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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870.

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Die Gebiete derselben sind die Familie mit dem Hauswesen, die
Geschlechterbildung und die Standesordnung. Das Princip, das sie
beherrscht, ist folgendes.

Die Bildung der Familien, der Geschlechter und der Stände ist
ein naturgemäßer Proceß, den der Staat weder schaffen noch stören,
noch hindern soll. Sie sind selbständige und selbstthätige Organe der
Gesellschaft, und wirken je in ihrer Weise für das Ganze. Sie sollen
daher in ihrer selbständigen Bildung frei sein wie die Einzelnen, aus
denen sie hervorgehen. Allein sie sollen kein Recht schaffen, das
auch nur innerhalb ihrer eigenen Sphäre die freie Bewegung ihrer
Glieder mit objektiver Gültigkeit zu beschränken im Stande wäre. Und
die systematische Beseitigung solcher Rechtsbildung vermöge
der Durchführung des Princips der gesellschaftlichen Freiheit ist eben
der Grundgedanke des ersten Theils der gesellschaftlichen Verwaltung
in der staatsbürgerlichen Ordnung.

A. Die Familie und das Gesindewesen.

Die Familie ist nicht bloß die erste Form der einheitlichen Persön-
lichkeit, sondern auch der erste und noch rein natürliche gesellschaftliche
Körper. Seine Elemente sind die Ehe, die eigentliche Familie, und
das Gesinde. Es sind das absolute, d. i. organische Erscheinungen des
Lebens. Sie bilden sich daher von selbst, und erzeugen sich selbst ihre
Ordnung, welche zuletzt nur wieder der Ausdruck ihrer natürlichen
Grundverhältnisse ist. Diese Ordnung ist eine ethische, so weit sie auf
dem freien geistigen Einfluß und ihrer höher stehenden Persönlichkeit
auf die niedere beruht. Allein das ethische Element gestaltet sich als-
bald zu einem rechtlichen, das den individuellen Willen des Ober-
haupts zum objektiv geltenden für jedes einzelne Glied macht. Dadurch
wird die Familie unfrei. Die Entwicklung der Gesittung beginnt
dann den Kampf mit dieser Unfreiheit, und ihre Resultate formulirt
dann die Rechtsbildung, indem sie die Herrschaft des Oberhaupts so
weit begränzt, als dieß durch die freie Entwicklung der Mitglieder
der Familie gefordert wird. So entsteht die Geschichte des Fami-
lienrechts
. Sie beginnt mit der Anerkennung der wirthschaftlichen
Selbständigkeit des Sohnes im peculium, mit derjenigen der Frau
im Dotalsystem; sie erscheint im Erbrecht, im Testirrecht des Oberhaupts,
die aber alsbald im Namen der Selbständigkeit der Glieder durch das
Pflichttheilsrecht beschränkt wird; sie erhebt sich endlich in der staats-
bürgerlichen Gesellschaft zur öffentlich rechtlichen Begränzung der natür-
lichen Gewalt, und wird damit ein Theil der bürgerlichen Gesetzgebung,

Die Gebiete derſelben ſind die Familie mit dem Hausweſen, die
Geſchlechterbildung und die Standesordnung. Das Princip, das ſie
beherrſcht, iſt folgendes.

Die Bildung der Familien, der Geſchlechter und der Stände iſt
ein naturgemäßer Proceß, den der Staat weder ſchaffen noch ſtören,
noch hindern ſoll. Sie ſind ſelbſtändige und ſelbſtthätige Organe der
Geſellſchaft, und wirken je in ihrer Weiſe für das Ganze. Sie ſollen
daher in ihrer ſelbſtändigen Bildung frei ſein wie die Einzelnen, aus
denen ſie hervorgehen. Allein ſie ſollen kein Recht ſchaffen, das
auch nur innerhalb ihrer eigenen Sphäre die freie Bewegung ihrer
Glieder mit objektiver Gültigkeit zu beſchränken im Stande wäre. Und
die ſyſtematiſche Beſeitigung ſolcher Rechtsbildung vermöge
der Durchführung des Princips der geſellſchaftlichen Freiheit iſt eben
der Grundgedanke des erſten Theils der geſellſchaftlichen Verwaltung
in der ſtaatsbürgerlichen Ordnung.

