verstehen, wie die einfalt des buchstabens mit sich bringet. Fassets jemand nicht, so trage ich gedult damit. Von N. person und werck ist mir das wenigste nicht be- kant: die materie wie der titel lauten solle, ist wichtig, aber gefährlich. Der HErr regiere ihn mit seinem Heil. Geist, nichts da er zu bauen gedencket, unvorsichtig da- durch nieder zu schlagen.
6. Nov. 1688.
SECTIO XXVII. Wie der verdacht papismi und socinia nismi aus der lehr der gottseligkeit abzuwenden. Was mit bürgern und studiosis, wo sie unvorsichtig handeln/ vorzunehmen. Von der kinderzucht: wie schädlich dero allzugrosse strenge seye. Von einem collegio der frommen zu an- derer bekehrung.
WAs das anligen, so aber nicht einerley in sich fasset, betrifft, will mein hertz vor GOtt hiemit bey geliebten bruder aufrichtig ausschütten, und wie ich darinnen nichts als des HERRN ehre, der kirchen bestes und sein heyl suche, versichere mich, daß derjenige, deme diese absichten angenehm sind, gna- de seinen willen zu erkennen geben werde. 1. Klagt derselbe, daß er Papismi und Socinianismi verdächtig anfange zu werden, ob er wol nicht ausdruckt, aus was ursachen oder vorwandt, ohne daß ich davor halte, es werde daher kommen, daß derselbe auf den thätigen glauben und dessen krafft in dem leben treibet: denn ich habe bis daher gnug erfahren, daß keiner diese wichtigste lehre wird anfangen mit ernst vortragen, daß er nicht alsobald/ und solches gemeiniglich von unsers or- dens leuten, die die wahre evangelische lehr von der rechtfertigung entweder nicht verstehen, oder selbs bößlich verkehren, den verdacht aufs wenigste eines heimli- chen Papisten tragen müste: wie geliebter bruder weißt, wie mirs nicht anders ge- gangen ist. Solchen verdacht aber rathe ich zu verachten, und gleichwol auch nicht zu verachten: jenes so fern, daß er sich darüber nicht ängstige oder befremde, vielweniger dadurch in dem werck des HErrn schrecken oder träg machen lasse, und also dem teufel eben damit etlicher massen gewonnen gebe: dieses aber also, daß er nicht bloß still zu dem verdacht sitze, oder solche klette an sich kleben lasse, sondern so viel auf christliche art geschehen kan, dieselbe von sich ableine. Mein rath wäre hierinnen dieser, geliebter Bruder nehme ein und andermal in der predigt ex pro- fesso solche materie von der rechtfertigung, und zwar der zugerechneten gerechtig-
keit
Das ſiebende Capitel.
verſtehen, wie die einfalt des buchſtabens mit ſich bringet. Faſſets jemand nicht, ſo trage ich gedult damit. Von N. perſon und werck iſt mir das wenigſte nicht be- kant: die materie wie der titel lauten ſolle, iſt wichtig, aber gefaͤhrlich. Der HErr regiere ihn mit ſeinem Heil. Geiſt, nichts da er zu bauen gedencket, unvorſichtig da- durch nieder zu ſchlagen.
6. Nov. 1688.
SECTIO XXVII. Wie der veꝛdacht papiſmi und ſocinia niſmi aus der lehr der gottſeligkeit abzuwenden. Was mit buͤrgern und ſtudioſis, wo ſie unvorſichtig handeln/ vorzunehmen. Von der kinderzucht: wie ſchaͤdlich dero allzugroſſe ſtrenge ſeye. Von einem collegio der frommen zu an- derer bekehrung.
