gelangt, die Existenz der Gesellschaft allein noch auf Erwerb von neuen Risiken beruht, und der Untergang von dem Augenblick an be- ginnt, wo die Zunahme der Einnahme aufhört. Diese Grundsätze zur Geltung zu bringen, ist Sache der künftigen Versicherungsgesetz- gebung; sie für jede Versicherungsgesellschaft anzuwenden, wäre Sache der inneren Verwaltung. Freilich gehört dazu, daß das Versiche- rungswesen als ein hochwichtiger Theil der Verwaltungslehre in Theorie und Praxis nicht bloß der Unternehmungen, sondern auch des Staats- lebens seinen gebührenden Platz finde.
Drittes Gebiet. Das Verkehrswesen. Begriff.
Während nun die Entwährung die Bedingungen der allgemeinen Entwicklung herstellt, so weit sie im persönlichen Recht, und die Ele- mentarverwaltung, so weit sie in den natürlichen Kräften liegen, hat das Verkehrswesen es mit denjenigen zu thun, welche im Güterleben liegen.
Es scheint nun durchaus nothwendig, den Begriff des Verkehrs- wesens als einen selbständigen und organischen in der gesammten Volks- wirthschaftspflege zu entwickeln, um dieses große Gebiet klar übersehen zu können.
Keine Einzelwirthschaft kann durch sich allein fortschreiten. Die Quelle aller Entwicklung beruht darauf, daß das, was die eine besitzt, für die zweite einen höheren Werth hat, als für die erste. Die Fähigkeit, solche Güter zu erzeugen, nennen wir die Produktivität. Die Produktivität ist daher die lebendige Seele aller Produktion. Aber wenn solche Güter wirklich erzeugt sind, so entsteht sofort ein Proceß, der dieselben derjenigen Wirthschaft zuführt, für welche sie den gesuchten höheren Werth besitzen, der die Produktivität verwirklicht. Diesen Proceß nennen wir den Verkehr. So wird der Verkehr die Bedingung aller wirklichen Produktivität und vermöge derselben aller Produktion, das ist, die Bedingung aller Entwicklung der Volkswirth- schaft überhaupt; und es ergibt sich, daß wiederum die Bedingungen des Verkehrs die Voraussetzung des Fortschrittes in der Volks- wirthschaft werden.
Nun liegen die Bedingungen des Verkehrs nur so weit in der Einzelpersönlichkeit, als sie in der Berechnung jener Differenz des Werthes für Art und Umfang der Produktion einerseits und für die Eingehung des Vertrages andererseits bestehen. Da wo die wirkliche Bewegung des Ueberganges der Güter und Leistungen von einer Wirth-
gelangt, die Exiſtenz der Geſellſchaft allein noch auf Erwerb von neuen Riſiken beruht, und der Untergang von dem Augenblick an be- ginnt, wo die Zunahme der Einnahme aufhört. Dieſe Grundſätze zur Geltung zu bringen, iſt Sache der künftigen Verſicherungsgeſetz- gebung; ſie für jede Verſicherungsgeſellſchaft anzuwenden, wäre Sache der inneren Verwaltung. Freilich gehört dazu, daß das Verſiche- rungsweſen als ein hochwichtiger Theil der Verwaltungslehre in Theorie und Praxis nicht bloß der Unternehmungen, ſondern auch des Staats- lebens ſeinen gebührenden Platz finde.
Drittes Gebiet. Das Verkehrsweſen. Begriff.
Während nun die Entwährung die Bedingungen der allgemeinen Entwicklung herſtellt, ſo weit ſie im perſönlichen Recht, und die Ele- mentarverwaltung, ſo weit ſie in den natürlichen Kräften liegen, hat das Verkehrsweſen es mit denjenigen zu thun, welche im Güterleben liegen.
Es ſcheint nun durchaus nothwendig, den Begriff des Verkehrs- weſens als einen ſelbſtändigen und organiſchen in der geſammten Volks- wirthſchaftspflege zu entwickeln, um dieſes große Gebiet klar überſehen zu können.
