Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

Bild:
<< vorherige Seite

Das siebende Capitel.
licher klugheit auch solte geführet werden/ zu lästern und zu widerfechten nicht
unterlassen würde/ daß wir gleichwol zu vielen verleumdungen/ welche das werck
des HERRN an mehr orten schwartz gemacht/ auch wol gar einigen guten her-
tzen anstoß gemacht haben/ aufs wenigste dergleichen anlaß gegeben/ die wol un-
terlassen werden könten/ wo wir das stille seyn/ nach unsers lieben freundes/ und
vor ihm des theuresten Pauli/ erinnerung allezeit behutsamlich practiciret hät-
ten. Jch gedencke offt daran/ wie ich ein und andermal andere gedancken gehabt/
aber mir darin auch nicht habe helffen können/ und besorget/ es möchte dasjeni-
ge von fleisch und blut seyn/ so nunmehr gantz gut gewesen zu seyn abnehme. Jn sol-
chem fall aber betrübt auch nicht so wol was man leidet/ als daß man etwas von ei-
genem verschulden bey sich findet/ und damit siehet theil zu haben an der sün-
de der lästerer/ und derer die dadurch geärgert werden; und also nicht pur lauter
um der guten sache willen/ sondern in etwas auch aus eigenem versehen zu leiden.
Ach lasset uns alle darum vornemlich bitten/ und betet ihr/ liebe seelen/ sonderlich vor
mich/ daß wir rechtschaffen mögen in allem erkennen/ was des HErrn wille an uns
in jeglichen dingen seye/ damit wir denselben alsdann freudiglich thun. Jch
muß mich fest resolviren, als lang der HERR will/ mein leben in meinem amt
in furcht und streit zu führen. Aber der HERR wird mich doch nicht lassen/
sondern etwa zu seiner zeit die augen besser öffnen/ damit ich besser einsehen kön-
ne/ was allen nützlich seye/ als ich noch habe thun können/ und deswegen äng-
stiglicher leben muß. Jch begehre je nichts anders/ als daß er an mir möge
gepriesen werden/ wie er will: er nehme aus meinem hertzen/ was nicht sol-
ches willens ist.

SECTIO XXXIII.
Langsamkeit der antwort. Ob alles in der schrifft
erfüllet. Begehre mit niemand zu zancken. Ob die lehr
der gottseligkeit den papisten etwas einräume/ die leute pha-
risäisch oder melancholisch mache. Von der voll-
kommenheit. Der teufel kan die lehr
der gottseligkeit nicht
leiden.
Daß

Das ſiebende Capitel.
licher klugheit auch ſolte gefuͤhret werden/ zu laͤſtern und zu widerfechten nicht
unterlaſſen wuͤrde/ daß wir gleichwol zu vielen verleumdungen/ welche das werck
des HERRN an mehr orten ſchwartz gemacht/ auch wol gar einigen guten her-
tzen anſtoß gemacht haben/ aufs wenigſte dergleichen anlaß gegeben/ die wol un-
terlaſſen werden koͤnten/ wo wir das ſtille ſeyn/ nach unſers lieben freundes/ und
vor ihm des theureſten Pauli/ erinnerung allezeit behutſamlich practiciret haͤt-
ten. Jch gedencke offt daran/ wie ich ein und andermal andere gedancken gehabt/
aber mir darin auch nicht habe helffen koͤnnen/ und beſorget/ es moͤchte dasjeni-
ge von fleiſch und blut ſeyn/ ſo nunmehr gantz gut geweſen zu ſeyn abnehme. Jn ſol-
chem fall aber betruͤbt auch nicht ſo wol was man leidet/ als daß man etwas von ei-
genem verſchulden bey ſich findet/ und damit ſiehet theil zu haben an der ſuͤn-
de der laͤſterer/ und derer die dadurch geaͤrgert werden; und alſo nicht pur lauter
um der guten ſache willen/ ſondern in etwas auch aus eigenem verſehen zu leiden.
Ach laſſet uns alle darum vornemlich bitten/ und betet ihr/ liebe ſeelen/ ſonderlich voꝛ
mich/ daß wir rechtſchaffen moͤgen in allem erkennen/ was des HErrn wille an uns
in jeglichen dingen ſeye/ damit wir denſelben alsdann freudiglich thun. Jch
muß mich feſt reſolviren, als lang der HERR will/ mein leben in meinem amt
in furcht und ſtreit zu fuͤhren. Aber der HERR wird mich doch nicht laſſen/
ſondern etwa zu ſeiner zeit die augen beſſer oͤffnen/ damit ich beſſer einſehen koͤn-
ne/ was allen nuͤtzlich ſeye/ als ich noch habe thun koͤnnen/ und deswegen aͤng-
ſtiglicher leben muß. Jch begehre je nichts anders/ als daß er an mir moͤge
geprieſen werden/ wie er will: er nehme aus meinem hertzen/ was nicht ſol-
ches willens iſt.

SECTIO XXXIII.
Langſamkeit der antwort. Ob alles in der ſchrifft
erfuͤllet. Begehre mit niemand zu zancken. Ob die lehr
der gottſeligkeit den papiſten etwas einraͤume/ die leute pha-
riſaͤiſch oder melancholiſch mache. Von der voll-
kommenheit. Der teufel kan die lehr
der gottſeligkeit nicht
leiden.
Daß
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0522" n="510"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das &#x017F;iebende Capitel.</hi></fw><lb/>
licher klugheit auch &#x017F;olte gefu&#x0364;hret werden/ zu la&#x0364;&#x017F;tern und zu widerfechten nicht<lb/>
unterla&#x017F;&#x017F;en wu&#x0364;rde/ daß wir gleichwol zu vielen verleumdungen/ welche das werck<lb/>
des HERRN an mehr orten &#x017F;chwartz gemacht/ auch wol gar einigen guten her-<lb/>
tzen an&#x017F;toß gemacht haben/ aufs wenig&#x017F;te dergleichen anlaß gegeben/ die wol un-<lb/>
terla&#x017F;&#x017F;en werden ko&#x0364;nten/ wo wir das &#x017F;tille &#x017F;eyn/ nach un&#x017F;ers lieben freundes/ und<lb/>
vor ihm des theure&#x017F;ten Pauli/ erinnerung allezeit behut&#x017F;amlich <hi rendition="#aq">practiciret</hi> ha&#x0364;t-<lb/>
ten. Jch gedencke offt daran/ wie ich ein und andermal andere gedancken gehabt/<lb/>
aber mir darin auch nicht habe helffen ko&#x0364;nnen/ und be&#x017F;orget/ es mo&#x0364;chte dasjeni-<lb/>
ge von flei&#x017F;ch und blut &#x017F;eyn/ &#x017F;o nunmehr gantz gut gewe&#x017F;en zu &#x017F;eyn abnehme. Jn &#x017F;ol-<lb/>
chem fall aber betru&#x0364;bt auch nicht &#x017F;o wol was man leidet/ als daß man etwas von ei-<lb/>
genem ver&#x017F;chulden bey &#x017F;ich findet/ und damit &#x017F;iehet theil zu haben an der &#x017F;u&#x0364;n-<lb/>
de der la&#x0364;&#x017F;terer/ und derer die dadurch gea&#x0364;rgert werden; und al&#x017F;o nicht pur lauter<lb/>
um der guten &#x017F;ache willen/ &#x017F;ondern in etwas auch aus eigenem ver&#x017F;ehen zu leiden.<lb/>
Ach la&#x017F;&#x017F;et uns alle darum vornemlich bitten/ und betet ihr/ liebe &#x017F;eelen/ &#x017F;onderlich vo&#xA75B;<lb/>
mich/ daß wir recht&#x017F;chaffen mo&#x0364;gen in allem erkennen/ was des HErrn wille an uns<lb/>
in jeglichen dingen &#x017F;eye/ damit wir den&#x017F;elben alsdann freudiglich thun. Jch<lb/>
muß mich fe&#x017F;t <hi rendition="#aq">re&#x017F;olviren,</hi> als lang der HERR will/ mein leben in meinem amt<lb/>
in furcht und &#x017F;treit zu fu&#x0364;hren. Aber der <hi rendition="#g">HERR</hi> wird mich doch nicht la&#x017F;&#x017F;en/<lb/>
&#x017F;ondern etwa zu &#x017F;einer zeit die augen be&#x017F;&#x017F;er o&#x0364;ffnen/ damit ich be&#x017F;&#x017F;er ein&#x017F;ehen ko&#x0364;n-<lb/>
ne/ was allen nu&#x0364;tzlich &#x017F;eye/ als ich noch habe thun ko&#x0364;nnen/ und deswegen a&#x0364;ng-<lb/>
&#x017F;tiglicher leben muß. Jch begehre je nichts anders/ als daß er an mir mo&#x0364;ge<lb/>
geprie&#x017F;en werden/ wie er will: er nehme aus meinem hertzen/ was nicht &#x017F;ol-<lb/>
ches willens i&#x017F;t.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">SECTIO</hi> XXXIII.</hi><lb/>
Lang&#x017F;amkeit der antwort. Ob alles in der &#x017F;chrifft<lb/>
erfu&#x0364;llet. Begehre mit niemand zu zancken. Ob die lehr<lb/>
der gott&#x017F;eligkeit den papi&#x017F;ten etwas einra&#x0364;ume/ die leute pha-<lb/>
ri&#x017F;a&#x0364;i&#x017F;ch oder melancholi&#x017F;ch mache. Von der voll-<lb/>
kommenheit. Der teufel kan die lehr<lb/>
der gott&#x017F;eligkeit nicht<lb/>
leiden.</hi> </head><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Daß</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[510/0522] Das ſiebende Capitel. licher klugheit auch ſolte gefuͤhret werden/ zu laͤſtern und zu widerfechten nicht unterlaſſen wuͤrde/ daß wir gleichwol zu vielen verleumdungen/ welche das werck des HERRN an mehr orten ſchwartz gemacht/ auch wol gar einigen guten her- tzen anſtoß gemacht haben/ aufs wenigſte dergleichen anlaß gegeben/ die wol un- terlaſſen werden koͤnten/ wo wir das ſtille ſeyn/ nach unſers lieben freundes/ und vor ihm des theureſten Pauli/ erinnerung allezeit behutſamlich practiciret haͤt- ten. Jch gedencke offt daran/ wie ich ein und andermal andere gedancken gehabt/ aber mir darin auch nicht habe helffen koͤnnen/ und beſorget/ es moͤchte dasjeni- ge von fleiſch und blut ſeyn/ ſo nunmehr gantz gut geweſen zu ſeyn abnehme. Jn ſol- chem fall aber betruͤbt auch nicht ſo wol was man leidet/ als daß man etwas von ei- genem verſchulden bey ſich findet/ und damit ſiehet theil zu haben an der ſuͤn- de der laͤſterer/ und derer die dadurch geaͤrgert werden; und alſo nicht pur lauter um der guten ſache willen/ ſondern in etwas auch aus eigenem verſehen zu leiden. Ach laſſet uns alle darum vornemlich bitten/ und betet ihr/ liebe ſeelen/ ſonderlich voꝛ mich/ daß wir rechtſchaffen moͤgen in allem erkennen/ was des HErrn wille an uns in jeglichen dingen ſeye/ damit wir denſelben alsdann freudiglich thun. Jch muß mich feſt reſolviren, als lang der HERR will/ mein leben in meinem amt in furcht und ſtreit zu fuͤhren. Aber der HERR wird mich doch nicht laſſen/ ſondern etwa zu ſeiner zeit die augen beſſer oͤffnen/ damit ich beſſer einſehen koͤn- ne/ was allen nuͤtzlich ſeye/ als ich noch habe thun koͤnnen/ und deswegen aͤng- ſtiglicher leben muß. Jch begehre je nichts anders/ als daß er an mir moͤge geprieſen werden/ wie er will: er nehme aus meinem hertzen/ was nicht ſol- ches willens iſt. SECTIO XXXIII. Langſamkeit der antwort. Ob alles in der ſchrifft erfuͤllet. Begehre mit niemand zu zancken. Ob die lehr der gottſeligkeit den papiſten etwas einraͤume/ die leute pha- riſaͤiſch oder melancholiſch mache. Von der voll- kommenheit. Der teufel kan die lehr der gottſeligkeit nicht leiden. Daß

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/522
Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 510. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/522>, abgerufen am 30.12.2024.