wirthschaftlichen Verwaltung enthalten. Das Merkantilsystem sucht die Zukunft und Vollendung aller Volkswirthschaft in dem Erwerb durch den internationalen Verkehr, und erschöpft sich damit in den Principien des Schutzsystems für den Handel nach Außen und der Staatsunter- stützung nach Innen. Das physiokratische System erkennt die Aufgabe der Verwaltung in der Hebung der Urproduktion, und fordert daher die großen Elemente desjenigen, was wir die Landwirth- schaftspflege nennen. Das sogenannte Industriesystem endlich er- kennt in der Arbeit die Quelle alles Wohlstandes, und fordert von der Verwaltung im Namen derselben die Freiheit des Handels und der Gewerbe. So entstehen die großen Principien der wirthschaft- lichen Verwaltung, aber zu einem Systeme wird sie nicht, weil sie nur Eine Seite des Ganzen umfaßt. Unterdessen entwickelt sich in Deutsch- land theoretisch das System des Eudämonismus, dessen Princip die allgemeine Förderung des Volkswohlstandes ist, praktisch die Ver- waltung der Regalien, aus der die Cameralwissenschaft entsteht. Beide unterscheiden sich von dem obigen Systeme dadurch, daß sie das gesammte Gebiet der Volkswirthschaftspflege umfassen; sie sind aber mit ihnen darin wieder gleich, daß auch sie die Volkswirthschaftslehre von der Volkswirthschaftspflege nicht zu scheiden, und daher keinen festen Begriff der letzteren zu finden vermögen. Diese Unklarheit setzt sich bis zu unsrer Zeit fort, indem theils Staats- und Volkswirthschaftspflege in der "Staatswirthschaftslehre" verschmolzen bleiben (Lotz), theils die Verschmelzung mit der reinen Nationalökonomie fortgesetzt wird (Roscher), während in der Polizeiwissenschaft (Mohl) der Eudämonismus eine inhaltsleere Existenz fortsetzt. Die volle Scheidung der Volkswirthschafts- pflege von der Nationalökonomie (Rau) ist dem gegenüber ein großer Fortschritt, hat aber den Begriff der Verwaltung wieder festgehalten. So ist es die Aufgabe unserer Zeit, die wirthschaftliche Verwaltung als organischen Theil des Ganzen, und zugleich als einen selbständigen Organismus aufzufassen und zu entwickeln.
Es gibt noch keine Geschichte der inneren Berwaltung. Mohl, Literatur der Staatswissenschaft hat sich hier ausschließlich auf das Recht der vollziehen- den Gewalt beschränkt; die Geschichte der Nationalökonomie von Kantz u. A. halten die Verschmelzung fest. Die in der Polizeiwissenschaft (Mohl, Pötzl) gegebenen Anfänge sind unentwickelt geblieben (vergl. Stein, wirthschaftliche Verwaltung S. 1--61).
Die Elemente des Systems und des Organismus derselben.
Das System der wirthschaftlichen Verwaltung beruht nun darauf, daß die Verwaltung dasselbe von ihrem Gegenstand empfängt. Das
wirthſchaftlichen Verwaltung enthalten. Das Merkantilſyſtem ſucht die Zukunft und Vollendung aller Volkswirthſchaft in dem Erwerb durch den internationalen Verkehr, und erſchöpft ſich damit in den Principien des Schutzſyſtems für den Handel nach Außen und der Staatsunter- ſtützung nach Innen. Das phyſiokratiſche Syſtem erkennt die Aufgabe der Verwaltung in der Hebung der Urproduktion, und fordert daher die großen Elemente desjenigen, was wir die Landwirth- ſchaftspflege nennen. Das ſogenannte Induſtrieſyſtem endlich er- kennt in der Arbeit die Quelle alles Wohlſtandes, und fordert von der Verwaltung im Namen derſelben die Freiheit des Handels und der Gewerbe. So entſtehen die großen Principien der wirthſchaft- lichen Verwaltung, aber zu einem Syſteme wird ſie nicht, weil ſie nur Eine Seite des Ganzen umfaßt. Unterdeſſen entwickelt ſich in Deutſch- land theoretiſch das Syſtem des Eudämonismus, deſſen Princip die allgemeine Förderung des Volkswohlſtandes iſt, praktiſch die Ver- waltung der Regalien, aus der die Cameralwiſſenſchaft entſteht. Beide unterſcheiden ſich von dem obigen Syſteme dadurch, daß ſie das geſammte Gebiet der Volkswirthſchaftspflege umfaſſen; ſie ſind aber mit ihnen darin wieder gleich, daß auch ſie die Volkswirthſchaftslehre von der Volkswirthſchaftspflege nicht zu ſcheiden, und daher keinen feſten Begriff der letzteren zu finden vermögen. Dieſe Unklarheit ſetzt ſich bis zu unſrer Zeit fort, indem theils Staats- und Volkswirthſchaftspflege in der „Staatswirthſchaftslehre“ verſchmolzen bleiben (Lotz), theils die Verſchmelzung mit der reinen Nationalökonomie fortgeſetzt wird (Roſcher), während in der Polizeiwiſſenſchaft (Mohl) der Eudämonismus eine inhaltsleere Exiſtenz fortſetzt. Die volle Scheidung der Volkswirthſchafts- pflege von der Nationalökonomie (Rau) iſt dem gegenüber ein großer Fortſchritt, hat aber den Begriff der Verwaltung wieder feſtgehalten. So iſt es die Aufgabe unſerer Zeit, die wirthſchaftliche Verwaltung als organiſchen Theil des Ganzen, und zugleich als einen ſelbſtändigen Organismus aufzufaſſen und zu entwickeln.
