Unter dem Berufe an sich verstehen wir die zum Bewußtsein gekommene besondere Lebensaufgabe des Einzelnen. Der Beruf empfängt seine öffentliche Erscheinung durch die Erklärung des Einzelnen, seine Thätigkeit auch praktisch der Ausübung dieses Berufes widmen zu wollen. Dadurch entsteht der Begriff des Standes im weiteren Sinne, als der Gesammtheit derer, welche einen gemeinsamen Beruf haben. Im engeren Sinne aber bedeutet der Stand diese Gesammtheit, inso- fern sie in irgend einer Weise vom Staate als solche anerkannt ist.
Beruf und Stand sind nun zunächst Sache des Einzelnen und Sache des Einzelnen ist es auch, sich an den für den Beruf gebildeten und vorkommenden Fall zu wenden oder nicht. Allein die Natur des Berufes bringt es mit sich, daß die Einzelnen sich der Berufsgenossen stets in dem Falle bedienen werden, wo es sich um Thätigkeiten han- delt, die der Ausübung des Berufes angehören. So wie das der Fall wird, so wird auch die Fähigkeit der Berufsgenossen für seinen Beruf die Bedingung dafür, daß dem Einzelnen geholfen werde. Je weiter sich nun die Berufe entwickeln, je weniger wird der Einzelne fähig, darüber zu urtheilen, ob jene Fähigkeit vorhanden ist, und je schwie- riger wird es, die Höhe der Berufsbildung sich durch vereinzelte Kraft anzueignen. Demnach wird eben dadurch die Tüchtigkeit des Einzelnen im Berufe eine der großen Voraussetzungen für die Entwicklung des Gesammtlebens. Und hier ist daher der Punkt, wo die Verwaltung eingreift und zugleich das Princip derselben entsteht.
So wie nämlich mit der steigenden Gesittung die Theilung der geistigen Arbeit der Menschen in den Berufen gleichfalls steigt, so wird einerseits die Bildung für den Beruf und zweitens die Gewißheit, daß diese Bildung für die einzelnen Standesgenossen auch wirklich vor- handen sei, eine der großen Bedingungen der Entwicklung des Ge- sammtlebens. Damit entsteht die Aufgabe der Verwaltung des geistigen Lebens, für die Bildungsmittel der Berufe und für das nothwendige Maß derselben ihrerseits zu sorgen; und die Gesammtheit der dafür bestimmten Grundsätze und Einrichtungen der Verwaltung ist das öffentliche Berufsbildungswesen.
Ueber die Begriffsbestimmungen von Beruf und Stand s. Stein, Bildungs- wesen S. 149 ff. Die Begriffe selbst sind wenig untersucht; die Thatsachen bekannt, aber wenig geordnet.
B. Das Berufsbildungsweſen.
Begriff und Princip.
Unter dem Berufe an ſich verſtehen wir die zum Bewußtſein gekommene beſondere Lebensaufgabe des Einzelnen. Der Beruf empfängt ſeine öffentliche Erſcheinung durch die Erklärung des Einzelnen, ſeine Thätigkeit auch praktiſch der Ausübung dieſes Berufes widmen zu wollen. Dadurch entſteht der Begriff des Standes im weiteren Sinne, als der Geſammtheit derer, welche einen gemeinſamen Beruf haben. Im engeren Sinne aber bedeutet der Stand dieſe Geſammtheit, inſo- fern ſie in irgend einer Weiſe vom Staate als ſolche anerkannt iſt.
Beruf und Stand ſind nun zunächſt Sache des Einzelnen und Sache des Einzelnen iſt es auch, ſich an den für den Beruf gebildeten und vorkommenden Fall zu wenden oder nicht. Allein die Natur des Berufes bringt es mit ſich, daß die Einzelnen ſich der Berufsgenoſſen ſtets in dem Falle bedienen werden, wo es ſich um Thätigkeiten han- delt, die der Ausübung des Berufes angehören. So wie das der Fall wird, ſo wird auch die Fähigkeit der Berufsgenoſſen für ſeinen Beruf die Bedingung dafür, daß dem Einzelnen geholfen werde. Je weiter ſich nun die Berufe entwickeln, je weniger wird der Einzelne fähig, darüber zu urtheilen, ob jene Fähigkeit vorhanden iſt, und je ſchwie- riger wird es, die Höhe der Berufsbildung ſich durch vereinzelte Kraft anzueignen. Demnach wird eben dadurch die Tüchtigkeit des Einzelnen im Berufe eine der großen Vorausſetzungen für die Entwicklung des Geſammtlebens. Und hier iſt daher der Punkt, wo die Verwaltung eingreift und zugleich das Princip derſelben entſteht.
