es in den leib, daraus es genommen, nicht mehr wircken könte. Wo sie a- ber solches nicht in händen haben, kan nicht glauben, daß sie alsdann nach ihrem willen etwas in den leibern und geblüt der kinder wircken könten, son- dern wüßte solches alsdenn nicht anders als dem teufel allein zuzuschreiben.
Die vierte frage. Ob ohne wirckliche gegenwart der hexen dieselbe können einem schlaffenden kind so eigenlich vorkommen, daß es glaubwürdi- ge reden, werck und trohungen von denselben zu erzehlen wisse.
ES gehöret auch diese frage mehr den physicis zu, und nachdem die- selbe nicht zugeben, daß die seele der menschen ohne dessen tod jemal ausser dem leibe seyn könne, so ist unmöglich, weil praesupponiret wird, daß die hexen nach dem leib nicht gegenwärtig seyn, daß sie dann etwas selbs mit den abwesenden kindern handelten, indem die menschliche handelun- gen die gegenwart erfordern; sondern alles solches, was alsdann den kindern vorgestellet wird, kan ich nicht begreiffen anders zu geschehen, als daß der teu- fel solches thue, welches dem tausend-künstler, der Matth. am 4. unserm Heyland in einem augenblick alle reiche der welt mit ihrer herrlichkeit vorgestellet hat, ein nicht so schwere sache seyn wird so wol den hexen vorzu- stellen, was er bey den kindern thut, daß sie selbs meinen gegenwärtig zu seyn, als auch den kindern dasjenige vorzubilden, was diese gern hätten.
Die fünffte frage. Wie ein kind viel personen bey der hexen versamlung, die es sein lebtag nie gesehen, doch so eigenlich nach den geberden, kleidern und andern beschreiben könne, als wann es die vor sich in seiner kammer gesehen hätte?
ALles solches kan nicht wol anders geschehen, als daß der teufel, nach dem die phantasie entweder durch das mißhandelte blut von den he- xen, oder von ihme selbs verwirret worden, eine solche comoedie denselben repraesentiret, wie ers obgedachter massen bey CHristo ohne ver- wirrung dessen phantasie ausser ihme gethan hat. Ob ich wol die art in der phantasie solches zu thun nicht dermassen nach genügen fasse, aber etlicher massen daraus begreifflich achte, wie die seele in ihr selbs solche seltzame auf- züge in dem traum sich offters darstellt, da man alles etwa so distincte bey sich sihet und gewahr zu werden meinet, als ob es wahrhafftig geschehe.
Jn-
Das ſiebende Capitel.
es in den leib, daraus es genommen, nicht mehr wircken koͤnte. Wo ſie a- ber ſolches nicht in haͤnden haben, kan nicht glauben, daß ſie alsdann nach ihrem willen etwas in den leibern und gebluͤt der kinder wircken koͤnten, ſon- dern wuͤßte ſolches alsdenn nicht anders als dem teufel allein zuzuſchreiben.
Die vierte frage. Ob ohne wirckliche gegenwart der hexen dieſelbe koͤnnen einem ſchlaffenden kind ſo eigenlich vorkommen, daß es glaubwuͤrdi- ge reden, werck und trohungen von denſelben zu eꝛzehlen wiſſe.
ES gehoͤret auch dieſe frage mehr den phyſicis zu, und nachdem die- ſelbe nicht zugeben, daß die ſeele der menſchen ohne deſſen tod jemal auſſer dem leibe ſeyn koͤnne, ſo iſt unmoͤglich, weil præſupponiret wird, daß die hexen nach dem leib nicht gegenwaͤrtig ſeyn, daß ſie dann etwas ſelbs mit den abweſenden kindern handelten, indem die menſchliche handelun- gen die gegenwart erfordern; ſondern alles ſolches, was alsdann den kindern vorgeſtellet wird, kan ich nicht begreiffen anders zu geſchehen, als daß der teu- fel ſolches thue, welches dem tauſend-kuͤnſtler, der Matth. am 4. unſerm Heyland in einem augenblick alle reiche der welt mit ihrer herrlichkeit vorgeſtellet hat, ein nicht ſo ſchwere ſache ſeyn wird ſo wol den hexen vorzu- ſtellen, was er bey den kindern thut, daß ſie ſelbs meinen gegenwaͤrtig zu ſeyn, als auch den kindern dasjenige vorzubilden, was dieſe gern haͤtten.