Keine Einzelwirthſchaft kann durch ſich allein fortſchreiten. Die Quelle aller Entwicklung beruht darauf, daß das, was die eine beſitzt, für die zweite einen höheren Werth hat, als für die erſte. Die Fähigkeit, ſolche Güter zu erzeugen, nennen wir die Produktivität. Die Produktivität iſt daher die lebendige Seele aller Produktion. Aber wenn ſolche Güter wirklich erzeugt ſind, ſo entſteht ſofort ein Proceß, der dieſelben derjenigen Wirthſchaft zuführt, für welche ſie den geſuchten höheren Werth beſitzen, der die Produktivität verwirklicht. Dieſen Proceß nennen wir den Verkehr. So wird der Verkehr die Bedingung aller wirklichen Produktivität und vermöge derſelben aller Produktion, das iſt, die Bedingung aller Entwicklung der Volkswirth- ſchaft überhaupt; und es ergibt ſich, daß wiederum die Bedingungen des Verkehrs die Vorausſetzung des Fortſchrittes in der Volks- wirthſchaft werden.
Nun liegen die Bedingungen des Verkehrs nur ſo weit in der Einzelperſönlichkeit, als ſie in der Berechnung jener Differenz des Werthes für Art und Umfang der Produktion einerſeits und für die Eingehung des Vertrages andererſeits beſtehen. Da wo die wirkliche Bewegung des Ueberganges der Güter und Leiſtungen von einer Wirth-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><divn="6"><p><pbfacs="#f0197"n="173"/>
gelangt, die Exiſtenz der Geſellſchaft <hirendition="#g">allein</hi> noch auf Erwerb von<lb/>
neuen Riſiken beruht, und der Untergang von dem Augenblick an be-<lb/>
ginnt, wo die <hirendition="#g">Zunahme</hi> der Einnahme aufhört. <hirendition="#g">Dieſe</hi> Grundſätze<lb/>
zur Geltung zu bringen, iſt Sache der künftigen Verſicherung<hirendition="#g">sgeſetz-<lb/>
gebung</hi>; ſie für jede Verſicherungsgeſellſchaft anzuwenden, wäre Sache<lb/>
der inneren <hirendition="#g">Verwaltung</hi>. Freilich gehört dazu, daß das Verſiche-<lb/>
rungsweſen als ein hochwichtiger Theil der Verwaltungslehre in Theorie<lb/>
und Praxis nicht bloß der Unternehmungen, ſondern auch des Staats-<lb/>
lebens ſeinen gebührenden Platz finde.</p></div></div></div><lb/><divn="4"><head><hirendition="#b">Drittes Gebiet. Das Verkehrsweſen.</hi><lb/>
Begriff.</head><lb/><p>Während nun die Entwährung die Bedingungen der allgemeinen<lb/>
Entwicklung herſtellt, ſo weit ſie im perſönlichen Recht, und die Ele-<lb/>
mentarverwaltung, ſo weit ſie in den natürlichen Kräften liegen, hat<lb/>
das Verkehrsweſen es mit denjenigen zu thun, welche im Güterleben<lb/>
liegen.</p><lb/><p>Es ſcheint nun durchaus nothwendig, den Begriff des Verkehrs-<lb/>
weſens als einen ſelbſtändigen und organiſchen in der geſammten Volks-<lb/>
wirthſchaftspflege zu entwickeln, um dieſes große Gebiet klar überſehen<lb/>
zu können.</p><lb/><p>Keine Einzelwirthſchaft kann durch ſich allein fortſchreiten. Die<lb/>
Quelle aller Entwicklung beruht darauf, daß das, was die eine beſitzt,<lb/>
für die zweite einen <hirendition="#g">höheren Werth</hi> hat, als für die erſte. Die<lb/>
Fähigkeit, ſolche Güter zu erzeugen, nennen wir die <hirendition="#g">Produktivität</hi>.<lb/>
Die Produktivität iſt daher die lebendige Seele aller Produktion. Aber<lb/>
wenn ſolche Güter wirklich erzeugt <hirendition="#g">ſind</hi>, ſo entſteht ſofort ein Proceß,<lb/>
der dieſelben derjenigen Wirthſchaft zuführt, für welche ſie den geſuchten<lb/>
höheren Werth beſitzen, der die Produktivität verwirklicht. Dieſen<lb/>
