Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sprengel, Christian Konrad: Das entdeckte Geheimniss der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen. Berlin, 1793.

Bild:
<< vorherige Seite
[Spaltenumbruch]
Helleborus.

Die Saftmaschinen sind die Saftdrüsen und zugleich die
Safthalter. Sie sitzen auf einem kurzen Stiel, damit sie nicht
von den Staubgesäßen zu sehr verdeckt werden, und sind gelb-
grün, damit sie gegen die weiße Farbe der Krone etwas abstechen.
Beides dient dazu, daß die Insekten dieselben desto leichter fin-
den. Gegen den Regen ist der Saft dadurch gesichert, daß die
Blume der Erde zugekehrt ist, und eine etwas konkave Krone hat,
und daß die Saftmaschinen in dem Winkel zwischen den Staubge-
fäßen und den Kronenblättern stehen.

Wann die Blume zu blühen anfängt, so stehen die Staub-
gefäße dicht um die Fruchtknoten herum, und die Antheren sind
noch geschlossen. Darauf fängt die äußerste Reihe derselben an,
sich von den übrigen zu entfernen, zu verlängern, und dicht an
die Saftmaschinen anzulegen, und indem dies geschieht, öffnen
sich ihre Antheren. Will also ein grösseres Insekt in die Saft-
maschinen hineinkriechen, oder seinen Saugerüssel hineinstecken,
so muß es nothwendig den Staub von den Antheren abstreifen.
Hierauf legt sich die folgende Reihe der Staubgefäße an die Saft-
maschinen an, und öffnet die Antheren, und eben dies thun nach
und nach die übrigen. Damit nun aber die vordersten schon ver-
blüheten Antheren den hinter ihnen befindlichen blühenden nicht
im Wege stehen, und verhindern, daß die Insekten diese berüh-
ren, so ragen diese über jene hinweg, weil die Filamente, deren
Antheren verblühet sind, sich wieder verkürzen. So sieht man
in Fig. 21., daß die blühende Anthere b höher steht, als die in
der Mitte befindlichen noch nicht blühenden, und als die schon
verblühete a. Wegen dieser Einrichtung ist es sehr wahrscheinlich,
daß die Befruchtung durch Insekten geschieht.

Kehrt man die 21. Figur um, so sieht man die Blume un-
gefähr in ihrer natürlichen Stellung. Da also die Stigmate
niedriger stehen, als die Antheren, so könnte man glauben, daß
der Staub der letzteren auf die ersteren leicht fallen könne, ent-
weder von selbst, oder wenigstens, indem ein Insekt die An-
theren berührt. Allein dies ist gar nicht wahrscheinlich, weil
die Stigmate theils sehr klein, thells nicht den Antheren zu-
gekehrt, sondern größtentheils von denselben abgewendet sind,
folglich es sich selten fügen würde, daß Staub auf dieselben fiele.
Nehmen wir aber an, daß ein großes Insekt mit seinem bestäub-
ten Körper die Stigmate berührt, so wird dasselbe durch ihre
Kleinheit im geringsten nicht verhindert, sie mit Staube zu ver-
sehen.

Welches Insekt die Blume befruchte, und auf welche Art
es den Staub auf die Stigmate bringe, weiß ich nicht. Ich
habe noch niemals ein grösseres Insekt auf derselben angetroffen,
aber eben so wenig habe ich auch jemals eine mit guten und reifen
[Spaltenumbruch]

Helleborus. Caltha.
Samenkörnern versehene Samenkapsel gefunden. Das Letztere
halte ich für eine natürliche Folge des Ersteren.

Die Blume fängt im Herbst an zu blühen, und blühet den
Winter hindurch bis zum Anfang des Frühjahrs. So fand ich
sie z. B. im Jahr 1788 am 6. März noch blüheud, und am
20. September schon wieder blühend. Ihre Bestimmung scheint
zu seyn, daß, wenn während der kalten Jahreszeit schöne und
gelinde Tage einfallen, an welchen die Insekten sich aus ihren
Winterwohnungen begeben, sie denselben einige Nahrung ver-
schaffe. Vielleicht ist sie für die Bienen bestimmt, welche unge-
duldig auf dergleichen Tage zu warten scheinen, und an denselben
zum Vorschein kommen, wann schon seit langer Zeit in ihren
Wohnungen und um dieselben eine todte Stille geherrscht hat.

