Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870.

Bild:
<< vorherige Seite

schaftliche, welche jedoch vermöge ihres Gegenstandes vorzüglich das tech-
nische Element vertritt, und so das ganze Gebiet erzeugt, das wir die Cameral-
wissenschaft
nennen, deren letzter bedeutender Vertreter Baumstark ist.
Die zweite ist die juristische, welche ihrerseits an den Begriff der Regalität
und vermöge desselben theils im deutschen Privatrecht auftritt, theils zu selb-
ständigen Arbeiten wird. Daneben hat die Polizeiwissenschaft schon seit
dem vorigen Jahrhundert versucht, ein System in diese Gebiete hineinzubringen,
und sie vom Standpunkte der Verwaltung aufzufassen, wobei Berg an der
Spitze steht; Mohl hat den Gedanken formeller ausgeführt, Rau dagegen bleibt
bei dem vorwiegend nationalökonomischen Standpunkt.

Elemente der Rechtsgeschichte des besondern Theils
der volkswirthschaftlichen Verwaltung
.

Es ist klar, daß die Epoche der Geschlechterordnung, die überhaupt
neben ihrer specifischen Rechtspflege und Polizei noch keine innere Ver-
waltung kennt, auch noch kein Recht der einzelnen Arten der volks-
wirthschaftlichen Verwaltung besitzen kann. Die großen wirthschaftlichen
Erwerbsformen sind noch weder ausgebildet, noch zum Bewußtsein ge-
bracht; sie sind weder frei noch unfrei; sie sind eben Sache des Ein-
zelnen
, und eben deßhalb ohne öffentliches Recht.

Dieß öffentliche Recht kann daher erst da entstehen, wo jene Er-
werbsformen zu selbstthätigen Faktoren des Gesammtlebens werden,
indem sie in die gesellschaftliche Ordnung als mitwirkende Potenzen
eintreten. Damit erst empfangen sie Gestalt und Recht; und dafür
unterscheiden wir drei Epochen, deren öffentliche Principien dem ge-
sammten wirthschaftlichen Leben gemeinsam sind.

Die erste Epoche ist die der ständischen Gesellschaft. In ihr
verliert jede Art der Unternehmung den individuellen Charakter der
Geschlechterzeit; sie nimmt, als Trägerin der neuen Gestalt des Besitzes
und Erwerbes die große Form der neuen gesellschaftlichen Ordnung
an, und verbindet die ihr angehörigen Wirthschaften zu selbständigen
Corporationen. Das ist die Epoche, in welche die corporative Ge-
stalt der Selbstverwaltung das öffentliche Recht des besonderen Theiles
der Volkswirthschaft bildet. Ihr Charakter ist die mit dem Wesen der
Corporation verbundene strenge Ordnung, aber auch die ständische
Unfreiheit
. Sie kann den Erwerb entstehen lassen und erhalten,
aber sie kann ihn nicht fortbilden.

Die zweite Epoche ist die, wo die im Königthum und seiner Re-
gierung vertretene persönliche Staatsidee sich die ständische Selbständig-
keit unterwirft. Wir nennen sie in Beziehung auf die Verwaltung
die polizeiliche Epoche. Die polizeiliche Epoche bricht nun auch das

ſchaftliche, welche jedoch vermöge ihres Gegenſtandes vorzüglich das tech-
niſche Element vertritt, und ſo das ganze Gebiet erzeugt, das wir die Cameral-
wiſſenſchaft
nennen, deren letzter bedeutender Vertreter Baumſtark iſt.
Die zweite iſt die juriſtiſche, welche ihrerſeits an den Begriff der Regalität
und vermöge deſſelben theils im deutſchen Privatrecht auftritt, theils zu ſelb-
ſtändigen Arbeiten wird. Daneben hat die Polizeiwiſſenſchaft ſchon ſeit
dem vorigen Jahrhundert verſucht, ein Syſtem in dieſe Gebiete hineinzubringen,
und ſie vom Standpunkte der Verwaltung aufzufaſſen, wobei Berg an der
Spitze ſteht; Mohl hat den Gedanken formeller ausgeführt, Rau dagegen bleibt
bei dem vorwiegend nationalökonomiſchen Standpunkt.