WAs das anligen, ſo aber nicht einerley in ſich faſſet, betrifft, will mein hertz vor GOtt hiemit bey geliebten bruder aufrichtig ausſchuͤtten, und wie ich darinnen nichts als des HERRN ehre, der kirchen beſtes und ſein heyl ſuche, verſichere mich, daß derjenige, deme dieſe abſichten angenehm ſind, gna- de ſeinen willen zu erkennen geben werde. 1. Klagt derſelbe, daß er Papiſmi und Socinianiſmi verdaͤchtig anfange zu werden, ob er wol nicht ausdruckt, aus was urſachen oder vorwandt, ohne daß ich davor halte, es werde daher kommen, daß derſelbe auf den thaͤtigen glauben und deſſen krafft in dem leben treibet: denn ich habe bis daher gnug erfahren, daß keiner dieſe wichtigſte lehre wird anfangen mit ernſt vortragen, daß er nicht alſobald/ und ſolches gemeiniglich von unſers or- dens leuten, die die wahre evangeliſche lehr von der rechtfertigung entweder nicht verſtehen, oder ſelbs boͤßlich verkehren, den verdacht aufs wenigſte eines heimli- chen Papiſten tragen muͤſte: wie geliebter bruder weißt, wie mirs nicht anders ge- gangen iſt. Solchen verdacht aber rathe ich zu verachten, und gleichwol auch nicht zu verachten: jenes ſo fern, daß er ſich daruͤber nicht aͤngſtige oder befremde, vielweniger dadurch in dem werck des HErrn ſchrecken oder traͤg machen laſſe, und alſo dem teufel eben damit etlicher maſſen gewonnen gebe: dieſes aber alſo, daß er nicht bloß ſtill zu dem verdacht ſitze, oder ſolche klette an ſich kleben laſſe, ſondern ſo viel auf chriſtliche art geſchehen kan, dieſelbe von ſich ableine. Mein rath waͤre hierinnen dieſer, geliebter Bruder nehme ein und andermal in der predigt ex pro- feſſo ſolche materie von der rechtfertigung, und zwar der zugerechneten gerechtig-
keit
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0612"n="600"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Das ſiebende Capitel.</hi></fw><lb/>
verſtehen, wie die einfalt des buchſtabens mit ſich bringet. Faſſets jemand nicht, ſo<lb/>
trage ich gedult damit. Von N. perſon und werck iſt mir das wenigſte nicht be-<lb/>
kant: die materie wie der titel lauten ſolle, iſt wichtig, aber gefaͤhrlich. Der HErr<lb/>
regiere ihn mit ſeinem Heil. Geiſt, nichts da er zu bauen gedencket, unvorſichtig da-<lb/>
durch nieder zu ſchlagen.</p><dateline>6. Nov. 1688.</dateline></div><lb/><divn="3"><head><hirendition="#b"><hirendition="#aq"><hirendition="#g">SECTIO</hi> XXVII.</hi><lb/>
Wie der veꝛdacht <hirendition="#aq">papiſmi</hi> und <hirendition="#aq">ſocinia niſmi</hi> aus<lb/>
der lehr der gottſeligkeit abzuwenden. Was mit buͤrgern und<lb/><hirendition="#aq">ſtudioſis,</hi> wo ſie unvorſichtig handeln/ vorzunehmen. Von<lb/>
der kinderzucht: wie ſchaͤdlich dero allzugroſſe ſtrenge<lb/>ſeye. Von einem <hirendition="#aq">collegio</hi> der frommen zu an-<lb/>
derer bekehrung.</hi></head><lb/><p><hirendition="#in">W</hi>As das anligen, ſo aber nicht einerley in ſich faſſet, betrifft, will mein hertz<lb/>
vor GOtt hiemit bey geliebten bruder aufrichtig ausſchuͤtten, und wie<lb/>
ich darinnen nichts als des HERRN ehre, der kirchen beſtes und ſein<lb/>
heyl ſuche, verſichere mich, daß derjenige, deme dieſe abſichten angenehm ſind, gna-<lb/>
de ſeinen willen zu erkennen geben werde. 1. Klagt derſelbe, daß er <hirendition="#aq">Papiſmi</hi> und<lb/><hirendition="#aq">Socinianiſmi</hi> verdaͤchtig anfange zu werden, ob er wol nicht ausdruckt, aus was<lb/>
urſachen oder vorwandt, ohne daß ich davor halte, es werde daher kommen, daß<lb/>
derſelbe auf den thaͤtigen glauben und deſſen krafft in dem leben treibet: denn ich<lb/>
habe bis daher gnug erfahren, daß keiner dieſe wichtigſte lehre wird anfangen mit<lb/>
ernſt vortragen, daß er nicht alſobald/ und ſolches gemeiniglich von unſers or-<lb/>
dens leuten, die die wahre evangeliſche lehr von der rechtfertigung entweder nicht<lb/>
verſtehen, oder ſelbs boͤßlich verkehren, den verdacht aufs wenigſte eines heimli-<lb/>
chen Papiſten tragen muͤſte: wie geliebter bruder weißt, wie mirs nicht anders ge-<lb/>
gangen iſt. Solchen verdacht aber rathe ich zu verachten, und gleichwol auch<lb/>
nicht zu verachten: <hirendition="#fr">jenes</hi>ſo fern, daß er ſich daruͤber nicht aͤngſtige oder befremde,<lb/>
vielweniger dadurch in dem werck des HErrn ſchrecken oder traͤg machen laſſe, und<lb/>
alſo dem teufel eben damit etlicher maſſen gewonnen gebe: <hirendition="#fr">dieſes</hi> aber alſo, daß er<lb/>
nicht bloß ſtill zu dem verdacht ſitze, oder ſolche klette an ſich kleben laſſe, ſondern ſo<lb/>
viel auf chriſtliche art geſchehen kan, dieſelbe von ſich ableine. Mein rath waͤre<lb/>
hierinnen dieſer, geliebter Bruder nehme ein und andermal in der predigt <hirendition="#aq">ex pro-<lb/>
feſſo</hi>ſolche materie von der rechtfertigung, und zwar der zugerechneten gerechtig-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">keit</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[600/0612]
Das ſiebende Capitel.