Die fuͤnffte frage. Wie ein kind viel perſonen bey der hexen verſamlung, die es ſein lebtag nie geſehen, doch ſo eigenlich nach den gebeꝛden, kleidern und andern beſchreiben koͤnne, als wann es die vor ſich in ſeiner kammer geſehen haͤtte?
ALles ſolches kan nicht wol anders geſchehen, als daß der teufel, nach dem die phantaſie entweder durch das mißhandelte blut von den he- xen, oder von ihme ſelbs verwirret worden, eine ſolche comœdie denſelben repræſentiret, wie ers obgedachter maſſen bey CHriſto ohne ver- wirrung deſſen phantaſie auſſer ihme gethan hat. Ob ich wol die art in der phantaſie ſolches zu thun nicht dermaſſen nach genuͤgen faſſe, aber etlicher maſſen daraus begreifflich achte, wie die ſeele in ihr ſelbs ſolche ſeltzame auf- zuͤge in dem traum ſich offters darſtellt, da man alles etwa ſo diſtincte bey ſich ſihet und gewahr zu werden meinet, als ob es wahrhafftig geſchehe.
Jn-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0174"n="162"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Das ſiebende Capitel.</hi></fw><lb/>
es in den leib, daraus es genommen, nicht mehr wircken koͤnte. Wo ſie a-<lb/>
ber ſolches nicht in haͤnden haben, kan nicht glauben, daß ſie alsdann nach<lb/>
ihrem willen etwas in den leibern und gebluͤt der kinder wircken koͤnten, ſon-<lb/>
dern wuͤßte ſolches alsdenn nicht anders als dem teufel allein zuzuſchreiben.</p></div><lb/><divn="4"><head><hirendition="#b">Die vierte frage.</hi><lb/><hirendition="#fr">Ob ohne wirckliche gegenwart der hexen dieſelbe koͤnnen einem<lb/>ſchlaffenden kind ſo eigenlich vorkommen, daß es glaubwuͤrdi-<lb/>
ge reden, werck und trohungen von denſelben zu eꝛzehlen wiſſe.</hi></head><lb/><p><hirendition="#in">E</hi>S gehoͤret auch dieſe frage mehr den <hirendition="#aq">phyſicis</hi> zu, und nachdem die-<lb/>ſelbe nicht zugeben, daß die ſeele der menſchen ohne deſſen tod jemal<lb/>
auſſer dem leibe ſeyn koͤnne, ſo iſt unmoͤglich, weil <hirendition="#aq">præſupponir</hi>et<lb/>
wird, daß die hexen nach dem leib nicht gegenwaͤrtig ſeyn, daß ſie dann etwas<lb/>ſelbs mit den abweſenden kindern handelten, indem die menſchliche handelun-<lb/>
gen die gegenwart erfordern; ſondern alles ſolches, was alsdann den kindern<lb/>
vorgeſtellet wird, kan ich nicht begreiffen anders zu geſchehen, als daß der teu-<lb/>
fel ſolches thue, welches dem tauſend-kuͤnſtler, der <hirendition="#fr">Matth.</hi> am 4. unſerm<lb/>
Heyland in einem augenblick <hirendition="#fr">alle reiche der welt mit ihrer herrlichkeit</hi><lb/>
vorgeſtellet hat, ein nicht ſo ſchwere ſache ſeyn wird ſo wol den hexen vorzu-<lb/>ſtellen, was er bey den kindern thut, daß ſie ſelbs meinen gegenwaͤrtig zu<lb/>ſeyn, als auch den kindern dasjenige vorzubilden, was dieſe gern haͤtten.</p></div><lb/><divn="4"><head><hirendition="#b">Die fuͤnffte frage.</hi><lb/><hirendition="#fr">Wie ein kind viel perſonen bey der hexen verſamlung, die es ſein<lb/>
lebtag nie geſehen, doch ſo eigenlich nach den gebeꝛden, kleidern<lb/>
und andern beſchreiben koͤnne, als wann es die vor ſich in ſeiner<lb/>
kammer geſehen haͤtte?</hi></head><lb/><p><hirendition="#in">A</hi>Lles ſolches kan nicht wol anders geſchehen, als daß der teufel, nach<lb/>
dem die phantaſie entweder durch das mißhandelte blut von den he-<lb/>
xen, oder von ihme ſelbs verwirret worden, eine ſolche <hirendition="#aq">comœdie</hi><lb/>
denſelben <hirendition="#aq">repræſentir</hi>et, wie ers obgedachter maſſen bey CHriſto ohne ver-<lb/>
wirrung deſſen phantaſie auſſer ihme gethan hat. Ob ich wol die art in der<lb/>
phantaſie ſolches zu thun nicht dermaſſen nach genuͤgen faſſe, aber etlicher<lb/>
maſſen daraus begreifflich achte, wie die ſeele in ihr ſelbs ſolche ſeltzame auf-<lb/>
zuͤge in dem traum ſich offters darſtellt, da man alles etwa ſo <hirendition="#aq">diſtincte</hi> bey<lb/>ſich ſihet und gewahr zu werden meinet, als ob es wahrhafftig geſchehe.<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Jn-</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[162/0174]
Das ſiebende Capitel.
