diesem rein persönlichen Dasein einerseits die Gemeinschaft bestimmt, andererseits von ihr bestimmt wird. Das persönliche Leben hat daher wie immer zwei Gebiete. Das eine ist seine physische Persönlich- keit, oder seine Person, das andere ist das geistige Leben der- selben. In beiden schreitet der Mensch fort und entwickelt sich, und mit sich die Gemeinschaft. In beiden aber finden Dasein und Fort- schritt des Einzelnen eine Reihe von Bedingungen, die sich der Einzelne nicht selbst zu geben vermag. Diese ihm so weit darzubieten, daß seine eigene persönliche Selbständigkeit nicht beschränkt wird, ist die erste Aufgabe der innern Verwaltung. Dieselbe zerfällt daher in die obigen zwei Theile; in jedem dieser Theile erscheint aber nur das, was eben Gegenstand der Gemeinschaft und ihrer Aufgabe ist, nicht was der Einzelne für sich und durch sich allein sein soll. Und so entsteht das System dieses ersten Theiles, dessen Elemente die folgenden sind.
Da wir diesen ersten Theil in der inneren Verwaltungslehre (Verwaltungs- lehre, Bd. 1--6) bereits ausführlich behandelt haben, so werden wir kaum etwas anders liefern können, als einen kurzen Auszug. Die Aenderungen im System sehen wir als eine Verbesserung an und hoffen, daß wir darin Recht haben werden.
A. Die Verwaltung und das physische Leben.
Das physische Leben des Einzelnen ist ohne Zweifel zunächst seine eigenste Thatsache. Aber dennoch ist es ein Theil des physischen Lebens und Daseins der Gemeinschaft. Die Beziehungen, in welchen es zu dem letztern steht, erscheinen in vier Kategorien. Zuerst ist der Einzelne eine individuelle Thatsache, das ist eine, der Gemeinschaft angehörige Person; und das Verhalten der ersteren zu der letzteren bildet das Bevölkerungswesen. Dann hat der Einzelne in seiner individuellen physischen Kraft und Gesundheit einen Theil und ein Moment der Gesammtkraft und Gesundheit, und daraus entsteht das Gesundheits- wesen. Ferner hat der Einzelne in seiner individuellen Unverletzlich- keit die erste äußere, rein materielle Bedingung seines Daseins und seines Fortschritts, und diese gibt ihm die Gemeinschaft durch das Polizeiwesen. Und endlich bedarf der Einzelne unter Umständen einer öffentlich anerkannten Verbreitung seiner Persönlichkeit überhaupt, und diese wird ihm im Pflegschaftswesen geboten. Diese Gebiete zusammengefaßt bilden das, was wir die innere Verwaltung des phy- sischen Lebens der Persönlichkeit nennen. Das Verwaltungsrecht for- mulirt dann Maß und Inhalt dessen, was die Gemeinschaft durch
dieſem rein perſönlichen Daſein einerſeits die Gemeinſchaft beſtimmt, andererſeits von ihr beſtimmt wird. Das perſönliche Leben hat daher wie immer zwei Gebiete. Das eine iſt ſeine phyſiſche Perſönlich- keit, oder ſeine Perſon, das andere iſt das geiſtige Leben der- ſelben. In beiden ſchreitet der Menſch fort und entwickelt ſich, und mit ſich die Gemeinſchaft. In beiden aber finden Daſein und Fort- ſchritt des Einzelnen eine Reihe von Bedingungen, die ſich der Einzelne nicht ſelbſt zu geben vermag. Dieſe ihm ſo weit darzubieten, daß ſeine eigene perſönliche Selbſtändigkeit nicht beſchränkt wird, iſt die erſte Aufgabe der innern Verwaltung. Dieſelbe zerfällt daher in die obigen zwei Theile; in jedem dieſer Theile erſcheint aber nur das, was eben Gegenſtand der Gemeinſchaft und ihrer Aufgabe iſt, nicht was der Einzelne für ſich und durch ſich allein ſein ſoll. Und ſo entſteht das Syſtem dieſes erſten Theiles, deſſen Elemente die folgenden ſind.
Da wir dieſen erſten Theil in der inneren Verwaltungslehre (Verwaltungs- lehre, Bd. 1—6) bereits ausführlich behandelt haben, ſo werden wir kaum etwas anders liefern können, als einen kurzen Auszug. Die Aenderungen im Syſtem ſehen wir als eine Verbeſſerung an und hoffen, daß wir darin Recht haben werden.