Es gibt noch keine Geſchichte der inneren Berwaltung. Mohl, Literatur der Staatswiſſenſchaft hat ſich hier ausſchließlich auf das Recht der vollziehen- den Gewalt beſchränkt; die Geſchichte der Nationalökonomie von Kantz u. A. halten die Verſchmelzung feſt. Die in der Polizeiwiſſenſchaft (Mohl, Pötzl) gegebenen Anfänge ſind unentwickelt geblieben (vergl. Stein, wirthſchaftliche Verwaltung S. 1—61).
Die Elemente des Syſtems und des Organismus derſelben.
Das Syſtem der wirthſchaftlichen Verwaltung beruht nun darauf, daß die Verwaltung daſſelbe von ihrem Gegenſtand empfängt. Das
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des Schutzſyſtems für den Handel nach Außen und der Staatsunter-
ſtützung nach Innen. Das phyſiokratiſche Syſtem erkennt die
Aufgabe der Verwaltung in der Hebung der Urproduktion, und fordert
daher die großen Elemente desjenigen, was wir die Landwirth-
ſchaftspflege nennen. Das ſogenannte Induſtrieſyſtem endlich er-
kennt in der Arbeit die Quelle alles Wohlſtandes, und fordert von der
Verwaltung im Namen derſelben die Freiheit des Handels und
der Gewerbe. So entſtehen die großen Principien der wirthſchaft-
lichen Verwaltung, aber zu einem Syſteme wird ſie nicht, weil ſie nur
Eine Seite des Ganzen umfaßt. Unterdeſſen entwickelt ſich in Deutſch-
land theoretiſch das Syſtem des Eudämonismus, deſſen Princip
die allgemeine Förderung des Volkswohlſtandes iſt, praktiſch die Ver-
waltung der Regalien, aus der die Cameralwiſſenſchaft entſteht.
Beide unterſcheiden ſich von dem obigen Syſteme dadurch, daß ſie das
geſammte Gebiet der Volkswirthſchaftspflege umfaſſen; ſie ſind aber
mit ihnen darin wieder gleich, daß auch ſie die Volkswirthſchaftslehre
von der Volkswirthſchaftspflege nicht zu ſcheiden, und daher keinen feſten
Begriff der letzteren zu finden vermögen. Dieſe Unklarheit ſetzt ſich bis
zu unſrer Zeit fort, indem theils Staats- und Volkswirthſchaftspflege
in der „Staatswirthſchaftslehre“ verſchmolzen bleiben (Lotz), theils die
Verſchmelzung mit der reinen Nationalökonomie fortgeſetzt wird (Roſcher),
während in der Polizeiwiſſenſchaft (Mohl) der Eudämonismus eine
inhaltsleere Exiſtenz fortſetzt. Die volle Scheidung der Volkswirthſchafts-
pflege von der Nationalökonomie (Rau) iſt dem gegenüber ein großer
Fortſchritt, hat aber den Begriff der Verwaltung wieder feſtgehalten.
So iſt es die Aufgabe unſerer Zeit, die wirthſchaftliche Verwaltung
als organiſchen Theil des Ganzen, und zugleich als einen ſelbſtändigen
Organismus aufzufaſſen und zu entwickeln.
Es gibt noch keine Geſchichte der inneren Berwaltung. Mohl, Literatur
der Staatswiſſenſchaft hat ſich hier ausſchließlich auf das Recht der vollziehen-
den Gewalt beſchränkt; die Geſchichte der Nationalökonomie von Kantz u. A.
halten die Verſchmelzung feſt. Die in der Polizeiwiſſenſchaft (Mohl, Pötzl)
gegebenen Anfänge ſind unentwickelt geblieben (vergl. Stein, wirthſchaftliche
Verwaltung S. 1—61).
Die Elemente des Syſtems und des Organismus derſelben.
Das Syſtem der wirthſchaftlichen Verwaltung beruht nun darauf,
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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/166>, abgerufen am 19.11.2024.
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