Capitel VI. Ein neues Capitel und lauter neue Dinge.
Im Hause des Herrn Sesemann in Frankfurt lag das kranke Töchterlein, Klara, in dem bequemen Rollstuhl, in welchem es den ganzen Tag sich aufhielt und von einem Zimmer in's andere gestoßen wurde. Jetzt saß es im so¬ genannten Studierzimmer, das neben der großen Eßstube lag und wo vielerlei Geräthschaften herumstanden und lagen, die das Zimmer wohnlich machten und zeigten, daß man hier gewöhnlich sich aufhielt. An dem großen, schönen Bücherschrank mit den Glasthüren konnte man sehen, woher das Zimmer seinen Namen hatte, und daß es wohl der Raum war, wo dem lahmen Töchterchen der tägliche Unter¬ richt ertheilt wurde.
Klara hatte ein blasses, schmales Gesichtchen, aus dem zwei milde, blaue Augen herausschauten, die in diesem Augenblick auf die große Wanduhr gerichtet waren, die heute besonders langsam zu gehen schien, denn Klara, die sonst
Capitel VI. Ein neues Capitel und lauter neue Dinge.
Im Hauſe des Herrn Seſemann in Frankfurt lag das kranke Töchterlein, Klara, in dem bequemen Rollſtuhl, in welchem es den ganzen Tag ſich aufhielt und von einem Zimmer in's andere geſtoßen wurde. Jetzt ſaß es im ſo¬ genannten Studierzimmer, das neben der großen Eßſtube lag und wo vielerlei Geräthſchaften herumſtanden und lagen, die das Zimmer wohnlich machten und zeigten, daß man hier gewöhnlich ſich aufhielt. An dem großen, ſchönen Bücherſchrank mit den Glasthüren konnte man ſehen, woher das Zimmer ſeinen Namen hatte, und daß es wohl der Raum war, wo dem lahmen Töchterchen der tägliche Unter¬ richt ertheilt wurde.
Klara hatte ein blaſſes, ſchmales Geſichtchen, aus dem zwei milde, blaue Augen herausſchauten, die in dieſem Augenblick auf die große Wanduhr gerichtet waren, die heute beſonders langſam zu gehen ſchien, denn Klara, die ſonſt
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[0099]
Capitel VI.
Ein neues Capitel und lauter neue Dinge.
Im Hauſe des Herrn Seſemann in Frankfurt lag das
kranke Töchterlein, Klara, in dem bequemen Rollſtuhl, in
welchem es den ganzen Tag ſich aufhielt und von einem
Zimmer in's andere geſtoßen wurde. Jetzt ſaß es im ſo¬
genannten Studierzimmer, das neben der großen Eßſtube
lag und wo vielerlei Geräthſchaften herumſtanden und lagen,
die das Zimmer wohnlich machten und zeigten, daß man
hier gewöhnlich ſich aufhielt. An dem großen, ſchönen
Bücherſchrank mit den Glasthüren konnte man ſehen, woher
das Zimmer ſeinen Namen hatte, und daß es wohl der
Raum war, wo dem lahmen Töchterchen der tägliche Unter¬
richt ertheilt wurde.
Klara hatte ein blaſſes, ſchmales Geſichtchen, aus dem
zwei milde, blaue Augen herausſchauten, die in dieſem
Augenblick auf die große Wanduhr gerichtet waren, die heute
beſonders langſam zu gehen ſchien, denn Klara, die ſonſt
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Spyri, Johanna: Heidi's Lehr- und Wanderjahre. Gotha, 1880, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spyri_heidi_1880/99>, abgerufen am 24.02.2025.
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