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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870.

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gelangt, die Existenz der Gesellschaft allein noch auf Erwerb von
neuen Risiken beruht, und der Untergang von dem Augenblick an be-
ginnt, wo die Zunahme der Einnahme aufhört. Diese Grundsätze
zur Geltung zu bringen, ist Sache der künftigen Versicherungsgesetz-
gebung
; sie für jede Versicherungsgesellschaft anzuwenden, wäre Sache
der inneren Verwaltung. Freilich gehört dazu, daß das Versiche-
rungswesen als ein hochwichtiger Theil der Verwaltungslehre in Theorie
und Praxis nicht bloß der Unternehmungen, sondern auch des Staats-
lebens seinen gebührenden Platz finde.

Drittes Gebiet. Das Verkehrswesen.
Begriff.

Während nun die Entwährung die Bedingungen der allgemeinen
Entwicklung herstellt, so weit sie im persönlichen Recht, und die Ele-
mentarverwaltung, so weit sie in den natürlichen Kräften liegen, hat
das Verkehrswesen es mit denjenigen zu thun, welche im Güterleben
liegen.

Es scheint nun durchaus nothwendig, den Begriff des Verkehrs-
wesens als einen selbständigen und organischen in der gesammten Volks-
wirthschaftspflege zu entwickeln, um dieses große Gebiet klar übersehen
zu können.

Keine Einzelwirthschaft kann durch sich allein fortschreiten. Die
Quelle aller Entwicklung beruht darauf, daß das, was die eine besitzt,
für die zweite einen höheren Werth hat, als für die erste. Die
Fähigkeit, solche Güter zu erzeugen, nennen wir die Produktivität.
Die Produktivität ist daher die lebendige Seele aller Produktion. Aber
wenn solche Güter wirklich erzeugt sind, so entsteht sofort ein Proceß,
der dieselben derjenigen Wirthschaft zuführt, für welche sie den gesuchten
höheren Werth besitzen, der die Produktivität verwirklicht. Diesen
Proceß nennen wir den Verkehr. So wird der Verkehr die Bedingung
aller wirklichen Produktivität und vermöge derselben aller Produktion,
das ist, die Bedingung aller Entwicklung der Volkswirth-
schaft
überhaupt; und es ergibt sich, daß wiederum die Bedingungen
des Verkehrs die Voraussetzung des Fortschrittes in der Volks-
wirthschaft werden.

Nun liegen die Bedingungen des Verkehrs nur so weit in der
Einzelpersönlichkeit, als sie in der Berechnung jener Differenz des
Werthes für Art und Umfang der Produktion einerseits und für die
Eingehung des Vertrages andererseits bestehen. Da wo die wirkliche
Bewegung des Ueberganges der Güter und Leistungen von einer Wirth-

gelangt, die Exiſtenz der Geſellſchaft allein noch auf Erwerb von
neuen Riſiken beruht, und der Untergang von dem Augenblick an be-
ginnt, wo die Zunahme der Einnahme aufhört. Dieſe Grundſätze
zur Geltung zu bringen, iſt Sache der künftigen Verſicherungsgeſetz-
gebung
; ſie für jede Verſicherungsgeſellſchaft anzuwenden, wäre Sache
der inneren Verwaltung. Freilich gehört dazu, daß das Verſiche-
rungsweſen als ein hochwichtiger Theil der Verwaltungslehre in Theorie
und Praxis nicht bloß der Unternehmungen, ſondern auch des Staats-
lebens ſeinen gebührenden Platz finde.

Drittes Gebiet. Das Verkehrsweſen.
Begriff.

Während nun die Entwährung die Bedingungen der allgemeinen
Entwicklung herſtellt, ſo weit ſie im perſönlichen Recht, und die Ele-
mentarverwaltung, ſo weit ſie in den natürlichen Kräften liegen, hat
das Verkehrsweſen es mit denjenigen zu thun, welche im Güterleben
liegen.

Es ſcheint nun durchaus nothwendig, den Begriff des Verkehrs-
weſens als einen ſelbſtändigen und organiſchen in der geſammten Volks-
wirthſchaftspflege zu entwickeln, um dieſes große Gebiet klar überſehen
zu können.

