Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870.

Bild:
<< vorherige Seite

Proceß, der diese Einheit des Umlaufswesens im Weltverkehr herbei-
führt und der gerade in gegenwärtiger Zeit in eine hochbedeutsame
Epoche für beide getreten ist.

A. Der Güterumlauf. Maß- und Gewichtswesen.

Es gibt kein Maß und Gewicht an sich. Alles Maß und Gewicht
geht von Menschen aus; jedes einzelne Maß und Gewicht so wie das
System derselben ist zunächst nur die Anwendung körperlicher Verhält-
nisse auf die natürliche Erscheinung. Das Maß und Gewicht entsteht
daher auch durch die Thätigkeit der Person, sei es die physische, sei es
die geistige. So bildet sich ein natürliches Maß- und Gewichts-
system, das in den Elementen bei allen Völkern gleichartig ist.

Innerhalb der damit gesetzten Größenverhältnisse aber haben
Zufall und Willkür ihren Raum. So wie dagegen der Verkehr ent-
steht, fordert er die allgemeine Geltung des Maßes. So lange nun
der Verkehr bloß vom Einzelnen zum Einzelnen geht, können die Ein-
zelnen sich untereinander darüber individuell einigen. Sobald aber der
Umlauf allgemein wird, muß die Geltung des feststehenden Maßes zu
einer objektiv rechtlichen werden. Alsdann wird ein bestimmtes Maß
durch die gesetzgebende Gewalt anerkannt und durch die vollziehende
durchgeführt. Damit entstehen die drei Momente, welche zusammen
das Maß- und Gewichtswesen im öffentlichen Recht bilden.

Das erste dieser Momente ist die Aufstellung eines geltenden
Systemes von Maßen und Gewichten, das meist historisch entstanden
und nach einem gegebenen Grundmaß ausgebildet wird. Es gehört
ein sehr hoher Grad von Bildung dazu, um die verschiedenen Maße und
Gewichte als eine organische Einheit aufzufassen, namentlich das Längen-
maß als Grundlage des Raummaßes zu bestimmen; ja es ist sogar
schon sehr schwierig, auch nur die vorhandenen Maße, die oft nur
einen ganz örtlichen Werth haben, statistisch genau festzustellen und auf
gleiche Einheiten zu reduciren. Hier liegt daher der Kern der Geschichte
des Maß- und Gewichtswesens, die in den beiden folgenden Punkten
sich im Wesentlichen fast zu allen Zeiten gleich geblieben ist.

Das zweite Moment ist das Recht des Maßes und Gewichts.
Das Recht besteht einfach in der Verpflichtung, allenthalben wo der
gesetzlich anerkannte Ausdruck im Verkehr gebraucht wird, auch das
dafür gesetzlich bestimmte Quantum zu leisten, so daß jede subjektive
Interpretation des ersteren damit ausgeschlossen ist. Das Recht ist die
Grundlage des wirthschaftlichen Werthes eines jeden gesetzlichen Maß-
systems.

Stein, Handbuch der Verwaltungslehre. 15

Proceß, der dieſe Einheit des Umlaufsweſens im Weltverkehr herbei-
führt und der gerade in gegenwärtiger Zeit in eine hochbedeutſame
Epoche für beide getreten iſt.

A. Der Güterumlauf. Maß- und Gewichtsweſen.

Es gibt kein Maß und Gewicht an ſich. Alles Maß und Gewicht
geht von Menſchen aus; jedes einzelne Maß und Gewicht ſo wie das
Syſtem derſelben iſt zunächſt nur die Anwendung körperlicher Verhält-
niſſe auf die natürliche Erſcheinung. Das Maß und Gewicht entſteht
daher auch durch die Thätigkeit der Perſon, ſei es die phyſiſche, ſei es
die geiſtige. So bildet ſich ein natürliches Maß- und Gewichts-
ſyſtem, das in den Elementen bei allen Völkern gleichartig iſt.

Innerhalb der damit geſetzten Größenverhältniſſe aber haben
Zufall und Willkür ihren Raum. So wie dagegen der Verkehr ent-
ſteht, fordert er die allgemeine Geltung des Maßes. So lange nun
der Verkehr bloß vom Einzelnen zum Einzelnen geht, können die Ein-
zelnen ſich untereinander darüber individuell einigen. Sobald aber der
Umlauf allgemein wird, muß die Geltung des feſtſtehenden Maßes zu
einer objektiv rechtlichen werden. Alsdann wird ein beſtimmtes Maß
durch die geſetzgebende Gewalt anerkannt und durch die vollziehende
durchgeführt. Damit entſtehen die drei Momente, welche zuſammen
das Maß- und Gewichtsweſen im öffentlichen Recht bilden.

