Bewegung auf; zuerst mit den Waffen in der Hand, dann als Re- publikanismus, dann als Demokratie, dann als Socialdemokratismus, aber mit derselben Tendenz und immer mit demselben Schicksal. Sie unterliegt. Und es ist wichtig zu wissen, warum sie unterliegt.
Denn der Staat ist die persönliche Einheit aller berechtigten Interessen. Ein berechtigtes Interesse ist das, was eine Bedingung für die Gesammtentwicklung enthält. Gewiß ist die Arbeit eine solche in erster Reihe; aber das Capital ist es nicht minder. Die Störung desselben in seiner natürlichen Entwicklung, und die Störung des ent- wickelten Capitals in seiner natürlichen Funktion im wirthschaftlichen Leben ist eine Gefährdung auch für den Erwerb der capitallosen Arbeit. Der Staat kann und wird daher nie der letzteren die Herrschaft über das erstere durch seine Machtmittel geben; er wird im Gegentheil jede äußerliche Herrschaft mit seiner letzten Kraft bekämpfen. Auch die ge- waltigste Macht der Arbeit kann dieß höhere Wesen des Staats nicht ändern. Auf diesem Wege ist daher ein Sieg dieser Richtung nicht zu erreichen. Damit beginnt eine neue Epoche.
Diese Epoche nun liegt dem Gedanken zum Grunde, daß jede persönliche Entwicklung, also auch die der Arbeit, nur dann der höheren Idee des Lebens entspricht, wenn jeder Einzelne durch sich selbst zu dem gelangt, was er sein und besitzen will. Die Werthlosigkeit des äußerlich Gegebenen für den wahren Fortschritt soll auch für das Ge- ben des Capitals an die capitallose Arbeit gelten. Soll daher die letztere zum Capital und damit zu der wirthschaftlichen und gesellschaft- lichen Stellung gelangen, die sie fordert, so muß sie sich ihr Capital selber bilden. Ihr Princip ist daher die Bildung des Capitals aus eigenen Mitteln; ihre Forderung geht nur so weit, daß ihr in diesem Streben kein Hinderniß in den Weg gelegt werde; ihr Programm ist das der Selbsthülfe. Sie übernimmt damit eine große und schwere Arbeit; allein das Ziel dieser Arbeit ist kein geringeres als die Unab- hängigkeit der Arbeit vom Capital durch die eigene Capitalbil- dung. Und offenbar ist nur dieser Standpunkt einer weiteren Ent- wicklung fähig. Denn diese Selbsthülfe ist kein einfacher Akt, sondern, wo einmal ihr Princip anerkannt ist, entfaltet sie sich allmählig zu einem Systeme von Bestrebungen; und in der That sind es diese Anstrengungen, welche zu bestimmten und selbstthätigen Organen sich entwickelnd, die gegenwärtige Gestalt der socialen Frage und die Or- ganisation der Verwaltung des gesellschaftlichen Fortschrittes enthalten.
System der gesellschaftlichen Verwaltung.
Seinem allgemeinen Begriffe nach enthält nun das System der gesellschaftlichen Verwaltung alles, was von der Gemeinschaft für die
Bewegung auf; zuerſt mit den Waffen in der Hand, dann als Re- publikanismus, dann als Demokratie, dann als Socialdemokratismus, aber mit derſelben Tendenz und immer mit demſelben Schickſal. Sie unterliegt. Und es iſt wichtig zu wiſſen, warum ſie unterliegt.
Denn der Staat iſt die perſönliche Einheit aller berechtigten Intereſſen. Ein berechtigtes Intereſſe iſt das, was eine Bedingung für die Geſammtentwicklung enthält. Gewiß iſt die Arbeit eine ſolche in erſter Reihe; aber das Capital iſt es nicht minder. Die Störung deſſelben in ſeiner natürlichen Entwicklung, und die Störung des ent- wickelten Capitals in ſeiner natürlichen Funktion im wirthſchaftlichen Leben iſt eine Gefährdung auch für den Erwerb der capitalloſen Arbeit. Der Staat kann und wird daher nie der letzteren die Herrſchaft über das erſtere durch ſeine Machtmittel geben; er wird im Gegentheil jede äußerliche Herrſchaft mit ſeiner letzten Kraft bekämpfen. Auch die ge- waltigſte Macht der Arbeit kann dieß höhere Weſen des Staats nicht ändern. Auf dieſem Wege iſt daher ein Sieg dieſer Richtung nicht zu erreichen. Damit beginnt eine neue Epoche.
