nicht mehr durch eine ändernde Verfügung aufgehoben werden, weil
hier das Mandatsrecht eintritt, und mithin die Verordnung dem bürger-
lichen Geſetze gegenüber tritt, wobei das Klagrecht unzweifelhaft iſt.
Das nun iſt der Punkt, wo ſich eben die franzöſiſchen Grundſätze des
contentieux und des conflit deutlich herausſtellen. Im franzöſiſchen
Recht nämlich hat in den Fällen des contentieux die Verwaltungsbehörde
auch die Competenz über den privatrechtlichen Inhalt ihrer Verwaltungs-
akte, wie z. B. bei Lieferungsverträgen u. ſ. w., und der conflit entſteht
eben dann, wenn das Gericht über dieſe bürgerlichen Conſequenzen
eine Klage annimmt, während über das öffentliche Recht und Geſetz
gar keine Klage angenommen werden darf. (Siehe oben.) Die Auf-
ſtellung der Adminiſtrativſachen verewigt dieſen Widerſpruch. Das
deutſche Recht iſt ſich, wie wir oben geſehen, hier nicht klar. Dennoch
iſt kein anderer Grundſatz als der obige denkbar. Man muß daher
ſagen, daß inſoweit auf Grundlage des Eigenthums-, Verkehrs- und
Erbrechts im bürgerlichen (gemeinen) Recht das Gericht Recht ſpricht
über den Inhalt einer Verordnung, daſſelbe auch über Verordnungen
competent iſt, was im Grunde nur eine Anwendung des allgemeinen
Begriffes des Klagrechts iſt.
Weſentlich anders iſt der zweite Fall, der der Frage nach richter-
licher Competenz im weitern Sinn angehört.
b) Das richterliche Competenzrecht über die Geſetzesqualität.
Alle obigen Punkte ſind nämlich einfach, ſo lange Geſetz und Ver-
ordnung objektiv und klar geſchieden ſind. Allein es kann der Fall ein-
treten, daß wo der Einzelne bei Gerichte klagt, die Geſetzesqualität
des betreffenden Willensaktes von der Staatsgewalt geläugnet, und auf
dieſe Negation das Recht zur Vornahme der beklagten Verordnung oder
Verfügung begründet wird. Und hier tritt daher die Frage ein, ob
ein Gericht über die geſetzliche Natur des öffentlichen Willens eine
Entſcheidung zu treffen competent, und welches das Recht dieſer Ent-
ſcheidung ſei.
Dieß iſt nun der Fall, den wir den eigentlichen Competenz-
conflikt nennen möchten. Denn in der That handelt es ſich hier um
die Zuſtändigkeit nicht etwa der Gerichte gegenüber der Verwaltung,
ſondern der Gerichte gegenüber der Geſetzgebung. Die Competenz
gegenüber der erſteren iſt dann ſelbſtverſtändlich gegeben, wenn ſie
gegenüber der zweiten feſtſteht. Die Frage iſt eine ernſte, und eben
darum kann ſie auch in einfacher und klarer Weiſe erledigt werden.
Nur iſt man gezwungen, hier auf die eigenthümlichen Verhältniſſe
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/211>, abgerufen am 30.12.2024.
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