A. Die Verwaltung und das phyſiſche Leben.
Das phyſiſche Leben des Einzelnen iſt ohne Zweifel zunächſt ſeine eigenſte Thatſache. Aber dennoch iſt es ein Theil des phyſiſchen Lebens und Daſeins der Gemeinſchaft. Die Beziehungen, in welchen es zu dem letztern ſteht, erſcheinen in vier Kategorien. Zuerſt iſt der Einzelne eine individuelle Thatſache, das iſt eine, der Gemeinſchaft angehörige Perſon; und das Verhalten der erſteren zu der letzteren bildet das Bevölkerungsweſen. Dann hat der Einzelne in ſeiner individuellen phyſiſchen Kraft und Geſundheit einen Theil und ein Moment der Geſammtkraft und Geſundheit, und daraus entſteht das Geſundheits- weſen. Ferner hat der Einzelne in ſeiner individuellen Unverletzlich- keit die erſte äußere, rein materielle Bedingung ſeines Daſeins und ſeines Fortſchritts, und dieſe gibt ihm die Gemeinſchaft durch das Polizeiweſen. Und endlich bedarf der Einzelne unter Umſtänden einer öffentlich anerkannten Verbreitung ſeiner Perſönlichkeit überhaupt, und dieſe wird ihm im Pflegſchaftsweſen geboten. Dieſe Gebiete zuſammengefaßt bilden das, was wir die innere Verwaltung des phy- ſiſchen Lebens der Perſönlichkeit nennen. Das Verwaltungsrecht for- mulirt dann Maß und Inhalt deſſen, was die Gemeinſchaft durch
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dieſem rein perſönlichen Daſein einerſeits die Gemeinſchaft beſtimmt,
andererſeits von ihr beſtimmt wird. Das perſönliche Leben hat daher
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keit, oder ſeine Perſon, das andere iſt das geiſtige Leben der-
ſelben. In beiden ſchreitet der Menſch fort und entwickelt ſich, und
mit ſich die Gemeinſchaft. In beiden aber finden Daſein und Fort-
ſchritt des Einzelnen eine Reihe von Bedingungen, die ſich der Einzelne
nicht ſelbſt zu geben vermag. Dieſe ihm ſo weit darzubieten, daß ſeine
eigene perſönliche Selbſtändigkeit nicht beſchränkt wird, iſt die erſte
Aufgabe der innern Verwaltung. Dieſelbe zerfällt daher in die obigen
zwei Theile; in jedem dieſer Theile erſcheint aber nur das, was eben
Gegenſtand der Gemeinſchaft und ihrer Aufgabe iſt, nicht was der
Einzelne für ſich und durch ſich allein ſein ſoll. Und ſo entſteht das
Syſtem dieſes erſten Theiles, deſſen Elemente die folgenden ſind.
Da wir dieſen erſten Theil in der inneren Verwaltungslehre (Verwaltungs-
lehre, Bd. 1—6) bereits ausführlich behandelt haben, ſo werden wir kaum
etwas anders liefern können, als einen kurzen Auszug. Die Aenderungen im
Syſtem ſehen wir als eine Verbeſſerung an und hoffen, daß wir darin Recht
haben werden.
A.
Die Verwaltung und das phyſiſche Leben.
Das phyſiſche Leben des Einzelnen iſt ohne Zweifel zunächſt ſeine
eigenſte Thatſache. Aber dennoch iſt es ein Theil des phyſiſchen Lebens
und Daſeins der Gemeinſchaft. Die Beziehungen, in welchen es zu
dem letztern ſteht, erſcheinen in vier Kategorien. Zuerſt iſt der Einzelne
eine individuelle Thatſache, das iſt eine, der Gemeinſchaft angehörige
Perſon; und das Verhalten der erſteren zu der letzteren bildet das
Bevölkerungsweſen. Dann hat der Einzelne in ſeiner individuellen
phyſiſchen Kraft und Geſundheit einen Theil und ein Moment der
Geſammtkraft und Geſundheit, und daraus entſteht das Geſundheits-
weſen. Ferner hat der Einzelne in ſeiner individuellen Unverletzlich-
keit die erſte äußere, rein materielle Bedingung ſeines Daſeins und
ſeines Fortſchritts, und dieſe gibt ihm die Gemeinſchaft durch das
Polizeiweſen. Und endlich bedarf der Einzelne unter Umſtänden
einer öffentlich anerkannten Verbreitung ſeiner Perſönlichkeit überhaupt,
und dieſe wird ihm im Pflegſchaftsweſen geboten. Dieſe Gebiete
zuſammengefaßt bilden das, was wir die innere Verwaltung des phy-
ſiſchen Lebens der Perſönlichkeit nennen. Das Verwaltungsrecht for-
mulirt dann Maß und Inhalt deſſen, was die Gemeinſchaft durch
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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/80>, abgerufen am 19.11.2024.
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