Es ist vielleicht einige Schwierigkeit, den obigen Begriff zu be- stimmen. In der That sind die Ministerien als Grundlage der ganzen Organisation des Staats gegenüber derjenigen der Selbstverwaltung gleichsam von selbst entstanden. Sie sind so sehr die natürliche Folge der innern Entwicklung des Staatslebens, daß, so viel wir wissen, zwar sehr häufig und ernsthaft die Frage ventilirt worden ist, wie sie am zweckmäßigsten eingerichtet werden sollen (s. unten), niemals aber die, ob das Staatsoberhaupt gezwungen sei, Ministerien überhaupt, oder bestimmte Ministerien zu haben, das ist, ob es ein Recht der Ministerialorganisation gebe.
Die Grundsätze, die dafür gelten, ergeben sich nun wohl ziemlich ein- fach aus dem allgemeinen Princip der verfassungsmäßigen Verwaltung.
Keine verfassungsmäßige Verwaltung ist möglich, ohne eine Ver- antwortlichkeit der obersten Staatsbehörden. Die verfassungsmäßige Verwaltung ist aber gegeben mit dem Auftreten der selbständigen Volks- vertretung. Die Verantwortlichkeit der obersten Staatsbehörden ihrer- seits hat zu ihrer Voraussetzung, daß die vollziehende Gewalt eines bestimmten Theiles der Regierung nur einzelnen Persönlichkeiten vom Staatsoberhaupt übertragen werde. Ob diese oberste Staatsbehörde Minister heißt oder nicht, ist natürlich ganz gleichgültig. Nothwendig ist aber und durch das Princip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung ge- fordert, daß die vom Staatsoberhaupt getroffene Organisation so ein- gerichtet sei, daß sie die persönliche Verantwortlichkeit der Voll- ziehung gegenüber der Gesetzgebung möglich mache. Dieses einfache, und in allen Verfassungen anerkannte Princip wird nun zum Recht durch zwei Grundsätze, welche als Rechtsgrund der Verpflichtung des Staatsoberhaupts, Ministerien zu bilden, betrachtet werden kann; ent- weder durch die Aufnahme der einzelnen Ministerien in die Verfassung, oder durch den ausdrücklichen Satz, daß die Akte der vollziehenden Gewalt durch Minister unterzeichnet sein müssen. Eine Verpflichtung des Staatsoberhaupts, bestimmte Ministerien zu haben, kann streng genommen nur da anerkannt werden, wo sie ausdrücklich im Wege eines Gesetzes aufgestellt werden, was nur selten geschehen ist. Aber selbst aus dieser Verpflichtung geht eigentlich nicht die zweite hervor, jedes Ministerium unbedingt mit einer einzelnen Person zu besetzen. Es liegt im Organisationsrecht des Staatsoberhaupts, sowohl mehrere Ministerien durch Eine Person, als ein Ministerium durch einen Stell- vertreter verwalten zu lassen. So weit nicht das Princip der poli- tischen Verantwortlichkeit durch solche Beschlüsse des Staatsoberhaupts
1) Das Recht der amtlichen Organiſation.
Es iſt vielleicht einige Schwierigkeit, den obigen Begriff zu be- ſtimmen. In der That ſind die Miniſterien als Grundlage der ganzen Organiſation des Staats gegenüber derjenigen der Selbſtverwaltung gleichſam von ſelbſt entſtanden. Sie ſind ſo ſehr die natürliche Folge der innern Entwicklung des Staatslebens, daß, ſo viel wir wiſſen, zwar ſehr häufig und ernſthaft die Frage ventilirt worden iſt, wie ſie am zweckmäßigſten eingerichtet werden ſollen (ſ. unten), niemals aber die, ob das Staatsoberhaupt gezwungen ſei, Miniſterien überhaupt, oder beſtimmte Miniſterien zu haben, das iſt, ob es ein Recht der Miniſterialorganiſation gebe.
Die Grundſätze, die dafür gelten, ergeben ſich nun wohl ziemlich ein- fach aus dem allgemeinen Princip der verfaſſungsmäßigen Verwaltung.
