Verwaltungsrecht S. 132--160. -- Eine Art von internationalem Ehe- recht zwischen den deutschen Staaten durch die Gothaer Convention vom 15. Juli 1851; Princip: keine Ehe der Angehörigen eines Staates mit dem eines andern gestattet "ohne Consens der Heimathbehörde." (!) Zu dem Vertrage sind 1853--1854 die übrigen deutschen Staaten hinzugetreten, 1860 am 15. November auch Oesterreich; über die von demselben vorgeschlagenen Modalitäten eine Bundestagscommission vom 25. Juli 1862 ohne Erfolg. Zöpfl, deutsches Staatsrecht II. §. 477. Specielle Darstellung der "unzu- lässigen Beschränkungen des Rechts der Verehelichung" von Fr. Thudichum, 1866. Ausführlich über das süddeutsche Gemeindeconsensrecht, nebst Literatur.
II. Das Einwanderungswesen.
Während der bloß zeitliche Aufenthalt einer Person außerhalb ihrer Heimath den Begriff des Fremdenwesens, der dauernde, aber bloß zum Zwecke des Erwerbes, also jeden Augenblick zu ändernde Aufent- halt das Niederlassungswesen erzeugt, ist die Einwanderung vielmehr der Akt, durch welchen der Fremde mit seinem ganzen staats- bürgerlichen Leben in einen neuen Staat eintritt. Sie steht daher in unmittelbarer Beziehung zur Bevölkerung, und die Gesammtheit der daraus hervorgehenden Maßregeln und Rechtssätze für die Einwande- rung bilden das Einwanderungswesen.
Das Einwanderungswesen enthält daher zuerst die rechtlichen Be- stimmungen, welche durch den Eintritt eines fremden Mitgliedes in die bisherige gesellschaftliche Ordnung hervorgerufen werden. Dann aber erscheint dasselbe als eine positive Maßregel der Verwaltung für die Vermehrung der Bevölkerung.
Bis zum Eintritt der polizeilichen Verwaltung sind nun die ersteren Bestimmungen allein maßgebend gewesen. In der Geschlechterordnung erscheint alle Einwanderung nur als förmliche Aufnahme in den be- stehenden Geschlechterverband und seine öffentlichen Rechte. In der ständischen Ordnung wird die Einwanderung zunächst durch Erwerb von Grundbesitz, dann durch Berufung als Aufnahme in den berufsmäßigen ständischen Körper (Geistlichkeit, Hochschulen, dann Beamtete) vollzogen. In den städtischen Gemeinden endlich ist ursprünglich die Niederlassung auf dem Weichbild identisch mit der Einwanderung (Schutz- und Pfahl- bürger); später vollzieht sie sich erst durch Erwerb von Grundbesitz oder durch Aufnahme in die Zünfte. Mit dem Streben nach Vermehrung der Bevölkerung haben alle diese Rechtsfolgen noch nichts zu thun.
Die polizeiliche Verwaltung, ausgehend von der Vermehrung der Bevölkerung als Grundlage der Entwicklung des Staats, macht nun aus der Einwanderung eine förmliche Aufgabe der Verwaltung, und so entsteht das auf die Vermehrung der Einwanderung berechnete
Verwaltungsrecht S. 132—160. — Eine Art von internationalem Ehe- recht zwiſchen den deutſchen Staaten durch die Gothaer Convention vom 15. Juli 1851; Princip: keine Ehe der Angehörigen eines Staates mit dem eines andern geſtattet „ohne Conſens der Heimathbehörde.“ (!) Zu dem Vertrage ſind 1853—1854 die übrigen deutſchen Staaten hinzugetreten, 1860 am 15. November auch Oeſterreich; über die von demſelben vorgeſchlagenen Modalitäten eine Bundestagscommiſſion vom 25. Juli 1862 ohne Erfolg. Zöpfl, deutſches Staatsrecht II. §. 477. Specielle Darſtellung der „unzu- läſſigen Beſchränkungen des Rechts der Verehelichung“ von Fr. Thudichum, 1866. Ausführlich über das ſüddeutſche Gemeindeconſensrecht, nebſt Literatur.
II. Das Einwanderungsweſen.
Während der bloß zeitliche Aufenthalt einer Perſon außerhalb ihrer Heimath den Begriff des Fremdenweſens, der dauernde, aber bloß zum Zwecke des Erwerbes, alſo jeden Augenblick zu ändernde Aufent- halt das Niederlaſſungsweſen erzeugt, iſt die Einwanderung vielmehr der Akt, durch welchen der Fremde mit ſeinem ganzen ſtaats- bürgerlichen Leben in einen neuen Staat eintritt. Sie ſteht daher in unmittelbarer Beziehung zur Bevölkerung, und die Geſammtheit der daraus hervorgehenden Maßregeln und Rechtsſätze für die Einwande- rung bilden das Einwanderungsweſen.
Das Einwanderungsweſen enthält daher zuerſt die rechtlichen Be- ſtimmungen, welche durch den Eintritt eines fremden Mitgliedes in die bisherige geſellſchaftliche Ordnung hervorgerufen werden. Dann aber erſcheint daſſelbe als eine poſitive Maßregel der Verwaltung für die Vermehrung der Bevölkerung.