A. Die Familie und das Geſindeweſen.

Die Familie iſt nicht bloß die erſte Form der einheitlichen Perſön-
lichkeit, ſondern auch der erſte und noch rein natürliche geſellſchaftliche
Körper. Seine Elemente ſind die Ehe, die eigentliche Familie, und
das Geſinde. Es ſind das abſolute, d. i. organiſche Erſcheinungen des
Lebens. Sie bilden ſich daher von ſelbſt, und erzeugen ſich ſelbſt ihre
Ordnung, welche zuletzt nur wieder der Ausdruck ihrer natürlichen
Grundverhältniſſe iſt. Dieſe Ordnung iſt eine ethiſche, ſo weit ſie auf
dem freien geiſtigen Einfluß und ihrer höher ſtehenden Perſönlichkeit
auf die niedere beruht. Allein das ethiſche Element geſtaltet ſich als-
bald zu einem rechtlichen, das den individuellen Willen des Ober-
haupts zum objektiv geltenden für jedes einzelne Glied macht. Dadurch
wird die Familie unfrei. Die Entwicklung der Geſittung beginnt
dann den Kampf mit dieſer Unfreiheit, und ihre Reſultate formulirt
dann die Rechtsbildung, indem ſie die Herrſchaft des Oberhaupts ſo
weit begränzt, als dieß durch die freie Entwicklung der Mitglieder
der Familie gefordert wird. So entſteht die Geſchichte des Fami-
lienrechts
. Sie beginnt mit der Anerkennung der wirthſchaftlichen
Selbſtändigkeit des Sohnes im peculium, mit derjenigen der Frau
im Dotalſyſtem; ſie erſcheint im Erbrecht, im Teſtirrecht des Oberhaupts,
die aber alsbald im Namen der Selbſtändigkeit der Glieder durch das
Pflichttheilsrecht beſchränkt wird; ſie erhebt ſich endlich in der ſtaats-
bürgerlichen Geſellſchaft zur öffentlich rechtlichen Begränzung der natür-
lichen Gewalt, und wird damit ein Theil der bürgerlichen Geſetzgebung,

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[403/0427] Die Gebiete derſelben ſind die Familie mit dem Hausweſen, die Geſchlechterbildung und die Standesordnung. Das Princip, das ſie beherrſcht, iſt folgendes. Die Bildung der Familien, der Geſchlechter und der Stände iſt ein naturgemäßer Proceß, den der Staat weder ſchaffen noch ſtören, noch hindern ſoll. Sie ſind ſelbſtändige und ſelbſtthätige Organe der Geſellſchaft, und wirken je in ihrer Weiſe für das Ganze. Sie ſollen daher in ihrer ſelbſtändigen Bildung frei ſein wie die Einzelnen, aus denen ſie hervorgehen. Allein ſie ſollen kein Recht ſchaffen, das auch nur innerhalb ihrer eigenen Sphäre die freie Bewegung ihrer Glieder mit objektiver Gültigkeit zu beſchränken im Stande wäre. Und die ſyſtematiſche Beſeitigung ſolcher Rechtsbildung vermöge der Durchführung des Princips der geſellſchaftlichen Freiheit iſt eben der Grundgedanke des erſten Theils der geſellſchaftlichen Verwaltung in der ſtaatsbürgerlichen Ordnung. A. Die Familie und das Geſindeweſen. Die Familie iſt nicht bloß die erſte Form der einheitlichen Perſön- lichkeit, ſondern auch der erſte und noch rein natürliche geſellſchaftliche Körper. Seine Elemente ſind die Ehe, die eigentliche Familie, und das Geſinde. Es ſind das abſolute, d. i. organiſche Erſcheinungen des Lebens. Sie bilden ſich daher von ſelbſt, und erzeugen ſich ſelbſt ihre Ordnung, welche zuletzt nur wieder der Ausdruck ihrer natürlichen Grundverhältniſſe iſt. Dieſe Ordnung iſt eine ethiſche, ſo weit ſie auf dem freien geiſtigen Einfluß und ihrer höher ſtehenden Perſönlichkeit auf die niedere beruht. Allein das ethiſche Element geſtaltet ſich als- bald zu einem rechtlichen, das den individuellen Willen des Ober- haupts zum objektiv geltenden für jedes einzelne Glied macht. Dadurch wird die Familie unfrei. Die Entwicklung der Geſittung beginnt dann den Kampf mit dieſer Unfreiheit, und ihre Reſultate formulirt dann die Rechtsbildung, indem ſie die Herrſchaft des Oberhaupts ſo weit begränzt, als dieß durch die freie Entwicklung der Mitglieder der Familie gefordert wird. So entſteht die Geſchichte des Fami- lienrechts. Sie beginnt mit der Anerkennung der wirthſchaftlichen Selbſtändigkeit des Sohnes im peculium, mit derjenigen der Frau im Dotalſyſtem; ſie erſcheint im Erbrecht, im Teſtirrecht des Oberhaupts, die aber alsbald im Namen der Selbſtändigkeit der Glieder durch das Pflichttheilsrecht beſchränkt wird; ſie erhebt ſich endlich in der ſtaats- bürgerlichen Geſellſchaft zur öffentlich rechtlichen Begränzung der natür- lichen Gewalt, und wird damit ein Theil der bürgerlichen Geſetzgebung,

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 403. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/427>, abgerufen am 19.11.2024.