Keine verfaſſungsmäßige Verwaltung iſt möglich, ohne eine Ver- antwortlichkeit der oberſten Staatsbehörden. Die verfaſſungsmäßige Verwaltung iſt aber gegeben mit dem Auftreten der ſelbſtändigen Volks- vertretung. Die Verantwortlichkeit der oberſten Staatsbehörden ihrer- ſeits hat zu ihrer Vorausſetzung, daß die vollziehende Gewalt eines beſtimmten Theiles der Regierung nur einzelnen Perſönlichkeiten vom Staatsoberhaupt übertragen werde. Ob dieſe oberſte Staatsbehörde Miniſter heißt oder nicht, iſt natürlich ganz gleichgültig. Nothwendig iſt aber und durch das Princip der Geſetzmäßigkeit der Verwaltung ge- fordert, daß die vom Staatsoberhaupt getroffene Organiſation ſo ein- gerichtet ſei, daß ſie die perſönliche Verantwortlichkeit der Voll- ziehung gegenüber der Geſetzgebung möglich mache. Dieſes einfache, und in allen Verfaſſungen anerkannte Princip wird nun zum Recht durch zwei Grundſätze, welche als Rechtsgrund der Verpflichtung des Staatsoberhaupts, Miniſterien zu bilden, betrachtet werden kann; ent- weder durch die Aufnahme der einzelnen Miniſterien in die Verfaſſung, oder durch den ausdrücklichen Satz, daß die Akte der vollziehenden Gewalt durch Miniſter unterzeichnet ſein müſſen. Eine Verpflichtung des Staatsoberhaupts, beſtimmte Miniſterien zu haben, kann ſtreng genommen nur da anerkannt werden, wo ſie ausdrücklich im Wege eines Geſetzes aufgeſtellt werden, was nur ſelten geſchehen iſt. Aber ſelbſt aus dieſer Verpflichtung geht eigentlich nicht die zweite hervor, jedes Miniſterium unbedingt mit einer einzelnen Perſon zu beſetzen. Es liegt im Organiſationsrecht des Staatsoberhaupts, ſowohl mehrere Miniſterien durch Eine Perſon, als ein Miniſterium durch einen Stell- vertreter verwalten zu laſſen. So weit nicht das Princip der poli- tiſchen Verantwortlichkeit durch ſolche Beſchlüſſe des Staatsoberhaupts
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1) Das Recht der amtlichen Organiſation.
Es iſt vielleicht einige Schwierigkeit, den obigen Begriff zu be-
ſtimmen. In der That ſind die Miniſterien als Grundlage der ganzen
Organiſation des Staats gegenüber derjenigen der Selbſtverwaltung
gleichſam von ſelbſt entſtanden. Sie ſind ſo ſehr die natürliche Folge
der innern Entwicklung des Staatslebens, daß, ſo viel wir wiſſen,
zwar ſehr häufig und ernſthaft die Frage ventilirt worden iſt, wie ſie
am zweckmäßigſten eingerichtet werden ſollen (ſ. unten), niemals aber
die, ob das Staatsoberhaupt gezwungen ſei, Miniſterien überhaupt,
oder beſtimmte Miniſterien zu haben, das iſt, ob es ein Recht der
Miniſterialorganiſation gebe.
Die Grundſätze, die dafür gelten, ergeben ſich nun wohl ziemlich ein-
fach aus dem allgemeinen Princip der verfaſſungsmäßigen Verwaltung.
Keine verfaſſungsmäßige Verwaltung iſt möglich, ohne eine Ver-
antwortlichkeit der oberſten Staatsbehörden. Die verfaſſungsmäßige
Verwaltung iſt aber gegeben mit dem Auftreten der ſelbſtändigen Volks-
vertretung. Die Verantwortlichkeit der oberſten Staatsbehörden ihrer-
ſeits hat zu ihrer Vorausſetzung, daß die vollziehende Gewalt eines
beſtimmten Theiles der Regierung nur einzelnen Perſönlichkeiten vom
Staatsoberhaupt übertragen werde. Ob dieſe oberſte Staatsbehörde
Miniſter heißt oder nicht, iſt natürlich ganz gleichgültig. Nothwendig
iſt aber und durch das Princip der Geſetzmäßigkeit der Verwaltung ge-
fordert, daß die vom Staatsoberhaupt getroffene Organiſation ſo ein-
gerichtet ſei, daß ſie die perſönliche Verantwortlichkeit der Voll-
ziehung gegenüber der Geſetzgebung möglich mache. Dieſes einfache,
und in allen Verfaſſungen anerkannte Princip wird nun zum Recht
durch zwei Grundſätze, welche als Rechtsgrund der Verpflichtung des
Staatsoberhaupts, Miniſterien zu bilden, betrachtet werden kann; ent-
weder durch die Aufnahme der einzelnen Miniſterien in die Verfaſſung,
oder durch den ausdrücklichen Satz, daß die Akte der vollziehenden
Gewalt durch Miniſter unterzeichnet ſein müſſen. Eine Verpflichtung
des Staatsoberhaupts, beſtimmte Miniſterien zu haben, kann ſtreng
genommen nur da anerkannt werden, wo ſie ausdrücklich im Wege eines
Geſetzes aufgeſtellt werden, was nur ſelten geſchehen iſt. Aber ſelbſt
aus dieſer Verpflichtung geht eigentlich nicht die zweite hervor, jedes
Miniſterium unbedingt mit einer einzelnen Perſon zu beſetzen. Es
liegt im Organiſationsrecht des Staatsoberhaupts, ſowohl mehrere
Miniſterien durch Eine Perſon, als ein Miniſterium durch einen Stell-
vertreter verwalten zu laſſen. So weit nicht das Princip der poli-
tiſchen Verantwortlichkeit durch ſolche Beſchlüſſe des Staatsoberhaupts
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/180>, abgerufen am 21.11.2024.
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