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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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Das siebende Capitel.
SECTIO XXXIX.
Bemerckungen zu des vortrefflichen Herrn von
Sekendorff gethanen vorschlag eines seminarii, in dem die
candidati der pfarr-dienste so wol geprüfft/ als zu
künfftiger führung des amts besser bereitet
werden könten.

JN dem 1. §. ist die klage warhafftig und gerecht/ denn einmal aus dem
geistlichen stand solte die wahrheit so der lehr als des lebens und das recht-
schaffene wesen in CHristo in die übrige gemeinde ausgehen/ aus dessen
corruption also kan nichts anders/ als hinwieder eine ärgerliche corruption
der gantzen kirchen/ entstehen. Wie solches hin und wieder von christlichen
männern beklagt worden/ sonderlich aber sehr nachdrücklich hievon redet das
Christfürstl. Hertzog. Johann Christianus von Befling in Schlesien
ausschreiben an die lutherische priesterschafft
seines fürstenthums/ welches
gedruckt ist und augenscheinlich zeiget/ worinnen der meisten leute christenthum
heut zu tag bestehe/ was mangele und wie grosse schuld an den predigern seye. Es
ist auch merckwürdig des tapfferen Schlesischen edelmanns Herrn David von
Schweinitz
/ vorrede und dedication eines seiner geistlichen tractaten an das pre-
digamt/ wo er treuhertzig ihnen zuspricht.

Der beklagte fehler §. 2. ist sehr groß/ und wie das daraus entstehende
übel/ nemlich die untüchtige bestellung des predigamts die quelle so vieles an-
ders übels ist/ also ist die schuld derjenigen/ welche daran participiren/ so
schwer/ als einige andere seyn kan. Sie betrifft aber so wol die sollicitan-
ten aus dem predigamt/ über die geklagt wird/ daß sie vor die ihrige mehr/
als vor die wohlfahrt der kirchen besorget seyn/ als die consistoriales sämtli-
che iedes orts/ geistliche und weltliche/ samt den patronis. Dann da die ei-
ne/ die privat-affecten praedominiren lassen/ vor die ihrige etwas zu erlan-
gen/ so hätten jene vielmehr sich solchem bösen beginnen nach habender autori-
tät zu widersetzen/ als daß sie selbs drein gehellen/ und dergleichen leute be-
ruffen oder sie confirmiren/ die sie untüchtig erkennen; da vielmehr solchen
importunen sollicitanten ein guter verweiß gehöret/ daß ihnen gezeiget wer-
de/ sie machten ihre eigene amts-treue damit suspect, ob sie es redlich mit der
kirche meynten/ da sie nicht auf dieselbe/ sondern privat-liebe sehen (vid. Marth.

XX.
Das ſiebende Capitel.
SECTIO XXXIX.
Bemerckungen zu des vortrefflichen Herrn von
Sekendorff gethanen vorſchlag eines ſeminarii, in dem die
candidati der pfarr-dienſte ſo wol gepruͤfft/ als zu
kuͤnfftiger fuͤhrung des amts beſſer bereitet
werden koͤnten.

JN dem 1. §. iſt die klage warhafftig und gerecht/ denn einmal aus dem
geiſtlichen ſtand ſolte die wahrheit ſo der lehr als des lebens und das recht-
ſchaffene weſen in CHriſto in die uͤbrige gemeinde ausgehen/ aus deſſen
corruption alſo kan nichts anders/ als hinwieder eine aͤrgerliche corruption
der gantzen kirchen/ entſtehen. Wie ſolches hin und wieder von chriſtlichen
maͤnnern beklagt worden/ ſonderlich aber ſehr nachdruͤcklich hievon redet das
Chriſtfuͤrſtl. Hertzog. Johann Chriſtianus von Befling in Schleſien
ausſchreiben an die lutheriſche prieſterſchafft
ſeines fuͤrſtenthums/ welches
gedruckt iſt und augenſcheinlich zeiget/ worinnen der meiſten leute chriſtenthum
heut zu tag beſtehe/ was mangele und wie groſſe ſchuld an den predigern ſeye. Es
iſt auch merckwuͤrdig des tapfferen Schleſiſchen edelmanns Herrn David von
Schweinitz
/ vorrede und dedication eines ſeiner geiſtlichen tractaten an das pre-
digamt/ wo er treuhertzig ihnen zuſpricht.

