Die Unterredung zwischen der Baronin und ihrem Gemal dauerte eine geraume Zeit, aber Anna-Maria war heute nicht glücklich in ihren diplomatischen Be¬ mühungen. Eben so wenig wie sie im Stande gewe¬ sen war, den Stolz ihrer Tochter zu beugen, ver¬ mochte sie den sonst so fügsamen Gatten diesmal zu ihren Ansichten zu bekehren. Es ist, eine bekannte Erfahrung, daß sehr nachgiebige und lenkbare Naturen in manchen Punkten sehr starr und eigensinnig sein können. Es ist, als ob sich der überall geschlagene, überlistete, überrumpelte Wille auf diese Punkte, wie in uneinnehmbare Festungen geworfen habe, um sich dort bis aufs Aeußerste zu vertheidigen. Die Baro¬ nin hatte das in den langen Jahren ihrer Herrschaft schon mehr wie einmal erfahren. Hin und wieder hatte sich in dem Gatten, der ihrer höheren Einsicht sonst so blindlings vertraute, der mit einer Art von
Dreizehntes Kapitel.
Die Unterredung zwiſchen der Baronin und ihrem Gemal dauerte eine geraume Zeit, aber Anna-Maria war heute nicht glücklich in ihren diplomatiſchen Be¬ mühungen. Eben ſo wenig wie ſie im Stande gewe¬ ſen war, den Stolz ihrer Tochter zu beugen, ver¬ mochte ſie den ſonſt ſo fügſamen Gatten diesmal zu ihren Anſichten zu bekehren. Es iſt, eine bekannte Erfahrung, daß ſehr nachgiebige und lenkbare Naturen in manchen Punkten ſehr ſtarr und eigenſinnig ſein können. Es iſt, als ob ſich der überall geſchlagene, überliſtete, überrumpelte Wille auf dieſe Punkte, wie in uneinnehmbare Feſtungen geworfen habe, um ſich dort bis aufs Aeußerſte zu vertheidigen. Die Baro¬ nin hatte das in den langen Jahren ihrer Herrſchaft ſchon mehr wie einmal erfahren. Hin und wieder hatte ſich in dem Gatten, der ihrer höheren Einſicht ſonſt ſo blindlings vertraute, der mit einer Art von
<TEI><text><body><pbfacs="#f0226"n="[216]"/><divn="1"><head><hirendition="#b">Dreizehntes Kapitel.</hi><lb/></head><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Die Unterredung zwiſchen der Baronin und ihrem<lb/>
Gemal dauerte eine geraume Zeit, aber Anna-Maria<lb/>
war heute nicht glücklich in ihren diplomatiſchen Be¬<lb/>
mühungen. Eben ſo wenig wie ſie im Stande gewe¬<lb/>ſen war, den Stolz ihrer Tochter zu beugen, ver¬<lb/>
mochte ſie den ſonſt ſo fügſamen Gatten diesmal zu<lb/>
ihren Anſichten zu bekehren. Es iſt, eine bekannte<lb/>
Erfahrung, daß ſehr nachgiebige und lenkbare Naturen<lb/>
in manchen Punkten ſehr ſtarr und eigenſinnig ſein<lb/>
können. Es iſt, als ob ſich der überall geſchlagene,<lb/>
überliſtete, überrumpelte Wille auf dieſe Punkte, wie<lb/>
in uneinnehmbare Feſtungen geworfen habe, um ſich<lb/>
dort bis aufs Aeußerſte zu vertheidigen. Die Baro¬<lb/>
nin hatte das in den langen Jahren ihrer Herrſchaft<lb/>ſchon mehr wie einmal erfahren. Hin und wieder<lb/>
hatte ſich in dem Gatten, der ihrer höheren Einſicht<lb/>ſonſt ſo blindlings vertraute, der mit einer Art von<lb/></p></div></body></text></TEI>
[[216]/0226]
Dreizehntes Kapitel.
Die Unterredung zwiſchen der Baronin und ihrem
Gemal dauerte eine geraume Zeit, aber Anna-Maria
war heute nicht glücklich in ihren diplomatiſchen Be¬
mühungen. Eben ſo wenig wie ſie im Stande gewe¬
ſen war, den Stolz ihrer Tochter zu beugen, ver¬
mochte ſie den ſonſt ſo fügſamen Gatten diesmal zu
ihren Anſichten zu bekehren. Es iſt, eine bekannte
Erfahrung, daß ſehr nachgiebige und lenkbare Naturen
in manchen Punkten ſehr ſtarr und eigenſinnig ſein
können. Es iſt, als ob ſich der überall geſchlagene,
überliſtete, überrumpelte Wille auf dieſe Punkte, wie
in uneinnehmbare Feſtungen geworfen habe, um ſich
dort bis aufs Aeußerſte zu vertheidigen. Die Baro¬
nin hatte das in den langen Jahren ihrer Herrſchaft
ſchon mehr wie einmal erfahren. Hin und wieder
hatte ſich in dem Gatten, der ihrer höheren Einſicht
ſonſt ſo blindlings vertraute, der mit einer Art von
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861, S. [216]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861/226>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.