Das erſte dieſer Momente iſt die Aufſtellung eines geltenden
Syſtemes von Maßen und Gewichten, das meiſt hiſtoriſch entſtanden
und nach einem gegebenen Grundmaß ausgebildet wird. Es gehört
ein ſehr hoher Grad von Bildung dazu, um die verſchiedenen Maße und
Gewichte als eine organiſche Einheit aufzufaſſen, namentlich das Längen-
maß als Grundlage des Raummaßes zu beſtimmen; ja es iſt ſogar
ſchon ſehr ſchwierig, auch nur die vorhandenen Maße, die oft nur
einen ganz örtlichen Werth haben, ſtatiſtiſch genau feſtzuſtellen und auf
gleiche Einheiten zu reduciren. Hier liegt daher der Kern der Geſchichte
des Maß- und Gewichtsweſens, die in den beiden folgenden Punkten
ſich im Weſentlichen faſt zu allen Zeiten gleich geblieben iſt.

Das zweite Moment iſt das Recht des Maßes und Gewichts.
Das Recht beſteht einfach in der Verpflichtung, allenthalben wo der
geſetzlich anerkannte Ausdruck im Verkehr gebraucht wird, auch das
dafür geſetzlich beſtimmte Quantum zu leiſten, ſo daß jede ſubjektive
Interpretation des erſteren damit ausgeſchloſſen iſt. Das Recht iſt die
Grundlage des wirthſchaftlichen Werthes eines jeden geſetzlichen Maß-
ſyſtems.

