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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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ARTIC. II. SECTIO XXXIII.
SECTIO XXXIII.
Von der prediger privat-umgang zur
erbauung.

WAs die individual aufsicht anlangt/ kan dieselbe alsdann auch erst
practicirt werden/ nachdem man die seinige hat kennen gelernet.
So hielte ich dieses vor ein treffliches mittel dazu/ und würde des-
sen practisirung viel malcontenten sehr bewegen/ wo jeglicher so viel als er
zeit hat/ einige seiner beicht-kinder zuweilen besuchete/ aber alsdann keine ge-
meine weltliche gespräche führete/ sondern gelegenheit zu einiger auferbauung
suchte/ sich ihres zustands und der ihrigen freundlich erkundigte/ und alsdann
nach befinden mit rath und zuspruch an die hand ginge. Jch bin vielfältig
deßwegen ausgegangen/ aber selten das vermögen darzu gefunden/ weil ich
insgesamt zu der privat-conversation weniger tüchtig: dannoch einige mal
ists nicht leer abgegangen; Wo ich aber keine aufweckung gehabt/ und wie-
der nach hause kam/ hat mich offt meine untüchtigkeit und fast verlohrne zeit
betrübet. Also auch wo wir etwa bey guten freunden zur mahlzeit sind/ sol-
ten wir uns data opera dahin befleissen daß abermal die tisch gespräche nicht
bloß politisch wären/ sondern die seelen auch etwas von uns zu geniessen hät-
ten. Jch erkenne aber wiederum meine ungeschicklichkeit in diesem stück/ und
wie ich selten ob mirs wol fast allezeit expresse vorgenommen gehabt/ dazu zu
gelangen vermocht: Doch hat mir einige mal der HErr den mund aufge-
than/ daß die mit-gäste eben nicht ohne aufmunterung geblieben/ und einiges
wol tieffer als in den predigten durchgedrungen. Gewißlich wo wir dieses
thäten/ würde vieles erbauet/ und sinistrae suspiciones abgelehnet werden/
welche stäts bleiben/ wo man in gesprächen und übriger conversation nichts
an uns vor andern siehet/ sondern was zur erbauung gehören solle/ simplici-
ter
auf die cantzel und expresse amts-verrichtungen restringiret/ oder doch
ausser diesen nichts bey und von uns gesehen wird. Der HERR öffne uns
die augen mehr und mehr/ daß wir sehen/ was sein wille an uns und ande-
re seye/ und denselben zu erfüllen seine gnade/ krafft/ trieb und segen erlan-
gen.

SECTIO XXXIV.
Gabe absonderlicher handlung mit den leuten.
Wegen des beichtstuhls u. des dabey findenden verder-

bens.
IV. Theil. q q
ARTIC. II. SECTIO XXXIII.
SECTIO XXXIII.
Von der prediger privat-umgang zur
erbauung.

WAs die individual aufſicht anlangt/ kan dieſelbe alsdann auch erſt
practicirt werden/ nachdem man die ſeinige hat kennen gelernet.
So hielte ich dieſes vor ein treffliches mittel dazu/ und wuͤrde deſ-
ſen practiſirung viel malcontenten ſehr bewegen/ wo jeglicher ſo viel als er
zeit hat/ einige ſeiner beicht-kinder zuweilen beſuchete/ aber alsdann keine ge-
meine weltliche geſpraͤche fuͤhrete/ ſondern gelegenheit zu einiger auferbauung
ſuchte/ ſich ihres zuſtands und der ihrigen freundlich erkundigte/ und alsdañ
nach befinden mit rath und zuſpruch an die hand ginge. Jch bin vielfaͤltig
deßwegen ausgegangen/ aber ſelten das vermoͤgen darzu gefunden/ weil ich
insgeſamt zu der privat-converſation weniger tuͤchtig: dannoch einige mal
iſts nicht leer abgegangen; Wo ich aber keine aufweckung gehabt/ und wie-
der nach hauſe kam/ hat mich offt meine untuͤchtigkeit und faſt verlohrne zeit
betruͤbet. Alſo auch wo wir etwa bey guten freunden zur mahlzeit ſind/ ſol-
ten wir uns data opera dahin befleiſſen daß abermal die tiſch geſpraͤche nicht
bloß politiſch waͤren/ ſondern die ſeelen auch etwas von uns zu genieſſen haͤt-
ten. Jch erkenne aber wiederum meine ungeſchicklichkeit in dieſem ſtuͤck/ und
wie ich ſelten ob mirs wol faſt allezeit expreſſe vorgenommen gehabt/ dazu zu
gelangen vermocht: Doch hat mir einige mal der HErr den mund aufge-
than/ daß die mit-gaͤſte eben nicht ohne aufmunterung geblieben/ und einiges
wol tieffer als in den predigten durchgedrungen. Gewißlich wo wir dieſes
thaͤten/ wuͤrde vieles erbauet/ und ſiniſtræ ſuſpiciones abgelehnet werden/
welche ſtaͤts bleiben/ wo man in geſpraͤchen und uͤbriger converſation nichts
an uns vor andern ſiehet/ ſondern was zur erbauung gehoͤren ſolle/ ſimplici-
ter
auf die cantzel und expreſſe amts-verrichtungen reſtringiret/ oder doch
auſſer dieſen nichts bey und von uns geſehen wird. Der HERR oͤffne uns
die augen mehr und mehr/ daß wir ſehen/ was ſein wille an uns und ande-
re ſeye/ und denſelben zu erfuͤllen ſeine gnade/ krafft/ trieb und ſegen erlan-
gen.

