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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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Das siebende Capitel.
SECTIO III.
Antwort auf unterschiedliche fragen über lehr-
puncten und einige pflichten.
1. Was einen menschen zum Christen mache?

JCh praesupponire; es werde hier geredet von dem mittel von unserer
seiten, denn wo von Gottes seiten gefraget würde, so gehört dahin
Gottes gnad, Christi verdienst, des heiligen Geistes wirckung, das
Evangelium und so ferner. Wo aber die meinung der frage ist, was von
uns erfordert werde, darinn wir Christen werden, so sage/ ich allein der
glaube,
aber der wahre lebendige glaube. Und also ein solcher glaube, des-
sen erkäntniß nicht aus menschlichem verstand, sondern erleuchtung des
heiligen Geistes, dessen beyfall nicht aus menschlicher persuasion, sondern
abermal des heiligen Geistes versieglung, dessen zuversicht nicht aus fleisch-
licher sicherheit entstehet, sondern der gnädigen wirckung wiederum des
heiligen Geistes: Welcher stücke aber niemand fähig ist, als welcher sich in
göttliche ordnung gibt. Mit wenigen worten ein solcher glaube, wie ihn
Lutherus beschreibet in der vorrede über die Epistel an die Römer, welcher
ein göttlich werck in uns ist, das uns wandelt und neugebieh[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]et aus
Gott, und tödtet den alten Adam, machet uns gantz andere men-
schen, von hertzen, muth, sinn und allen kräfften und bringet den hei-
ligen Geist mit sich, u. s. w.
Welcher glaube nicht dieser art ist, der machet
keine Christen. Und daher, welche menschen noch allein alte menschen sind,
tödten die sünde nicht in sich, sondern leben noch der sünde, hingegen leben
noch nicht von gantzem hertzen der gerechtigkeit, nicht sich selbs, wie Paulus
saget 2. Cor. 5, 15. sondern demjenigen, der für sie gestorben und aufgestan-
den ist, und also der allermeiste hauff der jenigen, welche vor Christen gehal-
ten werden, auch sich selbs davor halten, sind vor GOtt keine Christen nicht,
noch haben sich in solchem stande der den Christen versprochenen güter zu trö-
sten. Ein Christ ist mit Christo vereiniget und seines leibes glied, eine neue
creatur, hat nun nicht mehr seinen wandel auf erden, sondern in dem him-
mel, also welcher mit der bösen welt noch vereiniget ist, dienet dem satan und
seinem fleisch in einigen fleischlichen lüsten, die er nicht sucht zu dämpffen, blei-
bet in der alten geburt ligen, und setzt sein datum noch auf das irdische,
seine ehre, nutzen, lust zu suchen, der ist nach GOttes wort nicht eigenlich
und in der that ein Christ.

2. Wie
Das ſiebende Capitel.
SECTIO III.
Antwort auf unterſchiedliche fragen uͤber lehr-
puncten und einige pflichten.
1. Was einen menſchen zum Chriſten mache?

JCh præſupponire; es werde hier geredet von dem mittel von unſerer
ſeiten, denn wo von Gottes ſeiten gefraget wuͤrde, ſo gehoͤrt dahin
Gottes gnad, Chriſti verdienſt, des heiligen Geiſtes wirckung, das
Evangelium und ſo ferner. Wo aber die meinung der frage iſt, was von
uns erfordert werde, darinn wir Chriſten werden, ſo ſage/ ich allein der
glaube,
aber der wahre lebendige glaube. Und alſo ein ſolcher glaube, deſ-
ſen erkaͤntniß nicht aus menſchlichem verſtand, ſondern erleuchtung des
heiligen Geiſtes, deſſen beyfall nicht aus menſchlicher perſuaſion, ſondern
abermal des heiligen Geiſtes verſieglung, deſſen zuverſicht nicht aus fleiſch-
licher ſicherheit entſtehet, ſondern der gnaͤdigen wirckung wiederum des
heiligen Geiſtes: Welcher ſtuͤcke aber niemand faͤhig iſt, als welcher ſich in
goͤttliche ordnung gibt. Mit wenigen worten ein ſolcher glaube, wie ihn
Lutherus beſchreibet in der vorrede uͤber die Epiſtel an die Roͤmer, welcher
ein goͤttlich werck in uns iſt, das uns wandelt und neugebieh[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]et aus
Gott, und toͤdtet den alten Adam, machet uns gantz andere men-
ſchen, von hertzen, muth, ſinn und allen kraͤfften und bringet den hei-
ligen Geiſt mit ſich, u. ſ. w.
Welcher glaube nicht dieſer art iſt, der machet
keine Chriſten. Und daher, welche menſchen noch allein alte menſchen ſind,
toͤdten die ſuͤnde nicht in ſich, ſondern leben noch der ſuͤnde, hingegen leben
noch nicht von gantzem hertzen der gerechtigkeit, nicht ſich ſelbs, wie Paulus
ſaget 2. Cor. 5, 15. ſondern demjenigen, der fuͤr ſie geſtorben und aufgeſtan-
den iſt, und alſo der allermeiſte hauff der jenigen, welche vor Chriſten gehal-
ten werden, auch ſich ſelbs davor halten, ſind vor GOtt keine Chriſten nicht,
noch haben ſich in ſolchem ſtande der den Chriſten verſprochenen guͤter zu troͤ-
ſten. Ein Chriſt iſt mit Chriſto vereiniget und ſeines leibes glied, eine neue
creatur, hat nun nicht mehr ſeinen wandel auf erden, ſondern in dem him-
mel, alſo welcher mit der boͤſen welt noch vereiniget iſt, dienet dem ſatan und
ſeinem fleiſch in einigen fleiſchlichen luͤſten, die er nicht ſucht zu daͤmpffen, blei-
bet in der alten geburt ligen, und ſetzt ſein datum noch auf das irdiſche,
ſeine ehre, nutzen, luſt zu ſuchen, der iſt nach GOttes wort nicht eigenlich
und in der that ein Chriſt.

