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Sprengel, Christian Konrad: Das entdeckte Geheimniss der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen. Berlin, 1793.

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Viola.

Die Blume wird von Blasenfüßen häufig besucht, deren ich
in einem Exemplar wohl sechs fand; indessen glaube ich nicht,
daß sie von diesen, sondern von grösseren Insekten befruchtet
wird.

Wann die Blume verblühet ist, so ändert der Stiel seine
Gestalt nicht, bis die Frucht völlig reif geworden ist. Wann
dieses geschehen ist, so streckt er sich grade, und die Frucht steht
aufrecht: Bey schönem warmen Wetter, besonders in den Mit-
tagsstunden, platzt dieselbe auf, und theilt sich in drey nachen-
förmige inwendig glatte horizontal stehende Valveln, deren jede
eine Anzahl glatter Samen enthält. Je mehr diese Valveln von
der Sonnenhitze ausgetrocknet werden, eine desto stärkere Kraft
bekommen sie, sich zu schließen, desto stärker drücken sie folglich
die Samen. Sie sprengen also mit ziemlicher Kraft und mit ei-
nem kleinen Schall ein Samenkorn nach dem andern heraus,
und binnen einer halben Stunde ist die Kapsel leer. Daß sowohl
die Valveln inwendig, als auch die Samenkörner glatt seyn müs-
sen, sieht ein jeder leicht ein. Eben so leicht begreift man,
warum sich der Fruchtstiel zuletzt grade streckt. Denn die daraus
entstehende horizontale Stellung der Valveln ist grade diejenige,
in welcher dieselben die Samenkörner am weitsten fortschleudern
können. Bliebe hingegen der Stiel oberwärts gekrümmt, so hät-
ten die Valveln zwar auch eine fast horizontale Stellung; weil
sie aber alsdenn ihre Oeffnung der Erde zukehrten, so wäre dieses
die zweckwidrigste Stellung, die sie nur immer haben könnten.
Denn in diesem Fall würden die Samenkörner mit einer gewissen
Kraft in einer fast perpendikulären Direktion auf die Erde gewor-
fen, und folglich nicht weiter von der Pflanze entfernt werden,
als wenn sie herausfielen, und jene Kraft würde also ganz ver-
gebens seyn. In dem ersten wirklich existirenden Fall aber
werden sie in die Höhe geschleudert, und fallen hierauf wieder
herab, so daß sie durch ihre Bewegung einen Bogen beschreiben;
sie werden folglich von der Mutterpflanze weit entfernt.

Viola mirabilis. Diese Art habe ich noch nicht zu sehen,
viel weniger zu beobachten Gelegenheit gehabt, welches ich, we-
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Viola. Impatiens.
gen ihrer ganz besonderen Einrichtung, sehr wünschte. Sie un-
terscheidet sich nemlich von allen ihren Mitarten dadurch, daß
ihre am Stengel befindliche Blumen keine Krone haben, und
Samen tragen, hingegen die an der Wurzel befindlichen Blumen
eine Krone haben, aber keinen Samen hervorbringen. Diese
sind also männlichen, jene vermuthlich weiblichen Geschlechts.
Diese Blumen bestätigen also auf eine auffallende Art dasjenige,
was ich oben bey der Valeriana dioeca gesagt habe. Denn da
die männlichen Blumen eine Krone haben, die weiblichen aber
nicht, so begeben sich die Insekten natürlicherweise zuerst auf
jene, weil dieselben ihnen stärker in die Augen fallen, und dann
auf diese, und befruchten auf solche Art die letzteren mit dem aus
den ersteren mitgebrachten Staube.

Impatiens.

Impatiens Balsamina. Balsamine.

1. 2. Das Horn, in welches sich der dütenförmige Körper
endigt, ist nicht nur der Safthalter, sondern sein Ende ist auch
die Saftdrüse. Denn dasselbe ist schwielicht, und auswendig,
noch mehr aber inwendig gelb.