Dieſe Epoche nun liegt dem Gedanken zum Grunde, daß jede perſönliche Entwicklung, alſo auch die der Arbeit, nur dann der höheren Idee des Lebens entſpricht, wenn jeder Einzelne durch ſich ſelbſt zu dem gelangt, was er ſein und beſitzen will. Die Werthloſigkeit des äußerlich Gegebenen für den wahren Fortſchritt ſoll auch für das Ge- ben des Capitals an die capitalloſe Arbeit gelten. Soll daher die letztere zum Capital und damit zu der wirthſchaftlichen und geſellſchaft- lichen Stellung gelangen, die ſie fordert, ſo muß ſie ſich ihr Capital ſelber bilden. Ihr Princip iſt daher die Bildung des Capitals aus eigenen Mitteln; ihre Forderung geht nur ſo weit, daß ihr in dieſem Streben kein Hinderniß in den Weg gelegt werde; ihr Programm iſt das der Selbſthülfe. Sie übernimmt damit eine große und ſchwere Arbeit; allein das Ziel dieſer Arbeit iſt kein geringeres als die Unab- hängigkeit der Arbeit vom Capital durch die eigene Capitalbil- dung. Und offenbar iſt nur dieſer Standpunkt einer weiteren Ent- wicklung fähig. Denn dieſe Selbſthülfe iſt kein einfacher Akt, ſondern, wo einmal ihr Princip anerkannt iſt, entfaltet ſie ſich allmählig zu einem Syſteme von Beſtrebungen; und in der That ſind es dieſe Anſtrengungen, welche zu beſtimmten und ſelbſtthätigen Organen ſich entwickelnd, die gegenwärtige Geſtalt der ſocialen Frage und die Or- ganiſation der Verwaltung des geſellſchaftlichen Fortſchrittes enthalten.
Syſtem der geſellſchaftlichen Verwaltung.
Seinem allgemeinen Begriffe nach enthält nun das Syſtem der geſellſchaftlichen Verwaltung alles, was von der Gemeinſchaft für die
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Bewegung auf; zuerſt mit den Waffen in der Hand, dann als Re-
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aber mit derſelben Tendenz und immer mit demſelben Schickſal. Sie
unterliegt. Und es iſt wichtig zu wiſſen, warum ſie unterliegt.
Denn der Staat iſt die perſönliche Einheit aller berechtigten
Intereſſen. Ein berechtigtes Intereſſe iſt das, was eine Bedingung
für die Geſammtentwicklung enthält. Gewiß iſt die Arbeit eine ſolche
in erſter Reihe; aber das Capital iſt es nicht minder. Die Störung
deſſelben in ſeiner natürlichen Entwicklung, und die Störung des ent-
wickelten Capitals in ſeiner natürlichen Funktion im wirthſchaftlichen
Leben iſt eine Gefährdung auch für den Erwerb der capitalloſen Arbeit.
Der Staat kann und wird daher nie der letzteren die Herrſchaft über
das erſtere durch ſeine Machtmittel geben; er wird im Gegentheil jede
äußerliche Herrſchaft mit ſeiner letzten Kraft bekämpfen. Auch die ge-
waltigſte Macht der Arbeit kann dieß höhere Weſen des Staats nicht
ändern. Auf dieſem Wege iſt daher ein Sieg dieſer Richtung nicht zu
erreichen. Damit beginnt eine neue Epoche.
Dieſe Epoche nun liegt dem Gedanken zum Grunde, daß jede
perſönliche Entwicklung, alſo auch die der Arbeit, nur dann der höheren
Idee des Lebens entſpricht, wenn jeder Einzelne durch ſich ſelbſt zu
dem gelangt, was er ſein und beſitzen will. Die Werthloſigkeit des
äußerlich Gegebenen für den wahren Fortſchritt ſoll auch für das Ge-
ben des Capitals an die capitalloſe Arbeit gelten. Soll daher die
letztere zum Capital und damit zu der wirthſchaftlichen und geſellſchaft-
lichen Stellung gelangen, die ſie fordert, ſo muß ſie ſich ihr Capital
ſelber bilden. Ihr Princip iſt daher die Bildung des Capitals aus
eigenen Mitteln; ihre Forderung geht nur ſo weit, daß ihr in dieſem
Streben kein Hinderniß in den Weg gelegt werde; ihr Programm iſt
das der Selbſthülfe. Sie übernimmt damit eine große und ſchwere
Arbeit; allein das Ziel dieſer Arbeit iſt kein geringeres als die Unab-
hängigkeit der Arbeit vom Capital durch die eigene Capitalbil-
dung. Und offenbar iſt nur dieſer Standpunkt einer weiteren Ent-
wicklung fähig. Denn dieſe Selbſthülfe iſt kein einfacher Akt, ſondern,
wo einmal ihr Princip anerkannt iſt, entfaltet ſie ſich allmählig zu
einem Syſteme von Beſtrebungen; und in der That ſind es dieſe
Anſtrengungen, welche zu beſtimmten und ſelbſtthätigen Organen ſich
entwickelnd, die gegenwärtige Geſtalt der ſocialen Frage und die Or-
ganiſation der Verwaltung des geſellſchaftlichen Fortſchrittes enthalten.
Syſtem der geſellſchaftlichen Verwaltung.
Seinem allgemeinen Begriffe nach enthält nun das Syſtem der
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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 444. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/468>, abgerufen am 19.11.2024.
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