Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.ARTIC. III. SECT. XX. hängigkeit des hertzens an solcher eitelkeit anzeigte: Sie wird auch andere nebensichnicht nur nicht verachten/ sondern so viel glücklicher vor sich preisen/ daß da sie mit der creatur einigerley massen der eitelkeit wider ihren willen muß unterworffen seyn/ jene dieser dienstbarkeit weniger an sich haben. Sie wird auch/ wo sie ohne anstoß dergleichen auslassen und nach ihrem willen sich anschicken darf/ dergleichen auslassen/ und zeigen/ wie ihr hertz dagegen gesinnet seye/ wie abermal das berühmte exempel der Königin Esther zeiget. Auf solche weise ver- sündiget man sich nicht/ sondern mag eben das jenige seyn/ darinnen sich gelegen- heit findet/ unterschiedliche tugenden zu üben. Der HERR regiere diese hohe person und alle andere dessen begierige/ mit seinen heiligen Geist zu erkennen seinen willen/ und denselben zu thun in allen stücken. SECTIO XX. Declaration der nullitet einer ehe/ wegen des mannes inhabilitet, die er gestehet/ aber nicht beschwe- ren will. AUf den vorgelegten casum in der furcht des HERREN zu antworten/ 1. liget zum grunde/ daß zu der ehe/ daß dieselbige göttlicher ordnung ge- mäß seye/ allerdings erfordert werde die tüchtigkeit beyderseits leiber zu der ehelichen beywohnung: welches zeiget so wol der haupt-zweck des kinder-zeugens/ als auch der durch den fall darzu gekommene nebens-zweck/ der aber in gegenwär- tigen stande nicht von weniger nothwendigkeit ist/ die vermeidung der hurerey/ und artzney gegen die brunst/ die sonst an leib und seele schaden kan. 1. Cor. 7/ 2. 9. Wo es also von einer seiten an der tüchtigkeit dazu manglet/ so sind solche perso- nen entweder aus irrthum zusammen gekommen/ die doch GOtt und die natur darzu nicht verordnet haben kan/ oder welches noch ärger/ hat ein theil den andern aus boßheit betriegen wollen: Es ist aber ihre ehe/ als welche den von GOTT ge- ordneten zweck nie erreichen können/ niemal auch von anfang gültig gewesen/ noch hat ein festes band zwischen ihnen/ sonderlich zum nachtheil des unschuldigen theils/ gebunden werden können. Daher auch was unter ihnen unter dem namen der ehe erstlich geschlossen/ und sie zusammen gebracht worden/ nicht erst wiederum ei- genlich gelöset/ oder die ehe aufgehoben/ werden darf/ sondern ist gnug/ daß die nul- litet declarirt/ und also daß nie keine beständige ehe unter den vermeinten cheleu- ten gewesen/ richterlich ausgesprochen werde. 2. Dann wie in andern stücken/ also auch in diesem/ stehet dem zwar un- schuldigen theil nicht frey/ ihm selbs recht zu schaffen/ von dem andern weg zugehen/ und e e e 2
ARTIC. III. SECT. XX. haͤngigkeit des hertzens an ſolcher eitelkeit anzeigte: Sie wird auch andere nebenſichnicht nur nicht verachten/ ſondern ſo viel gluͤcklicher vor ſich preiſen/ daß da ſie mit der creatur einigerley maſſen der eitelkeit wider ihren willen muß unterworffen ſeyn/ jene dieſer dienſtbarkeit weniger an ſich haben. Sie wird auch/ wo ſie ohne anſtoß dergleichen auslaſſen und nach ihrem willen ſich anſchicken darf/ dergleichen auslaſſen/ und zeigen/ wie ihr hertz dagegen geſinnet ſeye/ wie abermal das beruͤhmte exempel der Koͤnigin Eſther zeiget. Auf ſolche weiſe ver- ſuͤndiget man ſich nicht/ ſondern mag eben das jenige ſeyn/ darinnen ſich gelegen- heit findet/ unterſchiedliche tugenden zu uͤben. Der HERR regiere dieſe hohe perſon und alle andere deſſen begierige/ mit ſeinen heiligen Geiſt zu erkennen ſeinen willen/ und denſelben zu thun in allen ſtuͤcken. SECTIO XX. Declaration der nullitet einer ehe/ wegen des mannes inhabilitet, die er geſtehet/ aber nicht beſchwe- ren will. AUf den vorgelegten caſum in der furcht des HERREN zu antworten/ 1. liget zum grunde/ daß zu der ehe/ daß dieſelbige goͤttlicher ordnung ge- maͤß ſeye/ allerdings erfordert werde die tuͤchtigkeit beyderſeits leiber zu der ehelichen beywohnung: welches zeiget ſo wol der haupt-zweck des kinder-zeugens/ als auch der durch den fall darzu gekommene nebens-zweck/ der aber in gegenwaͤr- tigen ſtande nicht von weniger nothwendigkeit iſt/ die vermeidung der hurerey/ und artzney gegen die brunſt/ die ſonſt an leib und ſeele ſchaden kan. 1. Cor. 7/ 2. 