Elemente der Rechtsgeſchichte des beſondern Theils
der volkswirthſchaftlichen Verwaltung
.

Es iſt klar, daß die Epoche der Geſchlechterordnung, die überhaupt
neben ihrer ſpecifiſchen Rechtspflege und Polizei noch keine innere Ver-
waltung kennt, auch noch kein Recht der einzelnen Arten der volks-
wirthſchaftlichen Verwaltung beſitzen kann. Die großen wirthſchaftlichen
Erwerbsformen ſind noch weder ausgebildet, noch zum Bewußtſein ge-
bracht; ſie ſind weder frei noch unfrei; ſie ſind eben Sache des Ein-
zelnen
, und eben deßhalb ohne öffentliches Recht.

Dieß öffentliche Recht kann daher erſt da entſtehen, wo jene Er-
werbsformen zu ſelbſtthätigen Faktoren des Geſammtlebens werden,
indem ſie in die geſellſchaftliche Ordnung als mitwirkende Potenzen
eintreten. Damit erſt empfangen ſie Geſtalt und Recht; und dafür
unterſcheiden wir drei Epochen, deren öffentliche Principien dem ge-
ſammten wirthſchaftlichen Leben gemeinſam ſind.

Die erſte Epoche iſt die der ſtändiſchen Geſellſchaft. In ihr
verliert jede Art der Unternehmung den individuellen Charakter der
Geſchlechterzeit; ſie nimmt, als Trägerin der neuen Geſtalt des Beſitzes
und Erwerbes die große Form der neuen geſellſchaftlichen Ordnung
an, und verbindet die ihr angehörigen Wirthſchaften zu ſelbſtändigen
Corporationen. Das iſt die Epoche, in welche die corporative Ge-
ſtalt der Selbſtverwaltung das öffentliche Recht des beſonderen Theiles
der Volkswirthſchaft bildet. Ihr Charakter iſt die mit dem Weſen der
Corporation verbundene ſtrenge Ordnung, aber auch die ſtändiſche
Unfreiheit
. Sie kann den Erwerb entſtehen laſſen und erhalten,
aber ſie kann ihn nicht fortbilden.

Die zweite Epoche iſt die, wo die im Königthum und ſeiner Re-
gierung vertretene perſönliche Staatsidee ſich die ſtändiſche Selbſtändig-
keit unterwirft. Wir nennen ſie in Beziehung auf die Verwaltung
die polizeiliche Epoche. Die polizeiliche Epoche bricht nun auch das