es in den leib, daraus es genommen, nicht mehr wircken koͤnte. Wo ſie a-
ber ſolches nicht in haͤnden haben, kan nicht glauben, daß ſie alsdann nach
ihrem willen etwas in den leibern und gebluͤt der kinder wircken koͤnten, ſon-
dern wuͤßte ſolches alsdenn nicht anders als dem teufel allein zuzuſchreiben.
Die vierte frage.
Ob ohne wirckliche gegenwart der hexen dieſelbe koͤnnen einem
ſchlaffenden kind ſo eigenlich vorkommen, daß es glaubwuͤrdi-
ge reden, werck und trohungen von denſelben zu eꝛzehlen wiſſe.
ES gehoͤret auch dieſe frage mehr den phyſicis zu, und nachdem die-
ſelbe nicht zugeben, daß die ſeele der menſchen ohne deſſen tod jemal
auſſer dem leibe ſeyn koͤnne, ſo iſt unmoͤglich, weil præſupponiret
wird, daß die hexen nach dem leib nicht gegenwaͤrtig ſeyn, daß ſie dann etwas
ſelbs mit den abweſenden kindern handelten, indem die menſchliche handelun-
gen die gegenwart erfordern; ſondern alles ſolches, was alsdann den kindern
vorgeſtellet wird, kan ich nicht begreiffen anders zu geſchehen, als daß der teu-
fel ſolches thue, welches dem tauſend-kuͤnſtler, der Matth. am 4. unſerm
Heyland in einem augenblick alle reiche der welt mit ihrer herrlichkeit
vorgeſtellet hat, ein nicht ſo ſchwere ſache ſeyn wird ſo wol den hexen vorzu-
ſtellen, was er bey den kindern thut, daß ſie ſelbs meinen gegenwaͤrtig zu
ſeyn, als auch den kindern dasjenige vorzubilden, was dieſe gern haͤtten.
Die fuͤnffte frage.
Wie ein kind viel perſonen bey der hexen verſamlung, die es ſein
lebtag nie geſehen, doch ſo eigenlich nach den gebeꝛden, kleidern
und andern beſchreiben koͤnne, als wann es die vor ſich in ſeiner
kammer geſehen haͤtte?
ALles ſolches kan nicht wol anders geſchehen, als daß der teufel, nach
dem die phantaſie entweder durch das mißhandelte blut von den he-
xen, oder von ihme ſelbs verwirret worden, eine ſolche comœdie
denſelben repræſentiret, wie ers obgedachter maſſen bey CHriſto ohne ver-
wirrung deſſen phantaſie auſſer ihme gethan hat. Ob ich wol die art in der
phantaſie ſolches zu thun nicht dermaſſen nach genuͤgen faſſe, aber etlicher
maſſen daraus begreifflich achte, wie die ſeele in ihr ſelbs ſolche ſeltzame auf-
zuͤge in dem traum ſich offters darſtellt, da man alles etwa ſo diſtincte bey
ſich ſihet und gewahr zu werden meinet, als ob es wahrhafftig geſchehe.
Jn-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/174>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.