So wie nämlich mit der ſteigenden Geſittung die Theilung der geiſtigen Arbeit der Menſchen in den Berufen gleichfalls ſteigt, ſo wird einerſeits die Bildung für den Beruf und zweitens die Gewißheit, daß dieſe Bildung für die einzelnen Standesgenoſſen auch wirklich vor- handen ſei, eine der großen Bedingungen der Entwicklung des Ge- ſammtlebens. Damit entſteht die Aufgabe der Verwaltung des geiſtigen Lebens, für die Bildungsmittel der Berufe und für das nothwendige Maß derſelben ihrerſeits zu ſorgen; und die Geſammtheit der dafür beſtimmten Grundſätze und Einrichtungen der Verwaltung iſt das öffentliche Berufsbildungsweſen.
Ueber die Begriffsbeſtimmungen von Beruf und Stand ſ. Stein, Bildungs- weſen S. 149 ff. Die Begriffe ſelbſt ſind wenig unterſucht; die Thatſachen bekannt, aber wenig geordnet.
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B. Das Berufsbildungsweſen.
Begriff und Princip.
Unter dem Berufe an ſich verſtehen wir die zum Bewußtſein
gekommene beſondere Lebensaufgabe des Einzelnen. Der Beruf empfängt
ſeine öffentliche Erſcheinung durch die Erklärung des Einzelnen, ſeine
Thätigkeit auch praktiſch der Ausübung dieſes Berufes widmen zu
wollen. Dadurch entſteht der Begriff des Standes im weiteren Sinne,
als der Geſammtheit derer, welche einen gemeinſamen Beruf haben.
Im engeren Sinne aber bedeutet der Stand dieſe Geſammtheit, inſo-
fern ſie in irgend einer Weiſe vom Staate als ſolche anerkannt iſt.
Beruf und Stand ſind nun zunächſt Sache des Einzelnen und
Sache des Einzelnen iſt es auch, ſich an den für den Beruf gebildeten
und vorkommenden Fall zu wenden oder nicht. Allein die Natur des
Berufes bringt es mit ſich, daß die Einzelnen ſich der Berufsgenoſſen
ſtets in dem Falle bedienen werden, wo es ſich um Thätigkeiten han-
delt, die der Ausübung des Berufes angehören. So wie das der Fall
wird, ſo wird auch die Fähigkeit der Berufsgenoſſen für ſeinen Beruf
die Bedingung dafür, daß dem Einzelnen geholfen werde. Je weiter
ſich nun die Berufe entwickeln, je weniger wird der Einzelne fähig,
darüber zu urtheilen, ob jene Fähigkeit vorhanden iſt, und je ſchwie-
riger wird es, die Höhe der Berufsbildung ſich durch vereinzelte Kraft
anzueignen. Demnach wird eben dadurch die Tüchtigkeit des Einzelnen
im Berufe eine der großen Vorausſetzungen für die Entwicklung des
Geſammtlebens. Und hier iſt daher der Punkt, wo die Verwaltung
eingreift und zugleich das Princip derſelben entſteht.
So wie nämlich mit der ſteigenden Geſittung die Theilung der
geiſtigen Arbeit der Menſchen in den Berufen gleichfalls ſteigt, ſo wird
einerſeits die Bildung für den Beruf und zweitens die Gewißheit,
daß dieſe Bildung für die einzelnen Standesgenoſſen auch wirklich vor-
handen ſei, eine der großen Bedingungen der Entwicklung des Ge-
ſammtlebens. Damit entſteht die Aufgabe der Verwaltung des geiſtigen
Lebens, für die Bildungsmittel der Berufe und für das nothwendige
Maß derſelben ihrerſeits zu ſorgen; und die Geſammtheit der dafür
beſtimmten Grundſätze und Einrichtungen der Verwaltung iſt das
öffentliche Berufsbildungsweſen.
Ueber die Begriffsbeſtimmungen von Beruf und Stand ſ. Stein, Bildungs-
weſen S. 149 ff. Die Begriffe ſelbſt ſind wenig unterſucht; die Thatſachen
bekannt, aber wenig geordnet.
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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/149>, abgerufen am 19.11.2024.
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