Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.Das siebende Capitel. auch bey unserer kirchen verdorben ist, gehandelt und offentliche erinnerungen des-wegen gethan, haben viele gottselige Theologi empfunden, so könte vielleicht auch meiner seits mich auf eigne erfahrung beziehen. Von der beschwerde wegen der streitigen ort zwischen unsern gnädigsten Churfürsten und den Herren Brüdern habe mehrmal auf unserm ober-consistorio reden gehöret, sind mir aber noch kei- ne acta davon unter handen kommen, daher den völligen grund nicht weiß, noch auch was die commission, davon auch mehrmal geredet, und dero verzögerung beklagt wird, bisher zurück gehalten habe: wie es ohne das dergleichen dinge sind, die mir als einem fremden wenig bekant, dahero wo sie vorgenommen werden sollen, viel- mehr durch diejenige verrichtet werden müssen, so von langen der sachen kundschaft gründlich eingenommen haben. Die visitation betreffend, habe ich mich auch nicht wenig verwundert, als ich hieher gekommen, daß dergleichen so lange jahr unter- bleibe, und ich auch noch wenig apparentz dazu sehe: sonderlich nachdem viele da- vor halten, obwol bey voriger visitation grosse kosten gemachet, daß dennoch sehr weniges zu dem rechten haupt-zweck, dahin alles gehen solle, der besserung der kir- chen in dem innern, dadurch ausgerichtet worden seye. Vor mich selbs halte ich sonsten visitationes vor ein sehr heilsam mittel, wenn sie nemlich recht und christ- klüglich angestellet werden: darinnen ich offt wünschen mögte, daß des theuren Her- tzog Ernsten in diesem und mehr andern stücken exempel andern zur nachfolge die- nen möchte. Man muß aber manche steine, die man nicht heben kan, so lange liegen lassen, bis bequemere zeiten kommen, und man mehr kräfften erlanget, sie zu lüpffen. Jndessen bleibet gedult und hoffnung unsre stärcke. SECTIO XVII. Zwo fragen/ von einem gelübde und spatzierfah- ren auf die zwey letzte fest-tage. NAchdem der fragen viel sind, und mir die zeit nicht zugiebet, itzt auf alle zu essen
Das ſiebende Capitel. auch bey unſerer kirchen verdorben iſt, gehandelt und offentliche erinnerungen des-wegen gethan, haben viele gottſelige Theologi empfunden, ſo koͤnte vielleicht auch meiner ſeits mich auf eigne erfahrung beziehen. Von der beſchwerde wegen der ſtreitigen ort zwiſchen unſern gnaͤdigſten Churfuͤrſten und den Herren Bruͤdern habe mehrmal auf unſerm ober-conſiſtorio reden gehoͤret, ſind mir aber noch kei- ne acta davon unter handen kommen, daher den voͤlligen gꝛund nicht weiß, noch auch was die commisſion, davon auch mehrmal geredet, und dero verzoͤgerung beklagt wird, bisher zuruͤck gehalten habe: wie es ohne das dergleichen dinge ſind, die mir als einem fremden wenig bekant, dahero wo ſie vorgenommen werden ſollen, viel- mehr durch diejenige verrichtet werden muͤſſen, ſo von langen der ſachen kundſchaft gruͤndlich eingenommen haben. Die viſitation betreffend, habe ich mich auch nicht wenig verwundert, als ich hieher gekommen, daß dergleichen ſo lange jahr unter- bleibe, und ich auch noch wenig apparentz dazu ſehe: ſonderlich nachdem viele da- vor halten, obwol bey voriger viſitation groſſe koſten gemachet, daß dennoch ſehr weniges zu dem rechten haupt-zweck, dahin alles gehen ſolle, der beſſerung der kir- chen in dem innern, dadurch ausgerichtet worden ſeye. Vor mich ſelbs halte ich ſonſten viſitationes vor ein ſehr heilſam mittel, wenn ſie nemlich recht und chriſt- kluͤglich angeſtellet werden: darinnen ich offt wuͤnſchen moͤgte, daß des theuren Her- tzog Ernſten in dieſem und mehr andern ſtuͤcken exempel andern zur nachfolge die- nen moͤchte. Man muß aber manche ſteine, die man nicht heben kan, ſo lange liegen laſſen, bis bequemere zeiten kommen, und man mehr kraͤfften erlanget, ſie zu luͤpffen. Jndeſſen bleibet gedult und hoffnung unſre ſtaͤrcke. SECTIO XVII. Zwo fragen/ von einem geluͤbde und ſpatzierfah- ren auf die zwey letzte feſt-tage. NAchdem der fragen viel ſind, und mir die zeit nicht zugiebet, itzt auf alle zu eſſen
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Das ſiebende Capitel.