9. Wo es alſo von einer ſeiten an der tuͤchtigkeit dazu manglet/ ſo ſind ſolche perſo- nen entweder aus irrthum zuſammen gekommen/ die doch GOtt und die natur darzu nicht verordnet haben kan/ oder welches noch aͤrger/ hat ein theil den andern aus boßheit betriegen wollen: Es iſt aber ihre ehe/ als welche den von GOTT ge- ordneten zweck nie erreichen koͤnnen/ niemal auch von anfang guͤltig geweſen/ noch hat ein feſtes band zwiſchen ihnen/ ſonderlich zum nachtheil des unſchuldigen theils/ gebunden werden koͤnnen. Daher auch was unter ihnen unter dem namen der ehe erſtlich geſchloſſen/ und ſie zuſammen gebracht worden/ nicht erſt wiederum ei- genlich geloͤſet/ oder die ehe aufgehoben/ werden darf/ ſondern iſt gnug/ daß die nul- litet declarirt/ und alſo daß nie keine beſtaͤndige ehe unter den vermeinten cheleu- ten geweſen/ richterlich ausgeſprochen werde. 2. Dann wie in andern ſtuͤcken/ alſo auch in dieſem/ ſtehet dem zwar un- ſchuldigen theil nicht frey/ ihm ſelbs recht zu ſchaffen/ von dem andern weg zugehen/ und e e e 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <list> <item><pb facs="#f0415" n="403"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">ARTIC. III. SECT. XX.</hi></hi></fw><lb/> haͤngigkeit des hertzens an ſolcher eitelkeit anzeigte: Sie wird auch andere neben<lb/> ſichnicht nur nicht verachten/ ſondern ſo viel gluͤcklicher vor ſich preiſen/ daß da ſie<lb/> mit der creatur einigerley maſſen der eitelkeit wider ihren willen muß unterworffen<lb/> ſeyn/ jene dieſer dienſtbarkeit weniger an ſich haben. Sie wird auch/ wo ſie<lb/> ohne anſtoß dergleichen auslaſſen und nach ihrem willen ſich anſchicken darf/<lb/> dergleichen auslaſſen/ und zeigen/ wie ihr hertz dagegen geſinnet ſeye/ wie<lb/> abermal das beruͤhmte exempel der Koͤnigin Eſther zeiget. Auf ſolche weiſe ver-<lb/> ſuͤndiget man ſich nicht/ ſondern mag eben das jenige ſeyn/ darinnen ſich gelegen-<lb/> heit findet/ unterſchiedliche tugenden zu uͤben. Der HERR regiere dieſe hohe<lb/> perſon und alle andere deſſen begierige/ mit ſeinen heiligen Geiſt zu erkennen ſeinen<lb/> willen/ und denſelben zu thun in allen ſtuͤcken.</item> </list> <dateline>1683.</dateline> </div><lb/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">SECTIO</hi> XX.<lb/> Declaration</hi> der <hi rendition="#aq">nullitet</hi> einer ehe/ wegen des<lb/> mannes <hi rendition="#aq">inhabilitet,</hi> die er geſtehet/ aber nicht beſchwe-<lb/> ren will.</hi> </head><lb/> <list> <item><hi rendition="#in">A</hi>Uf den vorgelegten <hi rendition="#aq">caſum</hi> in der furcht des <hi rendition="#g">HERREN</hi> zu antworten/<lb/> 1. liget zum grunde/ daß zu der ehe/ daß dieſelbige goͤttlicher ordnung ge-<lb/> maͤß ſeye/ allerdings erfordert werde die tuͤchtigkeit beyderſeits leiber zu der<lb/> ehelichen beywohnung: welches zeiget ſo wol der haupt-zweck des kinder-zeugens/<lb/> als auch der durch den fall darzu gekommene nebens-zweck/ der aber in gegenwaͤr-<lb/> tigen ſtande nicht von weniger nothwendigkeit iſt/ die vermeidung der hurerey/ und<lb/> artzney gegen die brunſt/ die ſonſt an leib und ſeele ſchaden kan. 1. <hi rendition="#fr">Cor. 7/ 2. 9.</hi><lb/> Wo es alſo von einer ſeiten an der tuͤchtigkeit dazu manglet/ ſo ſind ſolche perſo-<lb/> nen entweder aus irrthum zuſammen gekommen/ die doch GOtt und die natur<lb/> darzu nicht verordnet haben kan/ oder welches noch aͤrger/ hat ein theil den andern<lb/> aus boßheit betriegen wollen: Es iſt aber ihre ehe/ als welche den von GOTT ge-<lb/> ordneten zweck nie erreichen koͤnnen/ niemal auch von anfang guͤltig geweſen/ noch<lb/> hat ein feſtes band zwiſchen ihnen/ ſonderlich zum nachtheil des unſchuldigen theils/<lb/> gebunden werden koͤnnen. Daher auch was unter ihnen unter dem namen der<lb/> ehe erſtlich geſchloſſen/ und ſie zuſammen gebracht worden/ nicht erſt wiederum ei-<lb/> genlich geloͤſet/ oder die ehe aufgehoben/ werden darf/ ſondern iſt gnug/ daß die <hi rendition="#aq">nul-<lb/> litet declari</hi>rt/ und alſo daß nie keine beſtaͤndige ehe unter den vermeinten cheleu-<lb/> ten geweſen/ richterlich ausgeſprochen werde.</item><lb/> <item>2. Dann wie in andern ſtuͤcken/ alſo auch in dieſem/ ſtehet dem zwar un-<lb/> ſchuldigen theil nicht frey/ ihm ſelbs recht zu ſchaffen/ von dem andern weg zugehen/<lb/> <fw place="bottom" type="sig">e e e 2</fw><fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></item> </list> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [403/0415]
ARTIC. III. SECT. XX.