4. Das Saftmaal ist der gelbe Fleck, mit welchem die innere
Seite des dütenförmigen Körpers in der Mitte geziert ist. Wenn
man in die Blume hineinsieht, so fällt einem derselbe sogleich in
die Augen. Dieses Saftmaal ist nun zwar an der schicklichsten
Stelle angebracht; indessen ist doch das sonderbar, daß es sich
nicht bis an die Oeffnung des Horns erstreckt, wie man wegen
der gewöhnlichen Einrichtung anderer Saftblumen erwarten sollte,
sondern nur ein kleiner isolirter Fleck ist.

5. Die Blume wird von Blasenfußen, desgleichen von Hum-
meln besucht. Daß sie von den letzteren befruchtet werde, daran
zweifle ich um so viel weniger, da auch bey ihr, wenn ich nicht
sehr irre, die männlich-weibliche Dichogamie Statt findet. Ich
hatte nur Gelegenheit einige blühende Pflanzen flüchtig zu betrach-
ten, und fand, daß die untersten älteren Blumen die Staubge-
fäße verloren hatten.


[Spaltenumbruch]
Viola.

Die Blume wird von Blaſenfuͤßen haͤufig beſucht, deren ich
in einem Exemplar wohl ſechs fand; indeſſen glaube ich nicht,
daß ſie von dieſen, ſondern von groͤſſeren Inſekten befruchtet
wird.

Wann die Blume verbluͤhet iſt, ſo aͤndert der Stiel ſeine
Geſtalt nicht, bis die Frucht voͤllig reif geworden iſt. Wann
dieſes geſchehen iſt, ſo ſtreckt er ſich grade, und die Frucht ſteht
aufrecht: Bey ſchoͤnem warmen Wetter, beſonders in den Mit-
tagsſtunden, platzt dieſelbe auf, und theilt ſich in drey nachen-
foͤrmige inwendig glatte horizontal ſtehende Valveln, deren jede
eine Anzahl glatter Samen enthaͤlt. Je mehr dieſe Valveln von
der Sonnenhitze ausgetrocknet werden, eine deſto ſtaͤrkere Kraft
bekommen ſie, ſich zu ſchließen, deſto ſtaͤrker druͤcken ſie folglich
die Samen. Sie ſprengen alſo mit ziemlicher Kraft und mit ei-
nem kleinen Schall ein Samenkorn nach dem andern heraus,
und binnen einer halben Stunde iſt die Kapſel leer. Daß ſowohl
die Valveln inwendig, als auch die Samenkoͤrner glatt ſeyn muͤſ-
ſen, ſieht ein jeder leicht ein. Eben ſo leicht begreift man,
warum ſich der Fruchtſtiel zuletzt grade ſtreckt. Denn die daraus
entſtehende horizontale Stellung der Valveln iſt grade diejenige,
in welcher dieſelben die Samenkoͤrner am weitſten fortſchleudern
koͤnnen. Bliebe hingegen der Stiel oberwaͤrts gekruͤmmt, ſo haͤt-
ten die Valveln zwar auch eine faſt horizontale Stellung; weil
ſie aber alsdenn ihre Oeffnung der Erde zukehrten, ſo waͤre dieſes
die zweckwidrigſte Stellung, die ſie nur immer haben koͤnnten.
Denn in dieſem Fall wuͤrden die Samenkoͤrner mit einer gewiſſen
Kraft in einer faſt perpendikulaͤren Direktion auf die Erde gewor-
fen, und folglich nicht weiter von der Pflanze entfernt werden,
als wenn ſie herausfielen, und jene Kraft wuͤrde alſo ganz ver-
gebens ſeyn. In dem erſten wirklich exiſtirenden Fall aber
werden ſie in die Hoͤhe geſchleudert, und fallen hierauf wieder
herab, ſo daß ſie durch ihre Bewegung einen Bogen beſchreiben;
ſie werden folglich von der Mutterpflanze weit entfernt.