auch bey unſerer kirchen verdorben iſt, gehandelt und offentliche erinnerungen des-
wegen gethan, haben viele gottſelige Theologi empfunden, ſo koͤnte vielleicht auch
meiner ſeits mich auf eigne erfahrung beziehen. Von der beſchwerde wegen der
ſtreitigen ort zwiſchen unſern gnaͤdigſten Churfuͤrſten und den Herren Bruͤdern
habe mehrmal auf unſerm ober-conſiſtorio reden gehoͤret, ſind mir aber noch kei-
ne acta davon unter handen kommen, daher den voͤlligen gꝛund nicht weiß, noch auch
was die commisſion, davon auch mehrmal geredet, und dero verzoͤgerung beklagt
wird, bisher zuruͤck gehalten habe: wie es ohne das dergleichen dinge ſind, die mir
als einem fremden wenig bekant, dahero wo ſie vorgenommen werden ſollen, viel-
mehr durch diejenige verrichtet werden muͤſſen, ſo von langen der ſachen kundſchaft
gruͤndlich eingenommen haben. Die viſitation betreffend, habe ich mich auch nicht
wenig verwundert, als ich hieher gekommen, daß dergleichen ſo lange jahr unter-
bleibe, und ich auch noch wenig apparentz dazu ſehe: ſonderlich nachdem viele da-
vor halten, obwol bey voriger viſitation groſſe koſten gemachet, daß dennoch ſehr
weniges zu dem rechten haupt-zweck, dahin alles gehen ſolle, der beſſerung der kir-
chen in dem innern, dadurch ausgerichtet worden ſeye. Vor mich ſelbs halte ich
ſonſten viſitationes vor ein ſehr heilſam mittel, wenn ſie nemlich recht und chriſt-
kluͤglich angeſtellet werden: darinnen ich offt wuͤnſchen moͤgte, daß des theuren Her-
tzog Ernſten in dieſem und mehr andern ſtuͤcken exempel andern zur nachfolge die-
nen moͤchte. Man muß aber manche ſteine, die man nicht heben kan, ſo lange liegen
laſſen, bis bequemere zeiten kommen, und man mehr kraͤfften erlanget, ſie zu luͤpffen.
Jndeſſen bleibet gedult und hoffnung unſre ſtaͤrcke.
17. Mart. 1688.
SECTIO XVII.
Zwo fragen/ von einem geluͤbde und ſpatzierfah-
ren auf die zwey letzte feſt-tage.
NAchdem der fragen viel ſind, und mir die zeit nicht zugiebet, itzt auf alle zu
antworten/ ſo habe nur etzliche dieſes mal heraus nehmen wollen, ſonder-
lich diejenige, dero beantwortung derſelbige noch etwa vor dem feſt ver-
langen mag, die uͤbrige auf bequemere zeit ausſetzende. Der HErr gebe mir auch
hierinnen ſelbs dasjenige zu erkennen, was ſeiner ſeelen heilſam iſt, damit, weil er
in gutem vertrauen des HErrn mund in mir ſeinem diener fragt, ſeine himmliſche
guͤte mir auch in meine feder dasjenige geben wolle, wodurch er in ſeinem hertzen
und gewiſſen verſichert in der folge deſſen ruhe finden moͤge. So lautet nun die 1.
frage: ob, nachdem erbey ſich feſt beſchloſſen, des dritten pfingſt-tages,
wegen eines ungluͤcks, ſo ihn ſolchen tag befallen, aber von GOTT wieder abge-
wendet worden, zu faſten, er auf anſuchung guter freunde wol mit-
eſſen
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