haͤngigkeit des hertzens an ſolcher eitelkeit anzeigte: Sie wird auch andere neben
ſichnicht nur nicht verachten/ ſondern ſo viel gluͤcklicher vor ſich preiſen/ daß da ſie
mit der creatur einigerley maſſen der eitelkeit wider ihren willen muß unterworffen
ſeyn/ jene dieſer dienſtbarkeit weniger an ſich haben. Sie wird auch/ wo ſie
ohne anſtoß dergleichen auslaſſen und nach ihrem willen ſich anſchicken darf/
dergleichen auslaſſen/ und zeigen/ wie ihr hertz dagegen geſinnet ſeye/ wie
abermal das beruͤhmte exempel der Koͤnigin Eſther zeiget. Auf ſolche weiſe ver-
ſuͤndiget man ſich nicht/ ſondern mag eben das jenige ſeyn/ darinnen ſich gelegen-
heit findet/ unterſchiedliche tugenden zu uͤben. Der HERR regiere dieſe hohe
perſon und alle andere deſſen begierige/ mit ſeinen heiligen Geiſt zu erkennen ſeinen
willen/ und denſelben zu thun in allen ſtuͤcken.
1683.
SECTIO XX.
Declaration der nullitet einer ehe/ wegen des
mannes inhabilitet, die er geſtehet/ aber nicht beſchwe-
ren will.
AUf den vorgelegten caſum in der furcht des HERREN zu antworten/
1. liget zum grunde/ daß zu der ehe/ daß dieſelbige goͤttlicher ordnung ge-
maͤß ſeye/ allerdings erfordert werde die tuͤchtigkeit beyderſeits leiber zu der
ehelichen beywohnung: welches zeiget ſo wol der haupt-zweck des kinder-zeugens/
als auch der durch den fall darzu gekommene nebens-zweck/ der aber in gegenwaͤr-
tigen ſtande nicht von weniger nothwendigkeit iſt/ die vermeidung der hurerey/ und
artzney gegen die brunſt/ die ſonſt an leib und ſeele ſchaden kan. 1. Cor. 7/ 2. 9.
Wo es alſo von einer ſeiten an der tuͤchtigkeit dazu manglet/ ſo ſind ſolche perſo-
nen entweder aus irrthum zuſammen gekommen/ die doch GOtt und die natur
darzu nicht verordnet haben kan/ oder welches noch aͤrger/ hat ein theil den andern
aus boßheit betriegen wollen: Es iſt aber ihre ehe/ als welche den von GOTT ge-
ordneten zweck nie erreichen koͤnnen/ niemal auch von anfang guͤltig geweſen/ noch
hat ein feſtes band zwiſchen ihnen/ ſonderlich zum nachtheil des unſchuldigen theils/
gebunden werden koͤnnen. Daher auch was unter ihnen unter dem namen der
ehe erſtlich geſchloſſen/ und ſie zuſammen gebracht worden/ nicht erſt wiederum ei-
genlich geloͤſet/ oder die ehe aufgehoben/ werden darf/ ſondern iſt gnug/ daß die nul-
litet declarirt/ und alſo daß nie keine beſtaͤndige ehe unter den vermeinten cheleu-
ten geweſen/ richterlich ausgeſprochen werde.
2. Dann wie in andern ſtuͤcken/ alſo auch in dieſem/ ſtehet dem zwar un-
ſchuldigen theil nicht frey/ ihm ſelbs recht zu ſchaffen/ von dem andern weg zugehen/
und
e e e 2
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |