Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

Bild:
<< vorherige Seite
Das siebende Capitel.

Aus der specie facti mag zweyerley entgegen gehalten werden. 1. Daß im
vorigen urtheil/ das rechts-kräfftig worden/ Titio das juramentum auch zuer-
kant worden/ und 2. solches auch in Canonischen rechten gegründet. Es mag
aber dardurch mein gemachter schluß hoffentlich nicht umgestossen werden. Denn
1. das rechts-kräfftige urtheil verbindet den richter alles zu thun/ worzu dasselbige
anweiset. Wo er nun an Titio ihm dasselbige aufzulegen/ und in ihn darüber zu
tringen/ sein müglichstes gethan/ hat er seinem eigenem urtheil satisfaction ge-
leistet. 2. Da aber Titius das ihm auferlegte nicht praestiren will/ und derglei-
chen scrupulum conscientiae, daß er ohne verletzung des gewissens/ nicht daß die
sache falsch/ sondern aus andern ursachen/ nicht schweren könne/ vorgibt/ daher
auch mit gewalt darzu wider sein gewissen nicht gezwungen werden kan/ entgehet
zwar der sentenz etwas/ nicht aber aus schuld des richters oder Semproniae, son-
dern Titii. 3. Ob also wol die sentenz in einem nicht erfüllet/ hebet doch sol-
ches das recht der Semproniae nicht auf/ oder kan sie aus des andern schuld um
dessen wircklichen genuß gebracht werden. 4. Ob wohl die Canonische rechte
ins gemein in unsern Consistorien zur regel gesetzt werden/ ist doch die verbindung
derselben nicht von gleicher krafft/ als was in jure divino befohlen/ das indispen-
sabel
ist: hingegen kan der Ober-richter in so offenbar gerechter sache gar wohl
von jener satzung abgehen/ und da des untern richters spruch in einem stück nicht
erfüllet worden/ dasselbige aufheben/ und nechst der gerichtlichen geständnüß des
Titii der Semproniae von diesem nicht widersprochenen eyd vor genugsam erklä-
ren. Damit 5. geschiehet niemand unrecht: nicht der Semproniae/ dann dersel-
ben wird ihr recht zugesprochen/ das ihr um eines andern widerspenstigkeit ohne
unrecht nicht länger versagt werden kan: nicht Titio/ der den gantzen grund
des urtheils/ seinen mangel/ gestehet: nicht dem publico/ da allem besorgenden
ärgernüß mit recht die nach genugsamer erkäntnüß der sachen ausgesprochene
sentenz entgegen gehalten werden kan/ und entgegen zu halten ist. Der HErr
wende alles zum besten.

SECTIO XXI.
Da eine ehe-frau conceptionem bey sich immer
zu hindern trachtet.

DEm ehemann ist wohl gerathen/ daß er/ da er sich zu enthalten nicht ver-
mag/ sich seines von GOTT habenden rechts in dem ehestand gebrauche/
der ehefrau nächst hertzlichem gebet die schwere ihrer in solcher sach bege-
henden sünde beweglich und offt vorhalte/ um ihr gewissen dadurch zu rühren/ so

viel
Das ſiebende Capitel.

Aus der ſpecie facti mag zweyerley entgegen gehalten werden. 1. Daß im
vorigen urtheil/ das rechts-kraͤfftig worden/ Titio das juramentum auch zuer-
kant worden/ und 2. ſolches auch in Canoniſchen rechten gegruͤndet. Es mag
aber dardurch mein gemachter ſchluß hoffentlich nicht umgeſtoſſen werden. Denn
1. das rechts-kraͤfftige urtheil verbindet den richter alles zu thun/ worzu daſſelbige
anweiſet. Wo er nun an Titio ihm daſſelbige aufzulegen/ und in ihn daruͤber zu
tringen/ ſein muͤglichſtes gethan/ hat er ſeinem eigenem urtheil ſatisfaction ge-
leiſtet. 2. Da aber Titius das ihm auferlegte nicht præſtiren will/ und derglei-
chen ſcrupulum conſcientiæ, daß er ohne verletzung des gewiſſens/ nicht daß die
ſache falſch/ ſondern aus andern urſachen/ nicht ſchweren koͤnne/ vorgibt/ daher
auch mit gewalt darzu wider ſein gewiſſen nicht gezwungen werden kan/ entgehet
zwar der ſentenz etwas/ nicht aber aus ſchuld des richters oder Semproniæ, ſon-
dern Titii. 3. Ob alſo wol die ſentenz in einem nicht erfuͤllet/ hebet doch ſol-
ches das recht der Semproniæ nicht auf/ oder kan ſie aus des andern ſchuld um
deſſen wircklichen genuß gebracht werden. 4. Ob wohl die Canoniſche rechte
ins gemein in unſern Conſiſtorien zur regel geſetzt werden/ iſt doch die verbindung
derſelben nicht von gleicher krafft/ als was in jure divino befohlen/ das indiſpen-
ſabel
iſt: hingegen kan der Ober-richter in ſo offenbar gerechter ſache gar wohl
von jener ſatzung abgehen/ und da des untern richters ſpruch in einem ſtuͤck nicht
erfuͤllet worden/ daſſelbige aufheben/ und nechſt der gerichtlichen geſtaͤndnuͤß des
Titii der Semproniæ von dieſem nicht widerſprochenen eyd vor genugſam erklaͤ-
ren. Damit 5. geſchiehet niemand unrecht: nicht der Semproniæ/ dann derſel-
ben wird ihr recht zugeſprochen/ das ihr um eines andern widerſpenſtigkeit ohne
unrecht nicht laͤnger verſagt werden kan: nicht Titio/ der den gantzen grund
des urtheils/ ſeinen mangel/ geſtehet: nicht dem publico/ da allem beſorgenden
aͤrgernuͤß mit recht die nach genugſamer erkaͤntnuͤß der ſachen ausgeſprochene
ſentenz entgegen gehalten werden kan/ und entgegen zu halten iſt. Der HErr
wende alles zum beſten.

SECTIO XXI.
Da eine ehe-frau conceptionem bey ſich immer
zu hindern trachtet.

DEm ehemann iſt wohl gerathen/ daß er/ da er ſich zu enthalten nicht ver-
mag/ ſich ſeines von GOTT habenden rechts in dem eheſtand gebrauche/
der ehefrau naͤchſt hertzlichem gebet die ſchwere ihrer in ſolcher ſach bege-
henden ſuͤnde beweglich und offt vorhalte/ um ihr gewiſſen dadurch zu ruͤhren/ ſo

viel
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0418" n="406"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Das &#x017F;iebende Capitel.</hi> </fw><lb/>
            <p>Aus der <hi rendition="#aq">&#x017F;pecie facti</hi> mag zweyerley entgegen gehalten werden. 1. Daß im<lb/>
vorigen urtheil/ das rechts-kra&#x0364;fftig worden/ <hi rendition="#aq">Titio</hi> das <hi rendition="#aq">juramentum</hi> auch zuer-<lb/>
kant worden/ und 2. &#x017F;olches auch in <hi rendition="#aq">Canoni</hi>&#x017F;chen rechten gegru&#x0364;ndet. Es mag<lb/>
aber dardurch mein gemachter &#x017F;chluß hoffentlich nicht umge&#x017F;to&#x017F;&#x017F;en werden. Denn<lb/>
1. das rechts-kra&#x0364;fftige urtheil verbindet den richter alles zu thun/ worzu da&#x017F;&#x017F;elbige<lb/>
anwei&#x017F;et. Wo er nun an <hi rendition="#aq">Titio</hi> ihm da&#x017F;&#x017F;elbige aufzulegen/ und in ihn daru&#x0364;ber zu<lb/>
tringen/ &#x017F;ein mu&#x0364;glich&#x017F;tes gethan/ hat er &#x017F;einem eigenem urtheil <hi rendition="#aq">&#x017F;atisfaction</hi> ge-<lb/>
lei&#x017F;tet. 2. Da aber <hi rendition="#aq">Titius</hi> das ihm auferlegte nicht <hi rendition="#aq">præ&#x017F;ti</hi>ren will/ und derglei-<lb/>
chen <hi rendition="#aq">&#x017F;crupulum con&#x017F;cientiæ,</hi> daß er ohne verletzung des gewi&#x017F;&#x017F;ens/ nicht daß die<lb/>
&#x017F;ache fal&#x017F;ch/ &#x017F;ondern aus andern ur&#x017F;achen/ nicht &#x017F;chweren ko&#x0364;nne/ vorgibt/ daher<lb/>
auch mit gewalt darzu wider &#x017F;ein gewi&#x017F;&#x017F;en nicht gezwungen werden kan/ entgehet<lb/>
zwar der <hi rendition="#aq">&#x017F;entenz</hi> etwas/ nicht aber aus &#x017F;chuld des richters oder <hi rendition="#aq">Semproniæ,</hi> &#x017F;on-<lb/>
dern <hi rendition="#aq">Titii.</hi> 3. Ob al&#x017F;o wol die <hi rendition="#aq">&#x017F;entenz</hi> in einem nicht erfu&#x0364;llet/ hebet doch &#x017F;ol-<lb/>
ches das recht der <hi rendition="#aq">Semproniæ</hi> nicht auf/ oder kan &#x017F;ie aus des andern &#x017F;chuld um<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en wircklichen genuß gebracht werden. 4. Ob wohl die <hi rendition="#aq">Canoni</hi>&#x017F;che rechte<lb/>
ins gemein in un&#x017F;ern <hi rendition="#aq">Con&#x017F;i&#x017F;tori</hi>en zur regel ge&#x017F;etzt werden/ i&#x017F;t doch die verbindung<lb/>
der&#x017F;elben nicht von gleicher krafft/ als was <hi rendition="#aq">in jure divino</hi> befohlen/ das <hi rendition="#aq">indi&#x017F;pen-<lb/>
&#x017F;abel</hi> i&#x017F;t: hingegen kan der Ober-richter in &#x017F;o offenbar gerechter &#x017F;ache gar wohl<lb/>
von jener &#x017F;atzung abgehen/ und da des untern richters &#x017F;pruch in einem &#x017F;tu&#x0364;ck nicht<lb/>
erfu&#x0364;llet worden/ da&#x017F;&#x017F;elbige aufheben/ und nech&#x017F;t der gerichtlichen ge&#x017F;ta&#x0364;ndnu&#x0364;ß des<lb/><hi rendition="#aq">Titii</hi> der <hi rendition="#aq">Semproniæ</hi> von die&#x017F;em nicht wider&#x017F;prochenen eyd vor genug&#x017F;am erkla&#x0364;-<lb/>
ren. Damit 5. ge&#x017F;chiehet niemand unrecht: nicht der <hi rendition="#aq">Semproniæ</hi>/ dann der&#x017F;el-<lb/>
ben wird ihr recht zuge&#x017F;prochen/ das ihr um eines andern wider&#x017F;pen&#x017F;tigkeit ohne<lb/>
unrecht nicht la&#x0364;nger ver&#x017F;agt werden kan: nicht <hi rendition="#aq">Titio</hi>/ der den gantzen grund<lb/>
des urtheils/ &#x017F;einen mangel/ ge&#x017F;tehet: nicht dem <hi rendition="#aq">publico</hi>/ da allem be&#x017F;orgenden<lb/>
a&#x0364;rgernu&#x0364;ß mit recht die nach genug&#x017F;amer erka&#x0364;ntnu&#x0364;ß der &#x017F;achen ausge&#x017F;prochene<lb/><hi rendition="#aq">&#x017F;entenz</hi> entgegen gehalten werden kan/ und entgegen zu halten i&#x017F;t. Der HErr<lb/>
wende alles zum be&#x017F;ten.</p>
            <dateline>1699.</dateline>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">SECTIO XXI.</hi><lb/>
Da eine ehe-frau <hi rendition="#aq">conceptionem</hi> bey &#x017F;ich immer<lb/>
zu hindern trachtet.</hi> </head><lb/>
            <p><hi rendition="#in">D</hi>Em ehemann i&#x017F;t wohl gerathen/ daß er/ da er &#x017F;ich zu enthalten nicht ver-<lb/>
mag/ &#x017F;ich &#x017F;eines von GOTT habenden rechts in dem ehe&#x017F;tand gebrauche/<lb/>
der ehefrau na&#x0364;ch&#x017F;t hertzlichem gebet die &#x017F;chwere ihrer in &#x017F;olcher &#x017F;ach bege-<lb/>
henden &#x017F;u&#x0364;nde beweglich und offt vorhalte/ um ihr gewi&#x017F;&#x017F;en dadurch zu ru&#x0364;hren/ &#x017F;o<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">viel</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[406/0418] Das ſiebende Capitel. Aus der ſpecie facti mag zweyerley entgegen gehalten werden. 1. Daß im vorigen urtheil/ das rechts-kraͤfftig worden/ Titio das juramentum auch zuer- kant worden/ und 2. ſolches auch in Canoniſchen rechten gegruͤndet. Es mag aber dardurch mein gemachter ſchluß hoffentlich nicht umgeſtoſſen werden. Denn 1. das rechts-kraͤfftige urtheil verbindet den richter alles zu thun/ worzu daſſelbige anweiſet. Wo er nun an Titio ihm daſſelbige aufzulegen/ und in ihn daruͤber zu tringen/ ſein muͤglichſtes gethan/ hat er ſeinem eigenem urtheil ſatisfaction ge- leiſtet. 2. Da aber Titius das ihm auferlegte nicht præſtiren will/ und derglei- chen ſcrupulum conſcientiæ, daß er ohne verletzung des gewiſſens/ nicht daß die ſache falſch/ ſondern aus andern urſachen/ nicht ſchweren koͤnne/ vorgibt/ daher auch mit gewalt darzu wider ſein gewiſſen nicht gezwungen werden kan/ entgehet zwar der ſentenz etwas/ nicht aber aus ſchuld des richters oder Semproniæ, ſon- dern Titii. 3. Ob alſo wol die ſentenz in einem nicht erfuͤllet/ hebet doch ſol- ches das recht der Semproniæ nicht auf/ oder kan ſie aus des andern ſchuld um deſſen wircklichen genuß gebracht werden. 4. Ob wohl die Canoniſche rechte ins gemein in unſern Conſiſtorien zur regel geſetzt werden/ iſt doch die verbindung derſelben nicht von gleicher krafft/ als was in jure divino befohlen/ das indiſpen- ſabel iſt: hingegen kan der Ober-richter in ſo offenbar gerechter ſache gar wohl von jener ſatzung abgehen/ und da des untern richters ſpruch in einem ſtuͤck nicht erfuͤllet worden/ daſſelbige aufheben/ und nechſt der gerichtlichen geſtaͤndnuͤß des Titii der Semproniæ von dieſem nicht widerſprochenen eyd vor genugſam erklaͤ- ren. Damit 5. geſchiehet niemand unrecht: nicht der Semproniæ/ dann derſel- ben wird ihr recht zugeſprochen/ das ihr um eines andern widerſpenſtigkeit ohne unrecht nicht laͤnger verſagt werden kan: nicht Titio/ der den gantzen grund des urtheils/ ſeinen mangel/ geſtehet: nicht dem publico/ da allem beſorgenden aͤrgernuͤß mit recht die nach genugſamer erkaͤntnuͤß der ſachen ausgeſprochene ſentenz entgegen gehalten werden kan/ und entgegen zu halten iſt. Der HErr wende alles zum beſten. 1699. SECTIO XXI. Da eine ehe-frau conceptionem bey ſich immer zu hindern trachtet. DEm ehemann iſt wohl gerathen/ daß er/ da er ſich zu enthalten nicht ver- mag/ ſich ſeines von GOTT habenden rechts in dem eheſtand gebrauche/ der ehefrau naͤchſt hertzlichem gebet die ſchwere ihrer in ſolcher ſach bege- henden ſuͤnde beweglich und offt vorhalte/ um ihr gewiſſen dadurch zu ruͤhren/ ſo viel

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/418
Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 406. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/418>, abgerufen am 21.11.2024.