verſtehen, wie die einfalt des buchſtabens mit ſich bringet. Faſſets jemand nicht, ſo
trage ich gedult damit. Von N. perſon und werck iſt mir das wenigſte nicht be-
kant: die materie wie der titel lauten ſolle, iſt wichtig, aber gefaͤhrlich. Der HErr
regiere ihn mit ſeinem Heil. Geiſt, nichts da er zu bauen gedencket, unvorſichtig da-
durch nieder zu ſchlagen.
6. Nov. 1688.
SECTIO XXVII.
Wie der veꝛdacht papiſmi und ſocinia niſmi aus
der lehr der gottſeligkeit abzuwenden. Was mit buͤrgern und
ſtudioſis, wo ſie unvorſichtig handeln/ vorzunehmen. Von
der kinderzucht: wie ſchaͤdlich dero allzugroſſe ſtrenge
ſeye. Von einem collegio der frommen zu an-
derer bekehrung.
WAs das anligen, ſo aber nicht einerley in ſich faſſet, betrifft, will mein hertz
vor GOtt hiemit bey geliebten bruder aufrichtig ausſchuͤtten, und wie
ich darinnen nichts als des HERRN ehre, der kirchen beſtes und ſein
heyl ſuche, verſichere mich, daß derjenige, deme dieſe abſichten angenehm ſind, gna-
de ſeinen willen zu erkennen geben werde. 1. Klagt derſelbe, daß er Papiſmi und
Socinianiſmi verdaͤchtig anfange zu werden, ob er wol nicht ausdruckt, aus was
urſachen oder vorwandt, ohne daß ich davor halte, es werde daher kommen, daß
derſelbe auf den thaͤtigen glauben und deſſen krafft in dem leben treibet: denn ich
habe bis daher gnug erfahren, daß keiner dieſe wichtigſte lehre wird anfangen mit
ernſt vortragen, daß er nicht alſobald/ und ſolches gemeiniglich von unſers or-
dens leuten, die die wahre evangeliſche lehr von der rechtfertigung entweder nicht
verſtehen, oder ſelbs boͤßlich verkehren, den verdacht aufs wenigſte eines heimli-
chen Papiſten tragen muͤſte: wie geliebter bruder weißt, wie mirs nicht anders ge-
gangen iſt. Solchen verdacht aber rathe ich zu verachten, und gleichwol auch
nicht zu verachten: jenes ſo fern, daß er ſich daruͤber nicht aͤngſtige oder befremde,
vielweniger dadurch in dem werck des HErrn ſchrecken oder traͤg machen laſſe, und
alſo dem teufel eben damit etlicher maſſen gewonnen gebe: dieſes aber alſo, daß er
nicht bloß ſtill zu dem verdacht ſitze, oder ſolche klette an ſich kleben laſſe, ſondern ſo
viel auf chriſtliche art geſchehen kan, dieſelbe von ſich ableine. Mein rath waͤre
hierinnen dieſer, geliebter Bruder nehme ein und andermal in der predigt ex pro-
feſſo ſolche materie von der rechtfertigung, und zwar der zugerechneten gerechtig-
keit
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 600. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/612>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.