Helleborus viridis. Grüne Niesewurz. Tab. XV.
39. 40. Eine Saftmaschine von der Seite und von innen. Bis
an die punktirte Linie ist dieselbe mit Saft angefüllt.

Durch die Farbe unterscheiden sich die Saftmaschinen nicht
von der Krone, sondern sie sind grün, wie diese. Der Saft ist
vor dem Regen sehr wohl verwahrt, weil die Oeffnung der wei-
ten Saftmaschinen sehr eng, und die Blume der Erde zugekehrt
ist. Bienen habe ich häufig auf derselben angetroffen, es schien
aber, daß sie bloß Staub sammleten. Auch auf dieser Art habe
ich noch niemals reife mit guten Samenkörnern angefüllte Sa-
menkapseln angetroffen.

Caltha.

Caltha palustris. Kuhblume. Tab. XV. 38. 41.

41. Die etwas vergrösserte junge Blume, von oben ge-
sehen.

38. Die Pistille, in deren Winkeln unterwärts die Saft-
tröpfchen sitzen.

Nachdem ich diese Blume lange für saftleer gehalten hatte,
so verursachte es mir ein nicht geringes Vergnügen, als ich den
Saft endlich entdeckte.

1. Jeder Fruchtknoten hat nicht weit über seiner Basis auf
beiden Seiten einen weißlichen Fleck, welcher eine Saftdrüse ist.

2. Der Saft sitzt in dem Winkel jeder zwey nächsten Frucht-
knoten auf den Saftdrüsen. Weil die Antheren dicker sind, als
die Filamente, so ist zwischen den Fruchtknoten und den nächsten
Filamenten ein kleiner Zwischenraum vorhanden, in welchem so-
wohl die Safttröpfchen, als auch kleine Insekten Platz genug
haben.

3. Die Safttröpfchen sind vor dem Regen wohl verwahrt.
Denn die Antheren, welche höher stehen, als dieselben, füllen
den ganzen Raum zwischen den Fruchtknoten und den Kronen-

T 3
[Spaltenumbruch]
Helleborus.

Die Saftmaſchinen ſind die Saftdruͤſen und zugleich die
Safthalter. Sie ſitzen auf einem kurzen Stiel, damit ſie nicht
von den Staubgeſaͤßen zu ſehr verdeckt werden, und ſind gelb-
gruͤn, damit ſie gegen die weiße Farbe der Krone etwas abſtechen.
Beides dient dazu, daß die Inſekten dieſelben deſto leichter fin-
den. Gegen den Regen iſt der Saft dadurch geſichert, daß die
Blume der Erde zugekehrt iſt, und eine etwas konkave Krone hat,
und daß die Saftmaſchinen in dem Winkel zwiſchen den Staubge-
faͤßen und den Kronenblaͤttern ſtehen.

Wann die Blume zu bluͤhen anfaͤngt, ſo ſtehen die Staub-
gefaͤße dicht um die Fruchtknoten herum, und die Antheren ſind
noch geſchloſſen. Darauf faͤngt die aͤußerſte Reihe derſelben an,
ſich von den uͤbrigen zu entfernen, zu verlaͤngern, und dicht an
die Saftmaſchinen anzulegen, und indem dies geſchieht, oͤffnen
ſich ihre Antheren. Will alſo ein groͤſſeres Inſekt in die Saft-
maſchinen hineinkriechen, oder ſeinen Saugeruͤſſel hineinſtecken,
ſo muß es nothwendig den Staub von den Antheren abſtreifen.
Hierauf legt ſich die folgende Reihe der Staubgefaͤße an die Saft-
maſchinen an, und oͤffnet die Antheren, und eben dies thun nach
und nach die uͤbrigen. Damit nun aber die vorderſten ſchon ver-
bluͤheten Antheren den hinter ihnen befindlichen bluͤhenden nicht
im Wege ſtehen, und verhindern, daß die Inſekten dieſe beruͤh-
ren, ſo ragen dieſe uͤber jene hinweg, weil die Filamente, deren
Antheren verbluͤhet ſind, ſich wieder verkuͤrzen. So ſieht man
in Fig. 21., daß die bluͤhende Anthere b hoͤher ſteht, als die in
der Mitte befindlichen noch nicht bluͤhenden, und als die ſchon
verbluͤhete a. Wegen dieſer Einrichtung iſt es ſehr wahrſcheinlich,
daß die Befruchtung durch Inſekten geſchieht.