Viola mirabilis. Dieſe Art habe ich noch nicht zu ſehen,
viel weniger zu beobachten Gelegenheit gehabt, welches ich, we-
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Viola. Impatiens.
gen ihrer ganz beſonderen Einrichtung, ſehr wuͤnſchte. Sie un-
terſcheidet ſich nemlich von allen ihren Mitarten dadurch, daß
ihre am Stengel befindliche Blumen keine Krone haben, und
Samen tragen, hingegen die an der Wurzel befindlichen Blumen
eine Krone haben, aber keinen Samen hervorbringen. Dieſe
ſind alſo maͤnnlichen, jene vermuthlich weiblichen Geſchlechts.
Dieſe Blumen beſtaͤtigen alſo auf eine auffallende Art dasjenige,
was ich oben bey der Valeriana dioeca geſagt habe. Denn da
die maͤnnlichen Blumen eine Krone haben, die weiblichen aber
nicht, ſo begeben ſich die Inſekten natuͤrlicherweiſe zuerſt auf
jene, weil dieſelben ihnen ſtaͤrker in die Augen fallen, und dann
auf dieſe, und befruchten auf ſolche Art die letzteren mit dem aus
den erſteren mitgebrachten Staube.

Impatiens.

Impatiens Balſamina. Balſamine.

1. 2. Das Horn, in welches ſich der duͤtenfoͤrmige Koͤrper
endigt, iſt nicht nur der Safthalter, ſondern ſein Ende iſt auch
die Saftdruͤſe. Denn daſſelbe iſt ſchwielicht, und auswendig,
noch mehr aber inwendig gelb.

4. Das Saftmaal iſt der gelbe Fleck, mit welchem die innere
Seite des duͤtenfoͤrmigen Koͤrpers in der Mitte geziert iſt. Wenn
man in die Blume hineinſieht, ſo faͤllt einem derſelbe ſogleich in
die Augen. Dieſes Saftmaal iſt nun zwar an der ſchicklichſten
Stelle angebracht; indeſſen iſt doch das ſonderbar, daß es ſich
nicht bis an die Oeffnung des Horns erſtreckt, wie man wegen
der gewoͤhnlichen Einrichtung anderer Saftblumen erwarten ſollte,
ſondern nur ein kleiner iſolirter Fleck iſt.

5. Die Blume wird von Blaſenfußen, desgleichen von Hum-
meln beſucht. Daß ſie von den letzteren befruchtet werde, daran
zweifle ich um ſo viel weniger, da auch bey ihr, wenn ich nicht
ſehr irre, die maͤnnlich-weibliche Dichogamie Statt findet. Ich
hatte nur Gelegenheit einige bluͤhende Pflanzen fluͤchtig zu betrach-
ten, und fand, daß die unterſten aͤlteren Blumen die Staubge-
faͤße verloren hatten.