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><hi rendition="#g"><pb facs="#f0336" n="312"/>
&#x017F;chaftliche</hi>, welche jedoch vermöge ihres Gegen&#x017F;tandes vorzüglich das tech-<lb/>
ni&#x017F;che Element vertritt, und &#x017F;o das ganze Gebiet erzeugt, das wir die <hi rendition="#g">Cameral-<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft</hi> nennen, deren letzter bedeutender Vertreter <hi rendition="#g">Baum&#x017F;tark</hi> i&#x017F;t.<lb/>
Die zweite i&#x017F;t die <hi rendition="#g">juri&#x017F;ti&#x017F;che</hi>, welche ihrer&#x017F;eits an den Begriff der <hi rendition="#g">Regalität</hi><lb/>
und vermöge de&#x017F;&#x017F;elben theils im deut&#x017F;chen Privatrecht auftritt, theils zu &#x017F;elb-<lb/>
&#x017F;tändigen Arbeiten wird. Daneben hat die <hi rendition="#g">Polizeiwi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft</hi> &#x017F;chon &#x017F;eit<lb/>
dem vorigen Jahrhundert ver&#x017F;ucht, ein Sy&#x017F;tem in die&#x017F;e Gebiete hineinzubringen,<lb/>
und &#x017F;ie vom Standpunkte der Verwaltung aufzufa&#x017F;&#x017F;en, wobei <hi rendition="#g">Berg</hi> an der<lb/>
Spitze &#x017F;teht; <hi rendition="#g">Mohl</hi> hat den Gedanken formeller ausgeführt, <hi rendition="#g">Rau</hi> dagegen bleibt<lb/>
bei dem vorwiegend nationalökonomi&#x017F;chen Standpunkt.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head><hi rendition="#g">Elemente der Rechtsge&#x017F;chichte des be&#x017F;ondern Theils<lb/>
der volkswirth&#x017F;chaftlichen Verwaltung</hi>.</head><lb/>
              <p>Es i&#x017F;t klar, daß die Epoche der Ge&#x017F;chlechterordnung, die überhaupt<lb/>
neben ihrer &#x017F;pecifi&#x017F;chen Rechtspflege und Polizei noch keine innere Ver-<lb/>
waltung kennt, auch noch kein Recht der einzelnen Arten der volks-<lb/>
wirth&#x017F;chaftlichen Verwaltung be&#x017F;itzen kann. Die großen wirth&#x017F;chaftlichen<lb/>
Erwerbsformen &#x017F;ind noch weder ausgebildet, noch zum Bewußt&#x017F;ein ge-<lb/>
bracht; &#x017F;ie &#x017F;ind weder frei noch unfrei; &#x017F;ie &#x017F;ind eben <hi rendition="#g">Sache des Ein-<lb/>
zelnen</hi>, und eben deßhalb <hi rendition="#g">ohne</hi> öffentliches Recht.</p><lb/>
              <p>Dieß öffentliche Recht kann daher er&#x017F;t da ent&#x017F;tehen, wo jene Er-<lb/>
werbsformen zu &#x017F;elb&#x017F;tthätigen Faktoren des Ge&#x017F;ammtlebens werden,<lb/>
indem &#x017F;ie in die ge&#x017F;ell&#x017F;chaftliche Ordnung als mitwirkende Potenzen<lb/>
eintreten. Damit er&#x017F;t empfangen &#x017F;ie Ge&#x017F;talt und Recht; und dafür<lb/>
unter&#x017F;cheiden wir <hi rendition="#g">drei</hi> Epochen, deren öffentliche Principien dem ge-<lb/>
&#x017F;ammten wirth&#x017F;chaftlichen Leben gemein&#x017F;am &#x017F;ind.</p><lb/>
              <p>Die <hi rendition="#g">er&#x017F;te</hi> Epoche i&#x017F;t die der <hi rendition="#g">&#x017F;tändi&#x017F;chen</hi> Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft. In ihr<lb/>
verliert jede Art der Unternehmung den individuellen Charakter der<lb/>
Ge&#x017F;chlechterzeit; &#x017F;ie nimmt, als Trägerin der neuen Ge&#x017F;talt des Be&#x017F;itzes<lb/>
und Erwerbes die große Form der neuen ge&#x017F;ell&#x017F;chaftlichen Ordnung<lb/>
an, und verbindet die ihr angehörigen Wirth&#x017F;chaften zu &#x017F;elb&#x017F;tändigen<lb/><hi rendition="#g">Corporationen</hi>. Das i&#x017F;t die Epoche, in welche die corporative Ge-<lb/>
&#x017F;talt der Selb&#x017F;tverwaltung das öffentliche Recht des be&#x017F;onderen Theiles<lb/>
