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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870.

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Deutschlands Entlastungsgeschichte; der theoretische Kampf um das
dominium eminens, das Recht der Grundherren, der Bauern, ihrer Hörigkeit
und ihrer Frohnden und Zehnten mit dem achtzehnten Jahrhundert. (Stein
S. 150--178.) Die wirkliche Entlastung des neunzehnten Jahrhunderts, ihr
Sieg seit 1848 und ihre Gestalt in Preußen: zwar Aufhebung der Patrimo-
nialjurisdiktion (Verordnung vom 2. Jan. 1849) und Zulässigkeit der Ab-
lösungen und definitiven Entlastungen; aber zur grundsätzlichen Befreiung
des Bauernstandes hat sich Preußen nicht erheben können (Rönne, Staats-
recht I. 53; Lassalle, Erworbene Rechte I. 133: Judeich, Grundentlastung
S. 48, 49. In den übrigen deutschen Staaten sehr verschieden; in den meisten
bis 1848 wenig geschehen; Gesetzgebung und Regierung überließen die Sache
sich selbst; erst mit dem Jahr 1848 durchgreifende Entlastung, indem fast
allenthalben die bisherige freiwillige Ablösung zur Pflicht gemacht, von den
Behörden durchgeführt und durch Rentenbanken die Entschädigung ermöglicht
wird; jedoch steht Deutschland vermöge vieler Ausnahmen noch immer wesent-
lich hinter Frankreich zurück; daher
ein großer Theil der geistigen
Suprematie des französischen Volkes. Nur in Oesterreich ist das Princip der
Entlastung gründlich und vollständig durchgeführt: Patent vom 7. Sept. 1848;
Ausführung durch Patent von 1850 und 1851. Vergl. über die einzelnen
Gesetze besonders Judeich, Grundentlastung; Stein S. 192--234) -- Die
Gemeinheitstheilungen der polizeilichen Epoche (Stein S. 280--285). Die
preußische Theilungsordnung von 1821; der neuere Standpunkt des Gemeinde-
eigenthums (ebend. S. 285--292); Ablösungen und ihr System nebst der
großen Verschiedenheit in den einzelnen Territorien (Stein S. 234--253).

II. Die Enteignung.

Während nun die Entlastungen den Sieg der staatsbürgerlichen
Gesellschaft gegenüber der Geschlechter- und Ständeordnungen begleiten
und vollziehen, erscheint die Enteignung innerhalb der ersteren als Er-
füllung ihres Princips gegenüber dem einzelnen Privatrecht. Sie tritt
da auf, wo ein Einzelrecht die Lebensbedingung der freien Gesellschaft,
die allgemeine Freiheit in Erwerb und Verkehr aufhebt oder hemmt.
Das allgemeine Princip derselben ist daher schon im siebenzehnten Jahr-
hundert anerkannt; im achtzehnten Jahrhundert wird es im polizeilichen
Verordnungswege für einzelne bestimmte Betriebe -- Wasser-, Berg-,
Waldindustrie -- in Anwendung gebracht; im neunzehnten Jahrhundert
wird es als ein Theil des öffentlichen Rechts anerkannt, und damit
entsteht das verfassungsmäßige Enteignungsrecht ("Expropriation" nach
dem ersten systematischen Enteignungsgesetz von Frankreich 1841).
Von da an wird es ein organischer Theil der Wissenschaft und empfängt
sein System und seine Jurisprudenz.

Das Enteignungsrecht zerfällt daher in zwei Theile.

Deutſchlands Entlaſtungsgeſchichte; der theoretiſche Kampf um das
dominium eminens, das Recht der Grundherren, der Bauern, ihrer Hörigkeit
und ihrer Frohnden und Zehnten mit dem achtzehnten Jahrhundert. (Stein
S. 150—178.) Die wirkliche Entlaſtung des neunzehnten Jahrhunderts, ihr
Sieg ſeit 1848 und ihre Geſtalt in Preußen: zwar Aufhebung der Patrimo-
nialjurisdiktion (Verordnung vom 2. Jan. 1849) und Zuläſſigkeit der Ab-
löſungen und definitiven Entlaſtungen; aber zur grundſätzlichen Befreiung
des Bauernſtandes hat ſich Preußen nicht erheben können (Rönne, Staats-
recht I. 53; Laſſalle, Erworbene Rechte I. 133: Judeich, Grundentlaſtung
S. 48, 49. In den übrigen deutſchen Staaten ſehr verſchieden; in den meiſten
bis 1848 wenig geſchehen; Geſetzgebung und Regierung überließen die Sache
ſich ſelbſt; erſt mit dem Jahr 1848 durchgreifende Entlaſtung, indem faſt
allenthalben die bisherige freiwillige Ablöſung zur Pflicht gemacht, von den
Behörden durchgeführt und durch Rentenbanken die Entſchädigung ermöglicht
wird; jedoch ſteht Deutſchland vermöge vieler Ausnahmen noch immer weſent-
lich hinter Frankreich zurück; daher
ein großer Theil der geiſtigen
Suprematie des franzöſiſchen Volkes. Nur in Oeſterreich iſt das Princip der
Entlaſtung gründlich und vollſtändig durchgeführt: Patent vom 7. Sept. 1848;
Ausführung durch Patent von 1850 und 1851. Vergl. über die einzelnen
Geſetze beſonders Judeich, Grundentlaſtung; Stein S. 192—234) — Die
Gemeinheitstheilungen der polizeilichen Epoche (Stein S. 280—285). Die
preußiſche Theilungsordnung von 1821; der neuere Standpunkt des Gemeinde-
eigenthums (ebend. S. 285—292); Ablöſungen und ihr Syſtem nebſt der
großen Verſchiedenheit in den einzelnen Territorien (Stein S. 234—253).