Der beklagte fehler §. 2. iſt ſehr groß/ und wie das daraus entſtehende
uͤbel/ nemlich die untuͤchtige beſtellung des predigamts die quelle ſo vieles an-
ders uͤbels iſt/ alſo iſt die ſchuld derjenigen/ welche daran participiren/ ſo
ſchwer/ als einige andere ſeyn kan. Sie betrifft aber ſo wol die ſollicitan-
ten aus dem predigamt/ uͤber die geklagt wird/ daß ſie vor die ihrige mehr/
als vor die wohlfahrt der kirchen beſorget ſeyn/ als die conſiſtoriales ſaͤmtli-
che iedes orts/ geiſtliche und weltliche/ ſamt den patronis. Dann da die ei-
ne/ die privat-affecten prædominiren laſſen/ vor die ihrige etwas zu erlan-
gen/ ſo haͤtten jene vielmehr ſich ſolchem boͤſen beginnen nach habender autori-
taͤt zu widerſetzen/ als daß ſie ſelbs drein gehellen/ und dergleichen leute be-
ruffen oder ſie confirmiren/ die ſie untuͤchtig erkennen; da vielmehr ſolchen
importunen ſollicitanten ein guter verweiß gehoͤret/ daß ihnen gezeiget wer-
de/ ſie machten ihre eigene amts-treue damit ſuſpect, ob ſie es redlich mit der
kirche meynten/ da ſie nicht auf dieſelbe/ ſondern privat-liebe ſehen (vid. Marth.

XX.
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[526/0538] Das ſiebende Capitel. SECTIO XXXIX. Bemerckungen zu des vortrefflichen Herrn von Sekendorff gethanen vorſchlag eines ſeminarii, in dem die candidati der pfarr-dienſte ſo wol gepruͤfft/ als zu kuͤnfftiger fuͤhrung des amts beſſer bereitet werden koͤnten. JN dem 1. §. iſt die klage warhafftig und gerecht/ denn einmal aus dem geiſtlichen ſtand ſolte die wahrheit ſo der lehr als des lebens und das recht- ſchaffene weſen in CHriſto in die uͤbrige gemeinde ausgehen/ aus deſſen corruption alſo kan nichts anders/ als hinwieder eine aͤrgerliche corruption der gantzen kirchen/ entſtehen. Wie ſolches hin und wieder von chriſtlichen maͤnnern beklagt worden/ ſonderlich aber ſehr nachdruͤcklich hievon redet das Chriſtfuͤrſtl. Hertzog. Johann Chriſtianus von Befling in Schleſien ausſchreiben an die lutheriſche prieſterſchafft ſeines fuͤrſtenthums/ welches gedruckt iſt und augenſcheinlich zeiget/ worinnen der meiſten leute chriſtenthum heut zu tag beſtehe/ was mangele und wie groſſe ſchuld an den predigern ſeye. Es iſt auch merckwuͤrdig des tapfferen Schleſiſchen edelmanns Herrn David von Schweinitz/ vorrede und dedication eines ſeiner geiſtlichen tractaten an das pre- digamt/ wo er treuhertzig ihnen zuſpricht. Der beklagte fehler §. 2. iſt ſehr groß/ und wie das daraus entſtehende uͤbel/ nemlich die untuͤchtige beſtellung des predigamts die quelle ſo vieles an- ders uͤbels iſt/ alſo iſt die ſchuld derjenigen/ welche daran participiren/ ſo ſchwer/ als einige andere ſeyn kan. Sie betrifft aber ſo wol die ſollicitan- ten aus dem predigamt/ uͤber die geklagt wird/ daß ſie vor die ihrige mehr/ als vor die wohlfahrt der kirchen beſorget ſeyn/ als die conſiſtoriales ſaͤmtli- che iedes orts/ geiſtliche und weltliche/ ſamt den patronis. Dann da die ei- ne/ die privat-affecten prædominiren laſſen/ vor die ihrige etwas zu erlan- gen/ ſo haͤtten jene vielmehr ſich ſolchem boͤſen beginnen nach habender autori- taͤt zu widerſetzen/ als daß ſie ſelbs drein gehellen/ und dergleichen leute be- ruffen oder ſie confirmiren/ die ſie untuͤchtig erkennen; da vielmehr ſolchen importunen ſollicitanten ein guter verweiß gehoͤret/ daß ihnen gezeiget wer- de/ ſie machten ihre eigene amts-treue damit ſuſpect, ob ſie es redlich mit der kirche meynten/ da ſie nicht auf dieſelbe/ ſondern privat-liebe ſehen (vid. Marth. XX.

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 526. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/538>, abgerufen am 21.11.2024.