SECTIO XXXIV.
Gabe abſonderlicher handlung mit den leuten.
Wegen des beichtſtuhls u. des dabey findenden verder-

bens.
IV. Theil. q q
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[305/0317] ARTIC. II. SECTIO XXXIII. SECTIO XXXIII. Von der prediger privat-umgang zur erbauung. WAs die individual aufſicht anlangt/ kan dieſelbe alsdann auch erſt practicirt werden/ nachdem man die ſeinige hat kennen gelernet. So hielte ich dieſes vor ein treffliches mittel dazu/ und wuͤrde deſ- ſen practiſirung viel malcontenten ſehr bewegen/ wo jeglicher ſo viel als er zeit hat/ einige ſeiner beicht-kinder zuweilen beſuchete/ aber alsdann keine ge- meine weltliche geſpraͤche fuͤhrete/ ſondern gelegenheit zu einiger auferbauung ſuchte/ ſich ihres zuſtands und der ihrigen freundlich erkundigte/ und alsdañ nach befinden mit rath und zuſpruch an die hand ginge. Jch bin vielfaͤltig deßwegen ausgegangen/ aber ſelten das vermoͤgen darzu gefunden/ weil ich insgeſamt zu der privat-converſation weniger tuͤchtig: dannoch einige mal iſts nicht leer abgegangen; Wo ich aber keine aufweckung gehabt/ und wie- der nach hauſe kam/ hat mich offt meine untuͤchtigkeit und faſt verlohrne zeit betruͤbet. Alſo auch wo wir etwa bey guten freunden zur mahlzeit ſind/ ſol- ten wir uns data opera dahin befleiſſen daß abermal die tiſch geſpraͤche nicht bloß politiſch waͤren/ ſondern die ſeelen auch etwas von uns zu genieſſen haͤt- ten. Jch erkenne aber wiederum meine ungeſchicklichkeit in dieſem ſtuͤck/ und wie ich ſelten ob mirs wol faſt allezeit expreſſe vorgenommen gehabt/ dazu zu gelangen vermocht: Doch hat mir einige mal der HErr den mund aufge- than/ daß die mit-gaͤſte eben nicht ohne aufmunterung geblieben/ und einiges wol tieffer als in den predigten durchgedrungen. Gewißlich wo wir dieſes thaͤten/ wuͤrde vieles erbauet/ und ſiniſtræ ſuſpiciones abgelehnet werden/ welche ſtaͤts bleiben/ wo man in geſpraͤchen und uͤbriger converſation nichts an uns vor andern ſiehet/ ſondern was zur erbauung gehoͤren ſolle/ ſimplici- ter auf die cantzel und expreſſe amts-verrichtungen reſtringiret/ oder doch auſſer dieſen nichts bey und von uns geſehen wird. Der HERR oͤffne uns die augen mehr und mehr/ daß wir ſehen/ was ſein wille an uns und ande- re ſeye/ und denſelben zu erfuͤllen ſeine gnade/ krafft/ trieb und ſegen erlan- gen. 1686. SECTIO XXXIV. Gabe abſonderlicher handlung mit den leuten. Wegen des beichtſtuhls u. des dabey findenden verder- bens. IV. Theil. q q

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/317>, abgerufen am 21.11.2024.