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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870.

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d) Gesundbäder.

Nothwendige Scheidung zwischen Heilbädern (Gesundbrunnen)
und öffentlichen Bädern. Erstere sind ihrer Natur nach Privat-
unternehmungen, deren Benützung die ärztliche Praxis regelt; letztere
sind ein wichtiges Element der Gesundheitspflege, hängen aufs
engste mit der Wasserversorgung zusammen, und werden eine wesent-
liche Aufgabe der künftigen rationellen Selbstverwaltung bilden.

Verwaltungsrechtliche Literatur mangelt, bei großer Fülle der hygie-
nischen. Die französische Gesetzgebung des vorigen Jahrhunderts seit 1772 ist
durch Decret vom 24. Mai 1790 für Frankreich als dauernd anerkannt, mit
strenger polizeilicher Ueberwachung: Block, Eaux minerales. In Deutschland
stehen die Heilbäder meist unter der Gewerbeordnung; mit den öffentlichen Bädern
hat England im Vereinswege begonnen. Wann werden die deutschen Selbst-
verwaltungskörper die Sache in ihre Hand nehmen? Vergl. Stein S. 123--133.

III.
Das Polizeiwesen.
Historische Grundlage.

Bei keinem Theil der Verwaltungslehre ist eine möglichst klare
Begriffsbestimmung so nothwendig als beim Polizeiwesen, weil aus
historischen Gründen bei keinem Theile eine so große Verwirrung der
Auffassung geherrscht hat. Es ist daher auch keine einfach formale
Definition hier möglich, sondern der gegenwärtige Begriff muß histo-
risch entwickelt werden, wie er historisch entstanden ist.

Bis auf unsere Zeit nämlich bedeuten Polizei und Polizeiwesen
eigentlich alle Formen, in denen überhaupt ein Eingreifen der
Regierung in die Verwaltung
stattfindet. Erst mit unsern letzten
Jahrzehnten gewinnt das Wort einen anderen, bestimmten Sinn; es
ward zu einem bestimmten einzelnen Verhältniß zwischen Regierung
und Verwaltung, und erscheint somit als ein Theil der Verwaltungs-
lehre. Der Proceß, durch den das entstanden ist, ist eben die Entwick-
lung des Begriffes des Polizeiwesens.

Die Polizei entsteht nämlich in Wort und Inhalt erst mit der
Entstehung der Regierung, und umfaßt als innere Staatskunst (poli-
teia) im Gegensatz zur "Politik" alle Thätigkeiten derselben. Im
siebzehnten Jahrhundert ward nun aus dieser Polizei eine Wissenschaft;
die junge Rechtsphilosophie versucht, ihr Princip und System im Jus
naturae
zu geben; dieß Princip für die Gesammtheit aller Aufgaben
der immer mächtiger werdenden Regierung ausgedehnt, ist der Eudämo-
nismus; mit ihm aber tritt zugleich die erste Scheidung in dem Begriff

d) Geſundbäder.

Nothwendige Scheidung zwiſchen Heilbädern (Geſundbrunnen)
und öffentlichen Bädern. Erſtere ſind ihrer Natur nach Privat-
unternehmungen, deren Benützung die ärztliche Praxis regelt; letztere
ſind ein wichtiges Element der Geſundheitspflege, hängen aufs
engſte mit der Waſſerverſorgung zuſammen, und werden eine weſent-
liche Aufgabe der künftigen rationellen Selbſtverwaltung bilden.

Verwaltungsrechtliche Literatur mangelt, bei großer Fülle der hygie-
niſchen. Die franzöſiſche Geſetzgebung des vorigen Jahrhunderts ſeit 1772 iſt
durch Decret vom 24. Mai 1790 für Frankreich als dauernd anerkannt, mit
ſtrenger polizeilicher Ueberwachung: Block, Eaux minérales. In Deutſchland
ſtehen die Heilbäder meiſt unter der Gewerbeordnung; mit den öffentlichen Bädern
hat England im Vereinswege begonnen. Wann werden die deutſchen Selbſt-
verwaltungskörper die Sache in ihre Hand nehmen? Vergl. Stein S. 123—133.

III.
Das Polizeiweſen.
Hiſtoriſche Grundlage.

Bei keinem Theil der Verwaltungslehre iſt eine möglichſt klare
Begriffsbeſtimmung ſo nothwendig als beim Polizeiweſen, weil aus
hiſtoriſchen Gründen bei keinem Theile eine ſo große Verwirrung der
Auffaſſung geherrſcht hat. Es iſt daher auch keine einfach formale
Definition hier möglich, ſondern der gegenwärtige Begriff muß hiſto-
riſch entwickelt werden, wie er hiſtoriſch entſtanden iſt.

