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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870.

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Bewußtsein oder mit systematischer Ergründung, ganz richtig das Credit-
wesen und sein Recht in dem Creditvereinswesen und seinem Rechts-
leben sucht. Auf diesem Punkte steht unsere Gegenwart. Wenn auch
vielfach beirrt durch Streit der Theorie und Mißbrauch der Privilegien
und Statuten im Einzelnen, sind dennoch die Grundzüge des öffent-
lichen Creditwesens unzweifelhaft klar erkennbar; wir reduciren dieselben
als Basis des Folgenden zunächst auf zwei allgemeine Kategorien.

Die Organisation des Credits bedeutet nämlich nicht etwa eine
von der Regierung ausgehende Einrichtung zur Creditirung auf Grund-
lage eines vom Staate dazu bestimmten Capitals, sondern diejenige
durch die wirthschaftlichen Gesetze erzeugte Gestalt des Creditvereins-
wesens, nach welchem für jede Art des Credits sich -- wenn auch lang-
sam so doch sicher -- eine bestimmte, den wirthschaftlichen und gesell-
schaftlichen Funktionen desselben entsprechende Vereinsgruppe bildet.

Das Creditrecht ist daneben diejenige Modifikation, theils des
bürgerlichen, theils des Vereinsrechts, welche durch das Wesen und
die wirthschaftliche und gesellschaftliche Funktion des Credits gefordert
und von Gesetzgebung und Verwaltung gesetzt wird.

Durch die allmählige Entwicklung des Credits aus dem Darlehen
einerseits und des Creditvereinswesens andererseits entsteht die Ge-
schichte
-- und durch den Anschluß des Creditrechts an die Organi-
sation des Credits das System des Creditwesens, dessen Elemente
folgende sind.

Die Geschichte des Credits beschränkt sich bis jetzt fast nur noch auf die
Geschichte des Wechsels und seines Rechts und auf die des Notenwesens
(s. unten). Die Polizeiwissenschaft unsres Jahrhunderts hat diesen Gegenstand
nur etwas weitläuftiger behandelt, als die des vorigen. Dabei bestehen sehr
eingehende Arbeiten über die einzelnen Theile; ein großer Mangel ist die
Nichtberücksichtigung des Vereinswesens, welches der Creditorganisation zum
Grunde liegt. Eine einheitliche und systematische Behandlung des Ganzen
mangelt vollständig.

A. Personal-Creditwesen.

Das Personal-Creditwesen beginnt da, wo in dem gewöhnlichen
bürgerlichen Darlehen sich die ersten Momente der öffentlichen rechtlichen
Bedeutung des eigentlichen Credits zeigen. Während daher das Dar-
lehen noch ganz dem Privatrecht angehört, schließt sich an jene Momente
die Verwaltung an, die auf ihren höchsten Stufen schon hier das Ver-
einswesen und seine Funktion zur Geltung bringt.

Wir haben dabei den Darlehens- und den Pfand credit zu unter-
scheiden. Das Recht jedes derselben hat seine eigene Geschichte.

Bewußtſein oder mit ſyſtematiſcher Ergründung, ganz richtig das Credit-
weſen und ſein Recht in dem Creditvereinsweſen und ſeinem Rechts-
leben ſucht. Auf dieſem Punkte ſteht unſere Gegenwart. Wenn auch
vielfach beirrt durch Streit der Theorie und Mißbrauch der Privilegien
und Statuten im Einzelnen, ſind dennoch die Grundzüge des öffent-
lichen Creditweſens unzweifelhaft klar erkennbar; wir reduciren dieſelben
als Baſis des Folgenden zunächſt auf zwei allgemeine Kategorien.

Die Organiſation des Credits bedeutet nämlich nicht etwa eine
von der Regierung ausgehende Einrichtung zur Creditirung auf Grund-
lage eines vom Staate dazu beſtimmten Capitals, ſondern diejenige
durch die wirthſchaftlichen Geſetze erzeugte Geſtalt des Creditvereins-
weſens, nach welchem für jede Art des Credits ſich — wenn auch lang-
ſam ſo doch ſicher — eine beſtimmte, den wirthſchaftlichen und geſell-
ſchaftlichen Funktionen deſſelben entſprechende Vereinsgruppe bildet.

Das Creditrecht iſt daneben diejenige Modifikation, theils des
bürgerlichen, theils des Vereinsrechts, welche durch das Weſen und
die wirthſchaftliche und geſellſchaftliche Funktion des Credits gefordert
und von Geſetzgebung und Verwaltung geſetzt wird.

Durch die allmählige Entwicklung des Credits aus dem Darlehen
einerſeits und des Creditvereinsweſens andererſeits entſteht die Ge-
ſchichte
— und durch den Anſchluß des Creditrechts an die Organi-
ſation des Credits das Syſtem des Creditweſens, deſſen Elemente
folgende ſind.