2. Wie
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[14/0026] Das ſiebende Capitel. SECTIO III. Antwort auf unterſchiedliche fragen uͤber lehr- puncten und einige pflichten. 1. Was einen menſchen zum Chriſten mache? JCh præſupponire; es werde hier geredet von dem mittel von unſerer ſeiten, denn wo von Gottes ſeiten gefraget wuͤrde, ſo gehoͤrt dahin Gottes gnad, Chriſti verdienſt, des heiligen Geiſtes wirckung, das Evangelium und ſo ferner. Wo aber die meinung der frage iſt, was von uns erfordert werde, darinn wir Chriſten werden, ſo ſage/ ich allein der glaube, aber der wahre lebendige glaube. Und alſo ein ſolcher glaube, deſ- ſen erkaͤntniß nicht aus menſchlichem verſtand, ſondern erleuchtung des heiligen Geiſtes, deſſen beyfall nicht aus menſchlicher perſuaſion, ſondern abermal des heiligen Geiſtes verſieglung, deſſen zuverſicht nicht aus fleiſch- licher ſicherheit entſtehet, ſondern der gnaͤdigen wirckung wiederum des heiligen Geiſtes: Welcher ſtuͤcke aber niemand faͤhig iſt, als welcher ſich in goͤttliche ordnung gibt. Mit wenigen worten ein ſolcher glaube, wie ihn Lutherus beſchreibet in der vorrede uͤber die Epiſtel an die Roͤmer, welcher ein goͤttlich werck in uns iſt, das uns wandelt und neugebieh_et aus Gott, und toͤdtet den alten Adam, machet uns gantz andere men- ſchen, von hertzen, muth, ſinn und allen kraͤfften und bringet den hei- ligen Geiſt mit ſich, u. ſ. w. Welcher glaube nicht dieſer art iſt, der machet keine Chriſten. Und daher, welche menſchen noch allein alte menſchen ſind, toͤdten die ſuͤnde nicht in ſich, ſondern leben noch der ſuͤnde, hingegen leben noch nicht von gantzem hertzen der gerechtigkeit, nicht ſich ſelbs, wie Paulus ſaget 2. Cor. 5, 15. ſondern demjenigen, der fuͤr ſie geſtorben und aufgeſtan- den iſt, und alſo der allermeiſte hauff der jenigen, welche vor Chriſten gehal- ten werden, auch ſich ſelbs davor halten, ſind vor GOtt keine Chriſten nicht, noch haben ſich in ſolchem ſtande der den Chriſten verſprochenen guͤter zu troͤ- ſten. Ein Chriſt iſt mit Chriſto vereiniget und ſeines leibes glied, eine neue creatur, hat nun nicht mehr ſeinen wandel auf erden, ſondern in dem him- mel, alſo welcher mit der boͤſen welt noch vereiniget iſt, dienet dem ſatan und ſeinem fleiſch in einigen fleiſchlichen luͤſten, die er nicht ſucht zu daͤmpffen, blei- bet in der alten geburt ligen, und ſetzt ſein datum noch auf das irdiſche, ſeine ehre, nutzen, luſt zu ſuchen, der iſt nach GOttes wort nicht eigenlich und in der that ein Chriſt. 2. Wie

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/26>, abgerufen am 21.11.2024.