Stein, Handbuch der Verwaltungslehre. 15
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0249" n="225"/>
Proceß, der die&#x017F;e Einheit des Umlaufswe&#x017F;ens im Weltverkehr herbei-<lb/>
führt und der gerade in gegenwärtiger Zeit in eine hochbedeut&#x017F;ame<lb/>
Epoche für beide getreten i&#x017F;t.</p><lb/>
                <div n="6">
                  <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">A.</hi> Der Güterumlauf. Maß- und Gewichtswe&#x017F;en.</hi> </head><lb/>
                  <p>Es gibt kein Maß und Gewicht an &#x017F;ich. Alles Maß und Gewicht<lb/>
geht von Men&#x017F;chen aus; jedes einzelne Maß und Gewicht &#x017F;o wie das<lb/>
Sy&#x017F;tem der&#x017F;elben i&#x017F;t zunäch&#x017F;t nur die Anwendung körperlicher Verhält-<lb/>
ni&#x017F;&#x017F;e auf die natürliche Er&#x017F;cheinung. Das Maß und Gewicht ent&#x017F;teht<lb/>
daher auch durch die Thätigkeit der Per&#x017F;on, &#x017F;ei es die phy&#x017F;i&#x017F;che, &#x017F;ei es<lb/>
die gei&#x017F;tige. So bildet &#x017F;ich ein <hi rendition="#g">natürliches</hi> Maß- und Gewichts-<lb/>
&#x017F;y&#x017F;tem, das in den Elementen bei allen Völkern gleichartig i&#x017F;t.</p><lb/>
                  <p><hi rendition="#g">Innerhalb</hi> der damit ge&#x017F;etzten Größenverhältni&#x017F;&#x017F;e aber haben<lb/>
Zufall und Willkür ihren Raum. So wie dagegen der Verkehr ent-<lb/>
&#x017F;teht, fordert er die allgemeine Geltung des Maßes. So lange nun<lb/>
der Verkehr bloß vom Einzelnen zum Einzelnen geht, <hi rendition="#g">können</hi> die Ein-<lb/>
zelnen &#x017F;ich untereinander darüber individuell einigen. Sobald aber der<lb/>
Umlauf allgemein wird, muß die Geltung des fe&#x017F;t&#x017F;tehenden Maßes zu<lb/>
einer objektiv rechtlichen werden. Alsdann wird ein be&#x017F;timmtes Maß<lb/>
durch die ge&#x017F;etzgebende Gewalt anerkannt und durch die vollziehende<lb/>
durchgeführt. Damit ent&#x017F;tehen die drei Momente, welche zu&#x017F;ammen<lb/>
das <hi rendition="#g">Maß- und Gewichtswe&#x017F;en im öffentlichen Recht</hi> bilden.</p><lb/>
                  <p>Das er&#x017F;te die&#x017F;er Momente i&#x017F;t die Auf&#x017F;tellung eines geltenden<lb/><hi rendition="#g">Sy&#x017F;temes</hi> von Maßen und Gewichten, das mei&#x017F;t hi&#x017F;tori&#x017F;ch ent&#x017F;tanden<lb/>
und nach einem gegebenen Grundmaß ausgebildet wird. Es gehört<lb/>
ein &#x017F;ehr hoher Grad von Bildung dazu, um die ver&#x017F;chiedenen Maße und<lb/>
Gewichte als eine organi&#x017F;che Einheit aufzufa&#x017F;&#x017F;en, namentlich das Längen-<lb/>
maß als Grundlage des Raummaßes zu be&#x017F;timmen; ja es i&#x017F;t &#x017F;ogar<lb/>
&#x017F;chon &#x017F;ehr &#x017F;chwierig, auch nur die vorhandenen Maße, die oft nur<lb/>
einen ganz örtlichen Werth haben, &#x017F;tati&#x017F;ti&#x017F;ch genau fe&#x017F;tzu&#x017F;tellen und auf<lb/>
gleiche Einheiten zu reduciren. <hi rendition="#g">Hier</hi> liegt daher der Kern der Ge&#x017F;chichte<lb/>
des Maß- und Gewichtswe&#x017F;ens, die in den beiden folgenden Punkten<lb/>
&#x017F;ich im We&#x017F;entlichen fa&#x017F;t zu allen Zeiten gleich geblieben i&#x017F;t.</p><lb/>
                  <p>Das zweite Moment i&#x017F;t das <hi rendition="#g">Recht</hi> des Maßes und Gewichts.<lb/>
Das Recht be&#x017F;teht einfach in der Verpflichtung, allenthalben wo der<lb/>
ge&#x017F;etzlich anerkannte Ausdruck im Verkehr gebraucht wird, auch das<lb/>
dafür ge&#x017F;etzlich be&#x017F;timmte Quantum zu lei&#x017F;ten, &#x017F;o daß jede &#x017F;ubjektive<lb/>
Interpretation des er&#x017F;teren damit ausge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t. Das Recht i&#x017F;t die<lb/>
Grundlage des wirth&#x017F;chaftlichen Werthes eines jeden ge&#x017F;etzlichen Maß-<lb/>
&#x017F;y&#x017F;tems.</p><lb/>
                  <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Stein</hi>, Handbuch der Verwaltungslehre. 15</fw><lb/>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[225/0249] Proceß, der dieſe Einheit des Umlaufsweſens im Weltverkehr herbei- führt und der gerade in gegenwärtiger Zeit in eine hochbedeutſame Epoche für beide getreten iſt. A. Der Güterumlauf. Maß- und Gewichtsweſen. Es gibt kein Maß und Gewicht an ſich. Alles Maß und Gewicht geht von Menſchen aus; jedes einzelne Maß und Gewicht ſo wie das Syſtem derſelben iſt zunächſt nur die Anwendung körperlicher Verhält- niſſe auf die natürliche Erſcheinung. Das Maß und Gewicht entſteht daher auch durch die Thätigkeit der Perſon, ſei es die phyſiſche, ſei es die geiſtige. So bildet ſich ein natürliches Maß- und Gewichts- ſyſtem, das in den Elementen bei allen Völkern gleichartig iſt. Innerhalb der damit geſetzten Größenverhältniſſe aber haben Zufall und Willkür ihren Raum. So wie dagegen der Verkehr ent- ſteht, fordert er die allgemeine Geltung des Maßes. So lange nun der Verkehr bloß vom Einzelnen zum Einzelnen geht, können die Ein- zelnen ſich untereinander darüber individuell einigen. Sobald aber der Umlauf allgemein wird, muß die Geltung des feſtſtehenden Maßes zu einer objektiv rechtlichen werden. Alsdann wird ein beſtimmtes Maß durch die geſetzgebende Gewalt anerkannt und durch die vollziehende durchgeführt. Damit entſtehen die drei Momente, welche zuſammen das Maß- und Gewichtsweſen im öffentlichen Recht bilden. Das erſte dieſer Momente iſt die Aufſtellung eines geltenden Syſtemes von Maßen und Gewichten, das meiſt hiſtoriſch entſtanden und nach einem gegebenen Grundmaß ausgebildet wird. Es gehört ein ſehr hoher Grad von Bildung dazu, um die verſchiedenen Maße und Gewichte als eine organiſche Einheit aufzufaſſen, namentlich das Längen- maß als Grundlage des Raummaßes zu beſtimmen; ja es iſt ſogar ſchon ſehr ſchwierig, auch nur die vorhandenen Maße, die oft nur einen ganz örtlichen Werth haben, ſtatiſtiſch genau feſtzuſtellen und auf gleiche Einheiten zu reduciren. Hier liegt daher der Kern der Geſchichte des Maß- und Gewichtsweſens, die in den beiden folgenden Punkten ſich im Weſentlichen faſt zu allen Zeiten gleich geblieben iſt. Das zweite Moment iſt das Recht des Maßes und Gewichts. Das Recht beſteht einfach in der Verpflichtung, allenthalben wo der geſetzlich anerkannte Ausdruck im Verkehr gebraucht wird, auch das dafür geſetzlich beſtimmte Quantum zu leiſten, ſo daß jede ſubjektive Interpretation des erſteren damit ausgeſchloſſen iſt. Das Recht iſt die Grundlage des wirthſchaftlichen Werthes eines jeden geſetzlichen Maß- ſyſtems. Stein, Handbuch der Verwaltungslehre. 15

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/249
Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/249>, abgerufen am 22.12.2024.