Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.Das siebende Capitel. auch wir insgesamt, die wir uns dem HERRN zu dienen resolviret, und davorwollen angesehen seyn, hohe ursachen haben, uns vor dem angesicht des HERRN zu forschen, wie es mit unserm christenthum bewandt seye, ob dasselbe meistens in guten reden und christlichen gedancken, auch einigen löblichen übungen und wer- cken, bestehe, oder ob unser fleiß wahrhafftig bis auf den grund des hertzens eintrin- ge, uns von der welt und allem, was derselben anhängig ist, thätig zu reinigen, al- so täglich von uns, was wir etwan in sorgfältiger forschung alles innerlichen und äusserlichen an uns befinden dem willen des HERRN widrig zu seyn, abzulegen, und also zu wachsen nicht nur in der erkäntnüß, sondern auch gleichförmigkeit gött- lichen willens. Massen der HERR allezeit auch dieses, ja solches so viel mehr er- fordert, als reichlicher er uns seine gnade ertheilet hat, bey dero mehrerm maaß auch stets mehrere verläugnung unser selbs sich finden solle, und bey uns zu fünden wer- den könte, was etwa an andern anfänglichen noch eine weile gedultet würde. Auf daß wir also, wo die gerichte unsern gesamten hauffen betreffen, auch eine freudig- keit unsers gewissens bey uns empfinden mögen. Wie ich dieses eine regel achte, die mir selbs vorgeschrieben ist, also erinnere je mehr und mehr zu solcher sorgfalt al- le diejenige die mir in dem HERRN bekant sind, daß wir uns zu rechter zeit auf das bevorstehende bereiten, mit heiligem thätlichen wandel und abstellung alles dessen, was uns zu der zeit der noth in unserm gewissen anstößig seyn möchte. Der HErr öffne uns die innere augen, wahrhafftig zu erkennen, welches seye sein guter, sein wolgefälliger, sein vollkommener GOtteswille, uns je länger je mehr in nichts der welt gleich zu stellen, sondern uns zu verändern durch wahrhafftige erneurung unsers sinnes, dazu wir allein die krafft seines geistes von ihm erbitten müssen. Jun. 1687. SECTIO IX. Gefahr unserer kirchen. Wenig menschliche hoff- nung dagegen. Doch sol die kirche bleiben und siegen. Der spruch Luc. 18/ 8. Gewisser fall des Pabstthums. JCh wünschte hertzlich, daß ich ihren lieben über Rheinischen kirchen in gegen- nern,
Das ſiebende Capitel. auch wir insgeſamt, die wir uns dem HERRN zu dienen reſolviret, und davorwollen angeſehen ſeyn, hohe urſachen haben, uns vor dem angeſicht des HERRN zu forſchen, wie es mit unſerm chriſtenthum bewandt ſeye, ob daſſelbe meiſtens in guten reden und chriſtlichen gedancken, auch einigen loͤblichen uͤbungen und wer- cken, beſtehe, oder ob unſer fleiß wahrhafftig bis auf den grund des hertzens eintrin- ge, uns von der welt und allem, was derſelben anhaͤngig iſt, thaͤtig zu reinigen, al- ſo taͤglich von uns, was wir etwan in ſorgfaͤltiger forſchung alles innerlichen und aͤuſſerlichen an uns befinden dem willen des HERRN widrig zu ſeyn, abzulegen, und alſo zu wachſen nicht nur in der erkaͤntnuͤß, ſondern auch gleichfoͤrmigkeit goͤtt- lichen willens. Maſſen der HERR allezeit auch dieſes, ja ſolches ſo viel mehr er- fordert, als reichlicher er uns ſeine gnade ertheilet hat, bey dero mehrerm maaß auch ſtets mehrere verlaͤugnung unſer ſelbs ſich finden ſolle, und bey uns zu fuͤnden wer- den koͤnte, was etwa an andern anfaͤnglichen noch eine weile gedultet wuͤrde. Auf daß wir alſo, wo die gerichte unſern geſamten hauffen betreffen, auch eine freudig- keit unſers gewiſſens bey uns empfinden moͤgen. Wie ich dieſes eine regel achte, die mir ſelbs vorgeſchrieben iſt, alſo erinnere je mehr und mehr zu ſolcher ſorgfalt al- le diejenige die mir in dem HERRN bekant ſind, daß wir uns zu rechter zeit auf das bevorſtehende bereiten, mit heiligem thaͤtlichen wandel und abſtellung alles deſſen, was uns zu der zeit der noth in unſerm gewiſſen anſtoͤßig ſeyn moͤchte. Der HErr oͤffne uns die innere augen, wahrhafftig zu erkennen, welches ſeye ſein guter, ſein wolgefaͤlliger, ſein vollkommener GOtteswille, uns je laͤnger je mehr in nichts der welt gleich zu ſtellen, ſondern uns zu veraͤndern durch wahrhafftige erneurung unſers ſinnes, dazu wir allein die krafft ſeines geiſtes von ihm erbitten muͤſſen. Jun. 1687. SECTIO IX. Gefahr unſerer kirchen. Wenig menſchliche hoff- nung dagegen. Doch ſol die kirche bleiben und ſiegen. Der ſpruch Luc. 18/ 8. Gewiſſer fall des Pabſtthums. JCh wuͤnſchte hertzlich, daß ich ihren lieben uͤber Rheiniſchen kirchen in gegen- nern,
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Das ſiebende Capitel.