der Volkswirth&#x017F;chaft bildet. Ihr Charakter i&#x017F;t die mit dem We&#x017F;en der<lb/>
Corporation verbundene &#x017F;trenge <hi rendition="#g">Ordnung</hi>, aber auch die <hi rendition="#g">&#x017F;tändi&#x017F;che<lb/>
Unfreiheit</hi>. Sie kann den Erwerb ent&#x017F;tehen la&#x017F;&#x017F;en und erhalten,<lb/>
aber &#x017F;ie kann ihn nicht fortbilden.</p><lb/>
              <p>Die zweite Epoche i&#x017F;t die, wo die im Königthum und &#x017F;einer Re-<lb/>
gierung vertretene per&#x017F;önliche Staatsidee &#x017F;ich die &#x017F;tändi&#x017F;che Selb&#x017F;tändig-<lb/>
keit unterwirft. Wir nennen &#x017F;ie in Beziehung auf die Verwaltung<lb/>
die <hi rendition="#g">polizeiliche Epoche</hi>. Die polizeiliche Epoche bricht nun auch das<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[312/0336] ſchaftliche, welche jedoch vermöge ihres Gegenſtandes vorzüglich das tech- niſche Element vertritt, und ſo das ganze Gebiet erzeugt, das wir die Cameral- wiſſenſchaft nennen, deren letzter bedeutender Vertreter Baumſtark iſt. Die zweite iſt die juriſtiſche, welche ihrerſeits an den Begriff der Regalität und vermöge deſſelben theils im deutſchen Privatrecht auftritt, theils zu ſelb- ſtändigen Arbeiten wird. Daneben hat die Polizeiwiſſenſchaft ſchon ſeit dem vorigen Jahrhundert verſucht, ein Syſtem in dieſe Gebiete hineinzubringen, und ſie vom Standpunkte der Verwaltung aufzufaſſen, wobei Berg an der Spitze ſteht; Mohl hat den Gedanken formeller ausgeführt, Rau dagegen bleibt bei dem vorwiegend nationalökonomiſchen Standpunkt. Elemente der Rechtsgeſchichte des beſondern Theils der volkswirthſchaftlichen Verwaltung. Es iſt klar, daß die Epoche der Geſchlechterordnung, die überhaupt neben ihrer ſpecifiſchen Rechtspflege und Polizei noch keine innere Ver- waltung kennt, auch noch kein Recht der einzelnen Arten der volks- wirthſchaftlichen Verwaltung beſitzen kann. Die großen wirthſchaftlichen Erwerbsformen ſind noch weder ausgebildet, noch zum Bewußtſein ge- bracht; ſie ſind weder frei noch unfrei; ſie ſind eben Sache des Ein- zelnen, und eben deßhalb ohne öffentliches Recht. Dieß öffentliche Recht kann daher erſt da entſtehen, wo jene Er- werbsformen zu ſelbſtthätigen Faktoren des Geſammtlebens werden, indem ſie in die geſellſchaftliche Ordnung als mitwirkende Potenzen eintreten. Damit erſt empfangen ſie Geſtalt und Recht; und dafür unterſcheiden wir drei Epochen, deren öffentliche Principien dem ge- ſammten wirthſchaftlichen Leben gemeinſam ſind. Die erſte Epoche iſt die der ſtändiſchen Geſellſchaft. In ihr verliert jede Art der Unternehmung den individuellen Charakter der Geſchlechterzeit; ſie nimmt, als Trägerin der neuen Geſtalt des Beſitzes und Erwerbes die große Form der neuen geſellſchaftlichen Ordnung an, und verbindet die ihr angehörigen Wirthſchaften zu ſelbſtändigen Corporationen. Das iſt die Epoche, in welche die corporative Ge- ſtalt der Selbſtverwaltung das öffentliche Recht des beſonderen Theiles der Volkswirthſchaft bildet. Ihr Charakter iſt die mit dem Weſen der Corporation verbundene ſtrenge Ordnung, aber auch die ſtändiſche Unfreiheit. Sie kann den Erwerb entſtehen laſſen und erhalten, aber ſie kann ihn nicht fortbilden. Die zweite Epoche iſt die, wo die im Königthum und ſeiner Re- gierung vertretene perſönliche Staatsidee ſich die ſtändiſche Selbſtändig- keit unterwirft. Wir nennen ſie in Beziehung auf die Verwaltung die polizeiliche Epoche. Die polizeiliche Epoche bricht nun auch das

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/336
Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/336>, abgerufen am 19.11.2024.