Kehrt man die 21. Figur um, ſo ſieht man die Blume un-
gefaͤhr in ihrer natuͤrlichen Stellung. Da alſo die Stigmate
niedriger ſtehen, als die Antheren, ſo koͤnnte man glauben, daß
der Staub der letzteren auf die erſteren leicht fallen koͤnne, ent-
weder von ſelbſt, oder wenigſtens, indem ein Inſekt die An-
theren beruͤhrt. Allein dies iſt gar nicht wahrſcheinlich, weil
die Stigmate theils ſehr klein, thells nicht den Antheren zu-
gekehrt, ſondern groͤßtentheils von denſelben abgewendet ſind,
folglich es ſich ſelten fuͤgen wuͤrde, daß Staub auf dieſelben fiele.
Nehmen wir aber an, daß ein großes Inſekt mit ſeinem beſtaͤub-
ten Koͤrper die Stigmate beruͤhrt, ſo wird daſſelbe durch ihre
Kleinheit im geringſten nicht verhindert, ſie mit Staube zu ver-
ſehen.

Welches Inſekt die Blume befruchte, und auf welche Art
es den Staub auf die Stigmate bringe, weiß ich nicht. Ich
habe noch niemals ein groͤſſeres Inſekt auf derſelben angetroffen,
aber eben ſo wenig habe ich auch jemals eine mit guten und reifen
[Spaltenumbruch]

Helleborus. Caltha.
Samenkoͤrnern verſehene Samenkapſel gefunden. Das Letztere
halte ich fuͤr eine natuͤrliche Folge des Erſteren.

Die Blume faͤngt im Herbſt an zu bluͤhen, und bluͤhet den
Winter hindurch bis zum Anfang des Fruͤhjahrs. So fand ich
ſie z. B. im Jahr 1788 am 6. Maͤrz noch bluͤheud, und am
20. September ſchon wieder bluͤhend. Ihre Beſtimmung ſcheint
zu ſeyn, daß, wenn waͤhrend der kalten Jahreszeit ſchoͤne und
gelinde Tage einfallen, an welchen die Inſekten ſich aus ihren
Winterwohnungen begeben, ſie denſelben einige Nahrung ver-
ſchaffe. Vielleicht iſt ſie fuͤr die Bienen beſtimmt, welche unge-
duldig auf dergleichen Tage zu warten ſcheinen, und an denſelben
zum Vorſchein kommen, wann ſchon ſeit langer Zeit in ihren
Wohnungen und um dieſelben eine todte Stille geherrſcht hat.

Helleborus viridis. Gruͤne Nieſewurz. Tab. XV.
39. 40. Eine Saftmaſchine von der Seite und von innen. Bis
an die punktirte Linie iſt dieſelbe mit Saft angefuͤllt.

Durch die Farbe unterſcheiden ſich die Saftmaſchinen nicht
von der Krone, ſondern ſie ſind gruͤn, wie dieſe. Der Saft iſt
vor dem Regen ſehr wohl verwahrt, weil die Oeffnung der wei-
ten Saftmaſchinen ſehr eng, und die Blume der Erde zugekehrt
iſt. Bienen habe ich haͤufig auf derſelben angetroffen, es ſchien
aber, daß ſie bloß Staub ſammleten. Auch auf dieſer Art habe
ich noch niemals reife mit guten Samenkoͤrnern angefuͤllte Sa-
menkapſeln angetroffen.