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[[212]/0212] Viola. Viola. Impatiens. Die Blume wird von Blaſenfuͤßen haͤufig beſucht, deren ich in einem Exemplar wohl ſechs fand; indeſſen glaube ich nicht, daß ſie von dieſen, ſondern von groͤſſeren Inſekten befruchtet wird. Wann die Blume verbluͤhet iſt, ſo aͤndert der Stiel ſeine Geſtalt nicht, bis die Frucht voͤllig reif geworden iſt. Wann dieſes geſchehen iſt, ſo ſtreckt er ſich grade, und die Frucht ſteht aufrecht: Bey ſchoͤnem warmen Wetter, beſonders in den Mit- tagsſtunden, platzt dieſelbe auf, und theilt ſich in drey nachen- foͤrmige inwendig glatte horizontal ſtehende Valveln, deren jede eine Anzahl glatter Samen enthaͤlt. Je mehr dieſe Valveln von der Sonnenhitze ausgetrocknet werden, eine deſto ſtaͤrkere Kraft bekommen ſie, ſich zu ſchließen, deſto ſtaͤrker druͤcken ſie folglich die Samen. Sie ſprengen alſo mit ziemlicher Kraft und mit ei- nem kleinen Schall ein Samenkorn nach dem andern heraus, und binnen einer halben Stunde iſt die Kapſel leer. Daß ſowohl die Valveln inwendig, als auch die Samenkoͤrner glatt ſeyn muͤſ- ſen, ſieht ein jeder leicht ein. Eben ſo leicht begreift man, warum ſich der Fruchtſtiel zuletzt grade ſtreckt. Denn die daraus entſtehende horizontale Stellung der Valveln iſt grade diejenige, in welcher dieſelben die Samenkoͤrner am weitſten fortſchleudern koͤnnen. Bliebe hingegen der Stiel oberwaͤrts gekruͤmmt, ſo haͤt- ten die Valveln zwar auch eine faſt horizontale Stellung; weil ſie aber alsdenn ihre Oeffnung der Erde zukehrten, ſo waͤre dieſes die zweckwidrigſte Stellung, die ſie nur immer haben koͤnnten. Denn in dieſem Fall wuͤrden die Samenkoͤrner mit einer gewiſſen Kraft in einer faſt perpendikulaͤren Direktion auf die Erde gewor- fen, und folglich nicht weiter von der Pflanze entfernt werden, als wenn ſie herausfielen, und jene Kraft wuͤrde alſo ganz ver- gebens ſeyn. In dem erſten wirklich exiſtirenden Fall aber werden ſie in die Hoͤhe geſchleudert, und fallen hierauf wieder herab, ſo daß ſie durch ihre Bewegung einen Bogen beſchreiben; ſie werden folglich von der Mutterpflanze weit entfernt. Viola mirabilis. Dieſe Art habe ich noch nicht zu ſehen, viel weniger zu beobachten Gelegenheit gehabt, welches ich, we- gen ihrer ganz beſonderen Einrichtung, ſehr wuͤnſchte. Sie un- terſcheidet ſich nemlich von allen ihren Mitarten dadurch, daß ihre am Stengel befindliche Blumen keine Krone haben, und Samen tragen, hingegen die an der Wurzel befindlichen Blumen eine Krone haben, aber keinen Samen hervorbringen. Dieſe ſind alſo maͤnnlichen, jene vermuthlich weiblichen Geſchlechts. Dieſe Blumen beſtaͤtigen alſo auf eine auffallende Art dasjenige, was ich oben bey der Valeriana dioeca geſagt habe. Denn da die maͤnnlichen Blumen eine Krone haben, die weiblichen aber nicht, ſo begeben ſich die Inſekten natuͤrlicherweiſe zuerſt auf jene, weil dieſelben ihnen ſtaͤrker in die Augen fallen, und dann auf dieſe, und befruchten auf ſolche Art die letzteren mit dem aus den erſteren mitgebrachten Staube. Impatiens. Impatiens Balſamina. Balſamine. 1. 2. Das Horn, in welches ſich der duͤtenfoͤrmige Koͤrper endigt, iſt nicht nur der Safthalter, ſondern ſein Ende iſt auch die Saftdruͤſe. Denn daſſelbe iſt ſchwielicht, und auswendig, noch mehr aber inwendig gelb. 4. Das Saftmaal iſt der gelbe Fleck, mit welchem die innere Seite des duͤtenfoͤrmigen Koͤrpers in der Mitte geziert iſt. Wenn man in die Blume hineinſieht, ſo faͤllt einem derſelbe ſogleich in die Augen. Dieſes Saftmaal iſt nun zwar an der ſchicklichſten Stelle angebracht; indeſſen iſt doch das ſonderbar, daß es ſich nicht bis an die Oeffnung des Horns erſtreckt, wie man wegen der gewoͤhnlichen Einrichtung anderer Saftblumen erwarten ſollte, ſondern nur ein kleiner iſolirter Fleck iſt. 5. Die Blume wird von Blaſenfußen, desgleichen von Hum- meln beſucht. Daß ſie von den letzteren befruchtet werde, daran zweifle ich um ſo viel weniger, da auch bey ihr, wenn ich nicht ſehr irre, die maͤnnlich-weibliche Dichogamie Statt findet. Ich hatte nur Gelegenheit einige bluͤhende Pflanzen fluͤchtig zu betrach- ten, und fand, daß die unterſten aͤlteren Blumen die Staubge- faͤße verloren hatten.

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Zitationshilfe: Sprengel, Christian Konrad: Das entdeckte Geheimniss der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen. Berlin, 1793, S. [212]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sprengel_blumen_1793/212>, abgerufen am 21.11.2024.