Bis zum Eintritt der polizeilichen Verwaltung ſind nun die erſteren Beſtimmungen allein maßgebend geweſen. In der Geſchlechterordnung erſcheint alle Einwanderung nur als förmliche Aufnahme in den be- ſtehenden Geſchlechterverband und ſeine öffentlichen Rechte. In der ſtändiſchen Ordnung wird die Einwanderung zunächſt durch Erwerb von Grundbeſitz, dann durch Berufung als Aufnahme in den berufsmäßigen ſtändiſchen Körper (Geiſtlichkeit, Hochſchulen, dann Beamtete) vollzogen. In den ſtädtiſchen Gemeinden endlich iſt urſprünglich die Niederlaſſung auf dem Weichbild identiſch mit der Einwanderung (Schutz- und Pfahl- bürger); ſpäter vollzieht ſie ſich erſt durch Erwerb von Grundbeſitz oder durch Aufnahme in die Zünfte. Mit dem Streben nach Vermehrung der Bevölkerung haben alle dieſe Rechtsfolgen noch nichts zu thun.
Die polizeiliche Verwaltung, ausgehend von der Vermehrung der Bevölkerung als Grundlage der Entwicklung des Staats, macht nun aus der Einwanderung eine förmliche Aufgabe der Verwaltung, und ſo entſteht das auf die Vermehrung der Einwanderung berechnete
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15. Juli 1851; Princip: keine Ehe der Angehörigen eines Staates mit dem
eines andern geſtattet „ohne Conſens der Heimathbehörde.“ (!) Zu dem
Vertrage ſind 1853—1854 die übrigen deutſchen Staaten hinzugetreten, 1860
am 15. November auch Oeſterreich; über die von demſelben vorgeſchlagenen
Modalitäten eine Bundestagscommiſſion vom 25. Juli 1862 ohne Erfolg.
Zöpfl, deutſches Staatsrecht II. §. 477. Specielle Darſtellung der „unzu-
läſſigen Beſchränkungen des Rechts der Verehelichung“ von Fr. Thudichum,
1866. Ausführlich über das ſüddeutſche Gemeindeconſensrecht, nebſt Literatur.
II. Das Einwanderungsweſen.
Während der bloß zeitliche Aufenthalt einer Perſon außerhalb ihrer
Heimath den Begriff des Fremdenweſens, der dauernde, aber bloß
zum Zwecke des Erwerbes, alſo jeden Augenblick zu ändernde Aufent-
halt das Niederlaſſungsweſen erzeugt, iſt die Einwanderung
vielmehr der Akt, durch welchen der Fremde mit ſeinem ganzen ſtaats-
bürgerlichen Leben in einen neuen Staat eintritt. Sie ſteht daher in
unmittelbarer Beziehung zur Bevölkerung, und die Geſammtheit der
daraus hervorgehenden Maßregeln und Rechtsſätze für die Einwande-
rung bilden das Einwanderungsweſen.
Das Einwanderungsweſen enthält daher zuerſt die rechtlichen Be-
ſtimmungen, welche durch den Eintritt eines fremden Mitgliedes in die
bisherige geſellſchaftliche Ordnung hervorgerufen werden. Dann aber
erſcheint daſſelbe als eine poſitive Maßregel der Verwaltung für die
Vermehrung der Bevölkerung.
Bis zum Eintritt der polizeilichen Verwaltung ſind nun die erſteren
Beſtimmungen allein maßgebend geweſen. In der Geſchlechterordnung
erſcheint alle Einwanderung nur als förmliche Aufnahme in den be-
ſtehenden Geſchlechterverband und ſeine öffentlichen Rechte. In der
ſtändiſchen Ordnung wird die Einwanderung zunächſt durch Erwerb von
Grundbeſitz, dann durch Berufung als Aufnahme in den berufsmäßigen
ſtändiſchen Körper (Geiſtlichkeit, Hochſchulen, dann Beamtete) vollzogen.
In den ſtädtiſchen Gemeinden endlich iſt urſprünglich die Niederlaſſung
auf dem Weichbild identiſch mit der Einwanderung (Schutz- und Pfahl-
bürger); ſpäter vollzieht ſie ſich erſt durch Erwerb von Grundbeſitz oder
durch Aufnahme in die Zünfte. Mit dem Streben nach Vermehrung
der Bevölkerung haben alle dieſe Rechtsfolgen noch nichts zu thun.
Die polizeiliche Verwaltung, ausgehend von der Vermehrung der
Bevölkerung als Grundlage der Entwicklung des Staats, macht nun
aus der Einwanderung eine förmliche Aufgabe der Verwaltung, und
ſo entſteht das auf die Vermehrung der Einwanderung berechnete
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Stein, Lorenz von: Handbuch der Verwaltungslehre und des Verwaltungsrechts: mit Vergleichung der Literatur und Gesetzgebung von Frankreich, England und Deutschland; als Grundlage für Vorlesungen. Stuttgart, 1870, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_handbuch_1870/100>, abgerufen am 19.11.2024.
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