Caltha.

Caltha paluſtris. Kuhblume. Tab. XV. 38. 41.

41. Die etwas vergroͤſſerte junge Blume, von oben ge-
ſehen.

38. Die Piſtille, in deren Winkeln unterwaͤrts die Saft-
troͤpfchen ſitzen.

Nachdem ich dieſe Blume lange fuͤr ſaftleer gehalten hatte,
ſo verurſachte es mir ein nicht geringes Vergnuͤgen, als ich den
Saft endlich entdeckte.

1. Jeder Fruchtknoten hat nicht weit uͤber ſeiner Baſis auf
beiden Seiten einen weißlichen Fleck, welcher eine Saftdruͤſe iſt.

2. Der Saft ſitzt in dem Winkel jeder zwey naͤchſten Frucht-
knoten auf den Saftdruͤſen. Weil die Antheren dicker ſind, als
die Filamente, ſo iſt zwiſchen den Fruchtknoten und den naͤchſten
Filamenten ein kleiner Zwiſchenraum vorhanden, in welchem ſo-
wohl die Safttroͤpfchen, als auch kleine Inſekten Platz genug
haben.

3. Die Safttroͤpfchen ſind vor dem Regen wohl verwahrt.
Denn die Antheren, welche hoͤher ſtehen, als dieſelben, fuͤllen
den ganzen Raum zwiſchen den Fruchtknoten und den Kronen-