Bis auf unſere Zeit nämlich bedeuten Polizei und Polizeiweſen
eigentlich alle Formen, in denen überhaupt ein Eingreifen der
Regierung in die Verwaltung
ſtattfindet. Erſt mit unſern letzten
Jahrzehnten gewinnt das Wort einen anderen, beſtimmten Sinn; es
ward zu einem beſtimmten einzelnen Verhältniß zwiſchen Regierung
und Verwaltung, und erſcheint ſomit als ein Theil der Verwaltungs-
lehre. Der Proceß, durch den das entſtanden iſt, iſt eben die Entwick-
lung des Begriffes des Polizeiweſens.

Die Polizei entſteht nämlich in Wort und Inhalt erſt mit der
Entſtehung der Regierung, und umfaßt als innere Staatskunſt (πολι-
τεία) im Gegenſatz zur „Politik“ alle Thätigkeiten derſelben. Im
ſiebzehnten Jahrhundert ward nun aus dieſer Polizei eine Wiſſenſchaft;
die junge Rechtsphiloſophie verſucht, ihr Princip und Syſtem im Jus
naturae
zu geben; dieß Princip für die Geſammtheit aller Aufgaben
der immer mächtiger werdenden Regierung ausgedehnt, iſt der Eudämo-
nismus; mit ihm aber tritt zugleich die erſte Scheidung in dem Begriff

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[95/0119] d) Geſundbäder. Nothwendige Scheidung zwiſchen Heilbädern (Geſundbrunnen) und öffentlichen Bädern. Erſtere ſind ihrer Natur nach Privat- unternehmungen, deren Benützung die ärztliche Praxis regelt; letztere ſind ein wichtiges Element der Geſundheitspflege, hängen aufs engſte mit der Waſſerverſorgung zuſammen, und werden eine weſent- liche Aufgabe der künftigen rationellen Selbſtverwaltung bilden. Verwaltungsrechtliche Literatur mangelt, bei großer Fülle der hygie- niſchen. Die franzöſiſche Geſetzgebung des vorigen Jahrhunderts ſeit 1772 iſt durch Decret vom 24. Mai 1790 für Frankreich als dauernd anerkannt, mit ſtrenger polizeilicher Ueberwachung: Block, Eaux minérales. In Deutſchland ſtehen die Heilbäder meiſt unter der Gewerbeordnung; mit den öffentlichen Bädern hat England im Vereinswege begonnen. Wann werden die deutſchen Selbſt- verwaltungskörper die Sache in ihre Hand nehmen? Vergl. Stein S. 123—133. III. Das Polizeiweſen. Hiſtoriſche Grundlage. Bei keinem Theil der Verwaltungslehre iſt eine möglichſt klare Begriffsbeſtimmung ſo nothwendig als beim Polizeiweſen, weil aus hiſtoriſchen Gründen bei keinem Theile eine ſo große Verwirrung der Auffaſſung geherrſcht hat. Es iſt daher auch keine einfach formale Definition hier möglich, ſondern der gegenwärtige Begriff muß hiſto- riſch entwickelt werden, wie er hiſtoriſch entſtanden iſt. Bis auf unſere Zeit nämlich bedeuten Polizei und Polizeiweſen eigentlich alle Formen, in denen überhaupt ein Eingreifen der Regierung in die Verwaltung ſtattfindet. Erſt mit unſern letzten Jahrzehnten gewinnt das Wort einen anderen, beſtimmten Sinn; es ward zu einem beſtimmten einzelnen Verhältniß zwiſchen Regierung und Verwaltung, und erſcheint ſomit als ein Theil der Verwaltungs- lehre. Der Proceß, durch den das entſtanden iſt, iſt eben die Entwick- lung des Begriffes des Polizeiweſens. Die Polizei entſteht nämlich in Wort und Inhalt erſt mit der Entſtehung der Regierung, und umfaßt als innere Staatskunſt (πολι- τεία) im Gegenſatz zur „Politik“ alle Thätigkeiten derſelben. Im ſiebzehnten Jahrhundert ward nun aus dieſer Polizei eine Wiſſenſchaft; die junge Rechtsphiloſophie verſucht, ihr Princip und Syſtem im Jus naturae zu geben; dieß Princip für die Geſammtheit aller Aufgaben der immer mächtiger werdenden Regierung ausgedehnt, iſt der Eudämo- nismus; mit ihm aber tritt zugleich die erſte Scheidung in dem Begriff

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/119>, abgerufen am 19.11.2024.