auch wir insgeſamt, die wir uns dem HERRN zu dienen reſolviret, und davor
wollen angeſehen ſeyn, hohe urſachen haben, uns vor dem angeſicht des HERRN
zu forſchen, wie es mit unſerm chriſtenthum bewandt ſeye, ob daſſelbe meiſtens in
guten reden und chriſtlichen gedancken, auch einigen loͤblichen uͤbungen und wer-
cken, beſtehe, oder ob unſer fleiß wahrhafftig bis auf den grund des hertzens eintrin-
ge, uns von der welt und allem, was derſelben anhaͤngig iſt, thaͤtig zu reinigen, al-
ſo taͤglich von uns, was wir etwan in ſorgfaͤltiger forſchung alles innerlichen und
aͤuſſerlichen an uns befinden dem willen des HERRN widrig zu ſeyn, abzulegen,
und alſo zu wachſen nicht nur in der erkaͤntnuͤß, ſondern auch gleichfoͤrmigkeit goͤtt-
lichen willens. Maſſen der HERR allezeit auch dieſes, ja ſolches ſo viel mehr er-
fordert, als reichlicher er uns ſeine gnade ertheilet hat, bey dero mehrerm maaß auch
ſtets mehrere verlaͤugnung unſer ſelbs ſich finden ſolle, und bey uns zu fuͤnden wer-
den koͤnte, was etwa an andern anfaͤnglichen noch eine weile gedultet wuͤrde. Auf
daß wir alſo, wo die gerichte unſern geſamten hauffen betreffen, auch eine freudig-
keit unſers gewiſſens bey uns empfinden moͤgen. Wie ich dieſes eine regel achte,
die mir ſelbs vorgeſchrieben iſt, alſo erinnere je mehr und mehr zu ſolcher ſorgfalt al-
le diejenige die mir in dem HERRN bekant ſind, daß wir uns zu rechter zeit auf
das bevorſtehende bereiten, mit heiligem thaͤtlichen wandel und abſtellung alles
deſſen, was uns zu der zeit der noth in unſerm gewiſſen anſtoͤßig ſeyn moͤchte. Der
HErr oͤffne uns die innere augen, wahrhafftig zu erkennen, welches ſeye ſein guter,
ſein wolgefaͤlliger, ſein vollkommener GOtteswille, uns je laͤnger je mehr in nichts
der welt gleich zu ſtellen, ſondern uns zu veraͤndern durch wahrhafftige erneurung
unſers ſinnes, dazu wir allein die krafft ſeines geiſtes von ihm erbitten muͤſſen.
11.
Jun. 1687.
SECTIO IX.
Gefahr unſerer kirchen. Wenig menſchliche hoff-
nung dagegen. Doch ſol die kirche bleiben und ſiegen.
Der ſpruch Luc. 18/ 8. Gewiſſer fall des
Pabſtthums.
JCh wuͤnſchte hertzlich, daß ich ihren lieben uͤber Rheiniſchen kirchen in gegen-
waͤrtiger ihrer gefahr auch einen troſt baldiger leiblicher erloͤſung geben
koͤnte, aber bekenne gern, daß ich den zuſtand aller orten anſehende wenig
davon vertroͤſtung zu geben vermag. Jch fuͤrchte ſehr, unſere kirche ſey noch nicht al-
ſo gereiniget, daß der HErr an ihr ein zeugnuͤß ſeiner wunderguͤte erzeige, ſondern ſie
wird noch ferner in den ofen des truͤbſals, und von den ſchlacken ferner ausgebrant
werden muͤſſen, ehe ſich der HErr gegen ihre widerwaͤrtige wende. Jndeſſen hat ſie,
nemlich diejenige, ſo in derſelben wahre glieder CHriſti ſind, ſamt ihren treuen die-
nern,
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