T 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0161" n="[161]"/>
          <cb n="297"/><lb/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#aq">Helleborus.</hi> </fw><lb/>
          <p>Die Saftma&#x017F;chinen &#x017F;ind die Saftdru&#x0364;&#x017F;en und zugleich die<lb/>
Safthalter. Sie &#x017F;itzen auf einem kurzen Stiel, damit &#x017F;ie nicht<lb/>
von den Staubge&#x017F;a&#x0364;ßen zu &#x017F;ehr verdeckt werden, und &#x017F;ind gelb-<lb/>
gru&#x0364;n, damit &#x017F;ie gegen die weiße Farbe der Krone etwas ab&#x017F;techen.<lb/>
Beides dient dazu, daß die In&#x017F;ekten die&#x017F;elben de&#x017F;to leichter fin-<lb/>
den. Gegen den Regen i&#x017F;t der Saft dadurch ge&#x017F;ichert, daß die<lb/>
Blume der Erde zugekehrt i&#x017F;t, und eine etwas konkave Krone hat,<lb/>
und daß die Saftma&#x017F;chinen in dem Winkel zwi&#x017F;chen den Staubge-<lb/>
fa&#x0364;ßen und den Kronenbla&#x0364;ttern &#x017F;tehen.</p><lb/>
          <p>Wann die Blume zu blu&#x0364;hen anfa&#x0364;ngt, &#x017F;o &#x017F;tehen die Staub-<lb/>
gefa&#x0364;ße dicht um die Fruchtknoten herum, und die Antheren &#x017F;ind<lb/>
noch ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en. Darauf fa&#x0364;ngt die a&#x0364;ußer&#x017F;te Reihe der&#x017F;elben an,<lb/>
&#x017F;ich von den u&#x0364;brigen zu entfernen, zu verla&#x0364;ngern, und dicht an<lb/>
die Saftma&#x017F;chinen anzulegen, und indem dies ge&#x017F;chieht, o&#x0364;ffnen<lb/>
&#x017F;ich ihre Antheren. Will al&#x017F;o ein gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;eres In&#x017F;ekt in die Saft-<lb/>
ma&#x017F;chinen hineinkriechen, oder &#x017F;einen Saugeru&#x0364;&#x017F;&#x017F;el hinein&#x017F;tecken,<lb/>
&#x017F;o muß es nothwendig den Staub von den Antheren ab&#x017F;treifen.<lb/>
Hierauf legt &#x017F;ich die folgende Reihe der Staubgefa&#x0364;ße an die Saft-<lb/>
ma&#x017F;chinen an, und o&#x0364;ffnet die Antheren, und eben dies thun nach<lb/>
und nach die u&#x0364;brigen. Damit nun aber die vorder&#x017F;ten &#x017F;chon ver-<lb/>
blu&#x0364;heten Antheren den hinter ihnen befindlichen blu&#x0364;henden nicht<lb/>
im Wege &#x017F;tehen, und verhindern, daß die In&#x017F;ekten die&#x017F;e beru&#x0364;h-<lb/>
ren, &#x017F;o ragen die&#x017F;e u&#x0364;ber jene hinweg, weil die Filamente, deren<lb/>
Antheren verblu&#x0364;het &#x017F;ind, &#x017F;ich wieder verku&#x0364;rzen. So &#x017F;ieht man<lb/>
in Fig. 21., daß die blu&#x0364;hende Anthere <hi rendition="#aq">b</hi> ho&#x0364;her &#x017F;teht, als die in<lb/>
der Mitte befindlichen noch nicht blu&#x0364;henden, und als die &#x017F;chon<lb/>
verblu&#x0364;hete <hi rendition="#aq">a.</hi> Wegen die&#x017F;er Einrichtung i&#x017F;t es &#x017F;ehr wahr&#x017F;cheinlich,<lb/>
daß die Befruchtung durch In&#x017F;ekten ge&#x017F;chieht.</p><lb/>
          <p>Kehrt man die 21. Figur um, &#x017F;o &#x017F;ieht man die Blume un-<lb/>
gefa&#x0364;hr in ihrer natu&#x0364;rlichen Stellung. Da al&#x017F;o die Stigmate<lb/>
niedriger &#x017F;tehen, als die Antheren, &#x017F;o ko&#x0364;nnte man glauben, daß<lb/>
der Staub der letzteren auf die er&#x017F;teren leicht fallen ko&#x0364;nne, ent-<lb/>
weder von &#x017F;elb&#x017F;t, oder wenig&#x017F;tens, indem ein In&#x017F;ekt die An-<lb/>
theren beru&#x0364;hrt. Allein dies i&#x017F;t gar nicht wahr&#x017F;cheinlich, weil<lb/>
die Stigmate theils &#x017F;ehr klein, thells nicht den Antheren zu-<lb/>