Die Geſchichte des Credits beſchränkt ſich bis jetzt faſt nur noch auf die
Geſchichte des Wechſels und ſeines Rechts und auf die des Notenweſens
(ſ. unten). Die Polizeiwiſſenſchaft unſres Jahrhunderts hat dieſen Gegenſtand
nur etwas weitläuftiger behandelt, als die des vorigen. Dabei beſtehen ſehr
eingehende Arbeiten über die einzelnen Theile; ein großer Mangel iſt die
Nichtberückſichtigung des Vereinsweſens, welches der Creditorganiſation zum
Grunde liegt. Eine einheitliche und ſyſtematiſche Behandlung des Ganzen
mangelt vollſtändig.

A. Perſonal-Creditweſen.

Das Perſonal-Creditweſen beginnt da, wo in dem gewöhnlichen
bürgerlichen Darlehen ſich die erſten Momente der öffentlichen rechtlichen
Bedeutung des eigentlichen Credits zeigen. Während daher das Dar-
lehen noch ganz dem Privatrecht angehört, ſchließt ſich an jene Momente
die Verwaltung an, die auf ihren höchſten Stufen ſchon hier das Ver-
einsweſen und ſeine Funktion zur Geltung bringt.

Wir haben dabei den Darlehens- und den Pfand credit zu unter-
ſcheiden. Das Recht jedes derſelben hat ſeine eigene Geſchichte.

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[252/0276] Bewußtſein oder mit ſyſtematiſcher Ergründung, ganz richtig das Credit- weſen und ſein Recht in dem Creditvereinsweſen und ſeinem Rechts- leben ſucht. Auf dieſem Punkte ſteht unſere Gegenwart. Wenn auch vielfach beirrt durch Streit der Theorie und Mißbrauch der Privilegien und Statuten im Einzelnen, ſind dennoch die Grundzüge des öffent- lichen Creditweſens unzweifelhaft klar erkennbar; wir reduciren dieſelben als Baſis des Folgenden zunächſt auf zwei allgemeine Kategorien. Die Organiſation des Credits bedeutet nämlich nicht etwa eine von der Regierung ausgehende Einrichtung zur Creditirung auf Grund- lage eines vom Staate dazu beſtimmten Capitals, ſondern diejenige durch die wirthſchaftlichen Geſetze erzeugte Geſtalt des Creditvereins- weſens, nach welchem für jede Art des Credits ſich — wenn auch lang- ſam ſo doch ſicher — eine beſtimmte, den wirthſchaftlichen und geſell- ſchaftlichen Funktionen deſſelben entſprechende Vereinsgruppe bildet. Das Creditrecht iſt daneben diejenige Modifikation, theils des bürgerlichen, theils des Vereinsrechts, welche durch das Weſen und die wirthſchaftliche und geſellſchaftliche Funktion des Credits gefordert und von Geſetzgebung und Verwaltung geſetzt wird. Durch die allmählige Entwicklung des Credits aus dem Darlehen einerſeits und des Creditvereinsweſens andererſeits entſteht die Ge- ſchichte — und durch den Anſchluß des Creditrechts an die Organi- ſation des Credits das Syſtem des Creditweſens, deſſen Elemente folgende ſind. Die Geſchichte des Credits beſchränkt ſich bis jetzt faſt nur noch auf die Geſchichte des Wechſels und ſeines Rechts und auf die des Notenweſens (ſ. unten). Die Polizeiwiſſenſchaft unſres Jahrhunderts hat dieſen Gegenſtand nur etwas weitläuftiger behandelt, als die des vorigen. Dabei beſtehen ſehr eingehende Arbeiten über die einzelnen Theile; ein großer Mangel iſt die Nichtberückſichtigung des Vereinsweſens, welches der Creditorganiſation zum Grunde liegt. Eine einheitliche und ſyſtematiſche Behandlung des Ganzen mangelt vollſtändig. A. Perſonal-Creditweſen. Das Perſonal-Creditweſen beginnt da, wo in dem gewöhnlichen bürgerlichen Darlehen ſich die erſten Momente der öffentlichen rechtlichen Bedeutung des eigentlichen Credits zeigen. Während daher das Dar- lehen noch ganz dem Privatrecht angehört, ſchließt ſich an jene Momente die Verwaltung an, die auf ihren höchſten Stufen ſchon hier das Ver- einsweſen und ſeine Funktion zur Geltung bringt. Wir haben dabei den Darlehens- und den Pfand credit zu unter- ſcheiden. Das Recht jedes derſelben hat ſeine eigene Geſchichte.

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/276>, abgerufen am 19.11.2024.