Proceß nennen wir den <hirendition="#g">Verkehr</hi>. So wird der Verkehr die Bedingung<lb/>
aller wirklichen Produktivität und vermöge derſelben aller Produktion,<lb/>
das iſt, die <hirendition="#g">Bedingung aller Entwicklung der Volkswirth-<lb/>ſchaft</hi> überhaupt; und es ergibt ſich, daß wiederum die Bedingungen<lb/>
des Verkehrs die <hirendition="#g">Vorausſetzung des Fortſchrittes</hi> in der Volks-<lb/>
wirthſchaft werden.</p><lb/><p>Nun liegen die Bedingungen des Verkehrs nur ſo weit in der<lb/>
Einzelperſönlichkeit, als ſie in der <hirendition="#g">Berechnung</hi> jener Differenz des<lb/>
Werthes für Art und Umfang der Produktion einerſeits und für die<lb/>
Eingehung des Vertrages andererſeits beſtehen. Da wo die <hirendition="#g">wirkliche</hi><lb/>
Bewegung des Ueberganges der Güter und Leiſtungen von einer Wirth-<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[173/0197]
gelangt, die Exiſtenz der Geſellſchaft allein noch auf Erwerb von
neuen Riſiken beruht, und der Untergang von dem Augenblick an be-
ginnt, wo die Zunahme der Einnahme aufhört. Dieſe Grundſätze
zur Geltung zu bringen, iſt Sache der künftigen Verſicherungsgeſetz-
gebung; ſie für jede Verſicherungsgeſellſchaft anzuwenden, wäre Sache
der inneren Verwaltung. Freilich gehört dazu, daß das Verſiche-
rungsweſen als ein hochwichtiger Theil der Verwaltungslehre in Theorie
und Praxis nicht bloß der Unternehmungen, ſondern auch des Staats-
lebens ſeinen gebührenden Platz finde.
Drittes Gebiet. Das Verkehrsweſen.
Begriff.
Während nun die Entwährung die Bedingungen der allgemeinen
Entwicklung herſtellt, ſo weit ſie im perſönlichen Recht, und die Ele-
mentarverwaltung, ſo weit ſie in den natürlichen Kräften liegen, hat
das Verkehrsweſen es mit denjenigen zu thun, welche im Güterleben
liegen.
Es ſcheint nun durchaus nothwendig, den Begriff des Verkehrs-
weſens als einen ſelbſtändigen und organiſchen in der geſammten Volks-
wirthſchaftspflege zu entwickeln, um dieſes große Gebiet klar überſehen
zu können.
Keine Einzelwirthſchaft kann durch ſich allein fortſchreiten. Die
Quelle aller Entwicklung beruht darauf, daß das, was die eine beſitzt,
für die zweite einen höheren Werth hat, als für die erſte. Die
Fähigkeit, ſolche Güter zu erzeugen, nennen wir die Produktivität.
Die Produktivität iſt daher die lebendige Seele aller Produktion. Aber
wenn ſolche Güter wirklich erzeugt ſind, ſo entſteht ſofort ein Proceß,
der dieſelben derjenigen Wirthſchaft zuführt, für welche ſie den geſuchten
höheren Werth beſitzen, der die Produktivität verwirklicht. Dieſen
Proceß nennen wir den Verkehr. So wird der Verkehr die Bedingung
aller wirklichen Produktivität und vermöge derſelben aller Produktion,
das iſt, die Bedingung aller Entwicklung der Volkswirth-
ſchaft überhaupt; und es ergibt ſich, daß wiederum die Bedingungen
des Verkehrs die Vorausſetzung des Fortſchrittes in der Volks-
wirthſchaft werden.
Nun liegen die Bedingungen des Verkehrs nur ſo weit in der
Einzelperſönlichkeit, als ſie in der Berechnung jener Differenz des
Werthes für Art und Umfang der Produktion einerſeits und für die
Eingehung des Vertrages andererſeits beſtehen. Da wo die wirkliche
Bewegung des Ueberganges der Güter und Leiſtungen von einer Wirth-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/197>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.