gekehrt, &#x017F;ondern gro&#x0364;ßtentheils von den&#x017F;elben abgewendet &#x017F;ind,<lb/>
folglich es &#x017F;ich &#x017F;elten fu&#x0364;gen wu&#x0364;rde, daß Staub auf die&#x017F;elben fiele.<lb/>
Nehmen wir aber an, daß ein großes In&#x017F;ekt mit &#x017F;einem be&#x017F;ta&#x0364;ub-<lb/>
ten Ko&#x0364;rper die Stigmate beru&#x0364;hrt, &#x017F;o wird da&#x017F;&#x017F;elbe durch ihre<lb/>
Kleinheit im gering&#x017F;ten nicht verhindert, &#x017F;ie mit Staube zu ver-<lb/>
&#x017F;ehen.</p><lb/>
          <p>Welches In&#x017F;ekt die Blume befruchte, und auf welche Art<lb/>
es den Staub auf die Stigmate bringe, weiß ich nicht. Ich<lb/>
habe noch niemals ein gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;eres In&#x017F;ekt auf der&#x017F;elben angetroffen,<lb/>
aber eben &#x017F;o wenig habe ich auch jemals eine mit guten und reifen<lb/><cb n="298"/><lb/>
<fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">Helleborus. Caltha.</hi></fw><lb/>
Samenko&#x0364;rnern ver&#x017F;ehene Samenkap&#x017F;el gefunden. Das Letztere<lb/>
halte ich fu&#x0364;r eine natu&#x0364;rliche Folge des Er&#x017F;teren.</p><lb/>
          <p>Die Blume fa&#x0364;ngt im Herb&#x017F;t an zu blu&#x0364;hen, und blu&#x0364;het den<lb/>
Winter hindurch bis zum Anfang des Fru&#x0364;hjahrs. So fand ich<lb/>
&#x017F;ie z. B. im Jahr 1788 am 6. Ma&#x0364;rz noch blu&#x0364;heud, und am<lb/>
20. September &#x017F;chon wieder blu&#x0364;hend. Ihre Be&#x017F;timmung &#x017F;cheint<lb/>
zu &#x017F;eyn, daß, wenn wa&#x0364;hrend der kalten Jahreszeit &#x017F;cho&#x0364;ne und<lb/>
gelinde Tage einfallen, an welchen die In&#x017F;ekten &#x017F;ich aus ihren<lb/>
Winterwohnungen begeben, &#x017F;ie den&#x017F;elben einige Nahrung ver-<lb/>
&#x017F;chaffe. Vielleicht i&#x017F;t &#x017F;ie fu&#x0364;r die Bienen be&#x017F;timmt, welche unge-<lb/>
duldig auf dergleichen Tage zu warten &#x017F;cheinen, und an den&#x017F;elben<lb/>
zum Vor&#x017F;chein kommen, wann &#x017F;chon &#x017F;eit langer Zeit in ihren<lb/>
Wohnungen und um die&#x017F;elben eine todte Stille geherr&#x017F;cht hat.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g"><hi rendition="#aq">Helleborus viridis.</hi></hi> Gru&#x0364;ne Nie&#x017F;ewurz. <hi rendition="#aq">Tab. XV.</hi><lb/>
39. 40. Eine Saftma&#x017F;chine von der Seite und von innen. Bis<lb/>
an die punktirte Linie i&#x017F;t die&#x017F;elbe mit Saft angefu&#x0364;llt.</p><lb/>
          <p>Durch die Farbe unter&#x017F;cheiden &#x017F;ich die Saftma&#x017F;chinen nicht<lb/>
von der Krone, &#x017F;ondern &#x017F;ie &#x017F;ind gru&#x0364;n, wie die&#x017F;e. Der Saft i&#x017F;t<lb/>
vor dem Regen &#x017F;ehr wohl verwahrt, weil die Oeffnung der wei-<lb/>
ten Saftma&#x017F;chinen &#x017F;ehr eng, und die Blume der Erde zugekehrt<lb/>
i&#x017F;t. Bienen habe ich ha&#x0364;ufig auf der&#x017F;elben angetroffen, es &#x017F;chien<lb/>
aber, daß &#x017F;ie bloß Staub &#x017F;ammleten. Auch auf die&#x017F;er Art habe<lb/>
ich noch niemals reife mit guten Samenko&#x0364;rnern angefu&#x0364;llte Sa-<lb/>
menkap&#x017F;eln angetroffen.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#i"> <hi rendition="#aq">Caltha.</hi> </hi> </head><lb/>
          <p><hi rendition="#g"><hi rendition="#aq">Caltha palu&#x017F;tris.</hi></hi> Kuhblume. <hi rendition="#aq">Tab. XV.</hi> 38. 41.</p><lb/>
          <p>41. Die etwas vergro&#x0364;&#x017F;&#x017F;erte junge Blume, von oben ge-<lb/>
&#x017F;ehen.</p><lb/>