Keine Einzelwirthſchaft kann durch ſich allein fortſchreiten. Die
Quelle aller Entwicklung beruht darauf, daß das, was die eine beſitzt,
für die zweite einen höheren Werth hat, als für die erſte. Die
Fähigkeit, ſolche Güter zu erzeugen, nennen wir die Produktivität.
Die Produktivität iſt daher die lebendige Seele aller Produktion. Aber
wenn ſolche Güter wirklich erzeugt ſind, ſo entſteht ſofort ein Proceß,
der dieſelben derjenigen Wirthſchaft zuführt, für welche ſie den geſuchten
höheren Werth beſitzen, der die Produktivität verwirklicht. Dieſen
Proceß nennen wir den Verkehr. So wird der Verkehr die Bedingung
aller wirklichen Produktivität und vermöge derſelben aller Produktion,
das iſt, die Bedingung aller Entwicklung der Volkswirth-
ſchaft
überhaupt; und es ergibt ſich, daß wiederum die Bedingungen
des Verkehrs die Vorausſetzung des Fortſchrittes in der Volks-
wirthſchaft werden.

Nun liegen die Bedingungen des Verkehrs nur ſo weit in der
Einzelperſönlichkeit, als ſie in der Berechnung jener Differenz des
Werthes für Art und Umfang der Produktion einerſeits und für die
Eingehung des Vertrages andererſeits beſtehen. Da wo die wirkliche
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[173/0197] gelangt, die Exiſtenz der Geſellſchaft allein noch auf Erwerb von neuen Riſiken beruht, und der Untergang von dem Augenblick an be- ginnt, wo die Zunahme der Einnahme aufhört. Dieſe Grundſätze zur Geltung zu bringen, iſt Sache der künftigen Verſicherungsgeſetz- gebung; ſie für jede Verſicherungsgeſellſchaft anzuwenden, wäre Sache der inneren Verwaltung. Freilich gehört dazu, daß das Verſiche- rungsweſen als ein hochwichtiger Theil der Verwaltungslehre in Theorie und Praxis nicht bloß der Unternehmungen, ſondern auch des Staats- lebens ſeinen gebührenden Platz finde. Drittes Gebiet. Das Verkehrsweſen. Begriff. Während nun die Entwährung die Bedingungen der allgemeinen Entwicklung herſtellt, ſo weit ſie im perſönlichen Recht, und die Ele- mentarverwaltung, ſo weit ſie in den natürlichen Kräften liegen, hat das Verkehrsweſen es mit denjenigen zu thun, welche im Güterleben liegen. Es ſcheint nun durchaus nothwendig, den Begriff des Verkehrs- weſens als einen ſelbſtändigen und organiſchen in der geſammten Volks- wirthſchaftspflege zu entwickeln, um dieſes große Gebiet klar überſehen zu können. Keine Einzelwirthſchaft kann durch ſich allein fortſchreiten. Die Quelle aller Entwicklung beruht darauf, daß das, was die eine beſitzt, für die zweite einen höheren Werth hat, als für die erſte. Die Fähigkeit, ſolche Güter zu erzeugen, nennen wir die Produktivität. Die Produktivität iſt daher die lebendige Seele aller Produktion. Aber wenn ſolche Güter wirklich erzeugt ſind, ſo entſteht ſofort ein Proceß, der dieſelben derjenigen Wirthſchaft zuführt, für welche ſie den geſuchten höheren Werth beſitzen, der die Produktivität verwirklicht. Dieſen Proceß nennen wir den Verkehr. So wird der Verkehr die Bedingung aller wirklichen Produktivität und vermöge derſelben aller Produktion, das iſt, die Bedingung aller Entwicklung der Volkswirth- ſchaft überhaupt; und es ergibt ſich, daß wiederum die Bedingungen des Verkehrs die Vorausſetzung des Fortſchrittes in der Volks- wirthſchaft werden. Nun liegen die Bedingungen des Verkehrs nur ſo weit in der Einzelperſönlichkeit, als ſie in der Berechnung jener Differenz des Werthes für Art und Umfang der Produktion einerſeits und für die Eingehung des Vertrages andererſeits beſtehen. Da wo die wirkliche Bewegung des Ueberganges der Güter und Leiſtungen von einer Wirth-

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/197>, abgerufen am 19.11.2024.