II. Die Enteignung.

Während nun die Entlaſtungen den Sieg der ſtaatsbürgerlichen
Geſellſchaft gegenüber der Geſchlechter- und Ständeordnungen begleiten
und vollziehen, erſcheint die Enteignung innerhalb der erſteren als Er-
füllung ihres Princips gegenüber dem einzelnen Privatrecht. Sie tritt
da auf, wo ein Einzelrecht die Lebensbedingung der freien Geſellſchaft,
die allgemeine Freiheit in Erwerb und Verkehr aufhebt oder hemmt.
Das allgemeine Princip derſelben iſt daher ſchon im ſiebenzehnten Jahr-
hundert anerkannt; im achtzehnten Jahrhundert wird es im polizeilichen
Verordnungswege für einzelne beſtimmte Betriebe — Waſſer-, Berg-,
Waldinduſtrie — in Anwendung gebracht; im neunzehnten Jahrhundert
wird es als ein Theil des öffentlichen Rechts anerkannt, und damit
entſteht das verfaſſungsmäßige Enteignungsrecht („Expropriation“ nach
dem erſten ſyſtematiſchen Enteignungsgeſetz von Frankreich 1841).
Von da an wird es ein organiſcher Theil der Wiſſenſchaft und empfängt
ſein Syſtem und ſeine Jurisprudenz.

Das Enteignungsrecht zerfällt daher in zwei Theile.

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[148/0172] Deutſchlands Entlaſtungsgeſchichte; der theoretiſche Kampf um das dominium eminens, das Recht der Grundherren, der Bauern, ihrer Hörigkeit und ihrer Frohnden und Zehnten mit dem achtzehnten Jahrhundert. (Stein S. 150—178.) Die wirkliche Entlaſtung des neunzehnten Jahrhunderts, ihr Sieg ſeit 1848 und ihre Geſtalt in Preußen: zwar Aufhebung der Patrimo- nialjurisdiktion (Verordnung vom 2. Jan. 1849) und Zuläſſigkeit der Ab- löſungen und definitiven Entlaſtungen; aber zur grundſätzlichen Befreiung des Bauernſtandes hat ſich Preußen nicht erheben können (Rönne, Staats- recht I. 53; Laſſalle, Erworbene Rechte I. 133: Judeich, Grundentlaſtung S. 48, 49. In den übrigen deutſchen Staaten ſehr verſchieden; in den meiſten bis 1848 wenig geſchehen; Geſetzgebung und Regierung überließen die Sache ſich ſelbſt; erſt mit dem Jahr 1848 durchgreifende Entlaſtung, indem faſt allenthalben die bisherige freiwillige Ablöſung zur Pflicht gemacht, von den Behörden durchgeführt und durch Rentenbanken die Entſchädigung ermöglicht wird; jedoch ſteht Deutſchland vermöge vieler Ausnahmen noch immer weſent- lich hinter Frankreich zurück; daher ein großer Theil der geiſtigen Suprematie des franzöſiſchen Volkes. Nur in Oeſterreich iſt das Princip der Entlaſtung gründlich und vollſtändig durchgeführt: Patent vom 7. Sept. 1848; Ausführung durch Patent von 1850 und 1851. Vergl. über die einzelnen Geſetze beſonders Judeich, Grundentlaſtung; Stein S. 192—234) — Die Gemeinheitstheilungen der polizeilichen Epoche (Stein S. 280—285). Die preußiſche Theilungsordnung von 1821; der neuere Standpunkt des Gemeinde- eigenthums (ebend. S. 285—292); Ablöſungen und ihr Syſtem nebſt der großen Verſchiedenheit in den einzelnen Territorien (Stein S. 234—253). II. Die Enteignung. Während nun die Entlaſtungen den Sieg der ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft gegenüber der Geſchlechter- und Ständeordnungen begleiten und vollziehen, erſcheint die Enteignung innerhalb der erſteren als Er- füllung ihres Princips gegenüber dem einzelnen Privatrecht. Sie tritt da auf, wo ein Einzelrecht die Lebensbedingung der freien Geſellſchaft, die allgemeine Freiheit in Erwerb und Verkehr aufhebt oder hemmt. Das allgemeine Princip derſelben iſt daher ſchon im ſiebenzehnten Jahr- hundert anerkannt; im achtzehnten Jahrhundert wird es im polizeilichen Verordnungswege für einzelne beſtimmte Betriebe — Waſſer-, Berg-, Waldinduſtrie — in Anwendung gebracht; im neunzehnten Jahrhundert wird es als ein Theil des öffentlichen Rechts anerkannt, und damit entſteht das verfaſſungsmäßige Enteignungsrecht („Expropriation“ nach dem erſten ſyſtematiſchen Enteignungsgeſetz von Frankreich 1841). Von da an wird es ein organiſcher Theil der Wiſſenſchaft und empfängt ſein Syſtem und ſeine Jurisprudenz. Das Enteignungsrecht zerfällt daher in zwei Theile.

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/172>, abgerufen am 19.11.2024.