          <p>38. Die Pi&#x017F;tille, in deren Winkeln unterwa&#x0364;rts die Saft-<lb/>
tro&#x0364;pfchen &#x017F;itzen.</p><lb/>
          <p>Nachdem ich die&#x017F;e Blume lange fu&#x0364;r &#x017F;aftleer gehalten hatte,<lb/>
&#x017F;o verur&#x017F;achte es mir ein nicht geringes Vergnu&#x0364;gen, als ich den<lb/>
Saft endlich entdeckte.</p><lb/>
          <p>1. Jeder Fruchtknoten hat nicht weit u&#x0364;ber &#x017F;einer Ba&#x017F;is auf<lb/>
beiden Seiten einen weißlichen Fleck, welcher eine Saftdru&#x0364;&#x017F;e i&#x017F;t.</p><lb/>
          <p>2. Der Saft &#x017F;itzt in dem Winkel jeder zwey na&#x0364;ch&#x017F;ten Frucht-<lb/>
knoten auf den Saftdru&#x0364;&#x017F;en. Weil die Antheren dicker &#x017F;ind, als<lb/>
die Filamente, &#x017F;o i&#x017F;t zwi&#x017F;chen den Fruchtknoten und den na&#x0364;ch&#x017F;ten<lb/>
Filamenten ein kleiner Zwi&#x017F;chenraum vorhanden, in welchem &#x017F;o-<lb/>
wohl die Safttro&#x0364;pfchen, als auch kleine In&#x017F;ekten Platz genug<lb/>
haben.</p><lb/>
          <p>3. Die Safttro&#x0364;pfchen &#x017F;ind vor dem Regen wohl verwahrt.<lb/>
Denn die Antheren, welche ho&#x0364;her &#x017F;tehen, als die&#x017F;elben, fu&#x0364;llen<lb/>
den ganzen Raum zwi&#x017F;chen den Fruchtknoten und den Kronen-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">T 3</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[161]/0161] Helleborus. Helleborus. Caltha. Die Saftmaſchinen ſind die Saftdruͤſen und zugleich die Safthalter. Sie ſitzen auf einem kurzen Stiel, damit ſie nicht von den Staubgeſaͤßen zu ſehr verdeckt werden, und ſind gelb- gruͤn, damit ſie gegen die weiße Farbe der Krone etwas abſtechen. Beides dient dazu, daß die Inſekten dieſelben deſto leichter fin- den. Gegen den Regen iſt der Saft dadurch geſichert, daß die Blume der Erde zugekehrt iſt, und eine etwas konkave Krone hat, und daß die Saftmaſchinen in dem Winkel zwiſchen den Staubge- faͤßen und den Kronenblaͤttern ſtehen. Wann die Blume zu bluͤhen anfaͤngt, ſo ſtehen die Staub- gefaͤße dicht um die Fruchtknoten herum, und die Antheren ſind noch geſchloſſen. Darauf faͤngt die aͤußerſte Reihe derſelben an, ſich von den uͤbrigen zu entfernen, zu verlaͤngern, und dicht an die Saftmaſchinen anzulegen, und indem dies geſchieht, oͤffnen ſich ihre Antheren. Will alſo ein groͤſſeres Inſekt in die Saft- maſchinen hineinkriechen, oder ſeinen Saugeruͤſſel hineinſtecken, ſo muß es nothwendig den Staub von den Antheren abſtreifen. Hierauf legt ſich die folgende Reihe der Staubgefaͤße an die Saft- maſchinen an, und oͤffnet die Antheren, und eben dies thun nach und nach die uͤbrigen. Damit nun aber die vorderſten ſchon ver- bluͤheten Antheren den hinter ihnen befindlichen bluͤhenden nicht im Wege ſtehen, und verhindern, daß die Inſekten dieſe beruͤh- ren, ſo ragen dieſe uͤber jene hinweg, weil die Filamente, deren Antheren verbluͤhet ſind, ſich wieder verkuͤrzen. So ſieht man in Fig. 21., daß die bluͤhende Anthere b hoͤher ſteht, als die in der Mitte befindlichen noch nicht bluͤhenden, und als die ſchon verbluͤhete a. Wegen dieſer Einrichtung iſt es ſehr wahrſcheinlich, daß die Befruchtung durch Inſekten geſchieht. Kehrt man die 21. Figur um, ſo ſieht man die Blume un- gefaͤhr in ihrer natuͤrlichen Stellung. Da alſo die Stigmate niedriger ſtehen, als die Antheren, ſo koͤnnte man glauben, daß der Staub der letzteren auf die erſteren leicht fallen koͤnne, ent- weder von ſelbſt, oder wenigſtens, indem ein Inſekt die An- theren beruͤhrt. Allein dies iſt gar nicht wahrſcheinlich, weil die Stigmate theils ſehr klein, thells nicht den Antheren zu- gekehrt, ſondern groͤßtentheils von denſelben abgewendet ſind, folglich es ſich ſelten fuͤgen wuͤrde, daß Staub auf dieſelben fiele. Nehmen wir aber an, daß ein großes Inſekt mit ſeinem beſtaͤub- ten Koͤrper die Stigmate beruͤhrt, ſo wird daſſelbe durch ihre Kleinheit im geringſten nicht verhindert, ſie mit Staube zu ver- ſehen. Welches Inſekt die Blume befruchte, und auf welche Art es den Staub auf die Stigmate bringe, weiß ich nicht. Ich habe noch niemals ein groͤſſeres Inſekt auf derſelben angetroffen, aber eben ſo wenig habe ich auch jemals eine mit guten und reifen Samenkoͤrnern verſehene Samenkapſel gefunden. Das Letztere halte ich fuͤr eine natuͤrliche Folge des Erſteren. Die Blume faͤngt im Herbſt an zu bluͤhen, und bluͤhet den Winter hindurch bis zum Anfang des Fruͤhjahrs. So fand ich ſie z. B. im Jahr 1788 am 6. Maͤrz noch bluͤheud, und am 20. September ſchon wieder bluͤhend. Ihre Beſtimmung ſcheint zu ſeyn, daß, wenn waͤhrend der kalten Jahreszeit ſchoͤne und gelinde Tage einfallen, an welchen die Inſekten ſich aus ihren Winterwohnungen begeben, ſie denſelben einige Nahrung ver- ſchaffe. Vielleicht iſt ſie fuͤr die Bienen beſtimmt, welche unge- duldig auf dergleichen Tage zu warten ſcheinen, und an denſelben zum Vorſchein kommen, wann ſchon ſeit langer Zeit in ihren Wohnungen und um dieſelben eine todte Stille geherrſcht hat. Helleborus viridis. Gruͤne Nieſewurz. Tab. XV. 39. 40. Eine Saftmaſchine von der Seite und von innen. Bis an die punktirte Linie iſt dieſelbe mit Saft angefuͤllt. Durch die Farbe unterſcheiden ſich die Saftmaſchinen nicht von der Krone, ſondern ſie ſind gruͤn, wie dieſe. Der Saft iſt vor dem Regen ſehr wohl verwahrt, weil die Oeffnung der wei- ten Saftmaſchinen ſehr eng, und die Blume der Erde zugekehrt iſt. Bienen habe ich haͤufig auf derſelben angetroffen, es ſchien aber, daß ſie bloß Staub ſammleten. Auch auf dieſer Art habe ich noch niemals reife mit guten Samenkoͤrnern angefuͤllte Sa- menkapſeln angetroffen. Caltha. Caltha paluſtris. Kuhblume. Tab. XV. 38. 41. 41. Die etwas vergroͤſſerte junge Blume, von oben ge- ſehen. 38. Die Piſtille, in deren Winkeln unterwaͤrts die Saft- troͤpfchen ſitzen. Nachdem ich dieſe Blume lange fuͤr ſaftleer gehalten hatte, ſo verurſachte es mir ein nicht geringes Vergnuͤgen, als ich den Saft endlich entdeckte. 1. Jeder Fruchtknoten hat nicht weit uͤber ſeiner Baſis auf beiden Seiten einen weißlichen Fleck, welcher eine Saftdruͤſe iſt. 2. Der Saft ſitzt in dem Winkel jeder zwey naͤchſten Frucht- knoten auf den Saftdruͤſen. Weil die Antheren dicker ſind, als die Filamente, ſo iſt zwiſchen den Fruchtknoten und den naͤchſten Filamenten ein kleiner Zwiſchenraum vorhanden, in welchem ſo- wohl die Safttroͤpfchen, als auch kleine Inſekten Platz genug haben. 3. Die Safttroͤpfchen ſind vor dem Regen wohl verwahrt. Denn die Antheren, welche hoͤher ſtehen, als dieſelben, fuͤllen den ganzen Raum zwiſchen den Fruchtknoten und den Kronen- T 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sprengel_blumen_1793
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sprengel_blumen_1793/161
Zitationshilfe: Sprengel, Christian Konrad: Das entdeckte Geheimniss der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen. Berlin, 1793, S. [161]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sprengel_blumen_1793/161>, abgerufen am 21.11.2024.