Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.ARTIC. II. SECTIO XXXVI. nen. Wo ich hingegen unter diesem einige finde/ welche das rechtschaffene Chri-stenthum eyffrig treiben und vernehme/ daß sie ausser den schrancken gehen wolten/ thut mir solches nicht nur leid/ sondern so viel der HERR gnade verleihet/ suche auch dieselbe freundlich zu erinnern/ und sie auff die pflicht der nicht argwöhnischen liebe und sanfftmuth zu weisen/ damit sie nicht durch ihre unordenliche affecten dem studio pietatis einen schandfleck anhängen/ und hindernüß setzen. Wasin ü- brigen solche collisiones und sonderlich der bey vielen fast mehr und mehrüberhand nehmende haß gegen alle/ welche jenes hoch preisen/ vor böses in und ausser der kir- chen stiffte/ habe ich auch neulich in meiner rettung gegen Hartnacken meine wehe- mütige/ aber gewiß gegründete klagen geführet. Das bekenne/ wo ich bey anderer religion gebohren und erzogen wäre/ daß SECTIO XXXVII. Von lästerung des guten/ und dero gewissen fol- Was Lllll 3
ARTIC. II. SECTIO XXXVI. nen. Wo ich hingegen unter dieſem einige finde/ welche das rechtſchaffene Chri-ſtenthum eyffrig treiben und vernehme/ daß ſie auſſer den ſchrancken gehen wolten/ thut mir ſolches nicht nur leid/ ſondern ſo viel der HERR gnade verleihet/ ſuche auch dieſelbe freundlich zu erinnern/ und ſie auff die pflicht der nicht argwoͤhniſchen liebe und ſanfftmuth zu weiſen/ damit ſie nicht durch ihre unordenliche affecten dem ſtudio pietatis einen ſchandfleck anhaͤngen/ und hindernuͤß ſetzen. Wasin uͤ- brigen ſolche colliſiones und ſondeꝛlich der bey vielen faſt mehr und mehruͤbeꝛhand nehmende haß gegen alle/ welche jenes hoch preiſen/ vor boͤſes in und auſſer der kir- chen ſtiffte/ habe ich auch neulich in meiner rettung gegen Hartnacken meine wehe- muͤtige/ aber gewiß gegruͤndete klagen gefuͤhret. Das bekenne/ wo ich bey anderer religion gebohren und erzogen waͤre/ daß SECTIO XXXVII. Von laͤſterung des guten/ und dero gewiſſen fol- Was Lllll 3
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ARTIC. II. SECTIO XXXVI.
nen. Wo ich hingegen unter dieſem einige finde/ welche das rechtſchaffene Chri-
ſtenthum eyffrig treiben und vernehme/ daß ſie auſſer den ſchrancken gehen wolten/
thut mir ſolches nicht nur leid/ ſondern ſo viel der HERR gnade verleihet/ ſuche
auch dieſelbe freundlich zu erinnern/ und ſie auff die pflicht der nicht argwoͤhniſchen
liebe und ſanfftmuth zu weiſen/ damit ſie nicht durch ihre unordenliche affecten
dem ſtudio pietatis einen ſchandfleck anhaͤngen/ und hindernuͤß ſetzen. Wasin uͤ-
brigen ſolche colliſiones und ſondeꝛlich der bey vielen faſt mehr und mehruͤbeꝛhand
nehmende haß gegen alle/ welche jenes hoch preiſen/ vor boͤſes in und auſſer der kir-
chen ſtiffte/ habe ich auch neulich in meiner rettung gegen Hartnacken meine wehe-
muͤtige/ aber gewiß gegruͤndete klagen gefuͤhret.
Das bekenne/ wo ich bey anderer religion gebohren und erzogen waͤre/ daß
dieſes aͤrgernuͤß mir einen ſolchen nebel vor die augen machen wuͤrde/ daß ob auch
unſrer lehr grund in vielem einſaͤhe/ dannoch unſre kirch vor die jenige nicht erkeñen
koͤnte/ zu dero mich verfuͤgen muͤſte. Ja wo die arme Quacker ein ſcheinbar ar-
gument gegen uns brauchen wolten/ moͤchte es dieſes ſeyen/ es muͤſſe ſich ja bey ih-
nen die wahre erleuchtung des geiſtes und rechte gottſeligkeit vor allen finden/ und
ſie die wahre kirche gegen uns gehalten ſeyen/ in dem man/ wo nur von
der erleuchtung des geiſtes und goͤttlichen wandel geredet wird/ ſolches ſtracks vor
Quackeriſch halte/ und ihnen alſo dieſelbe als gleichſam ihr eigenthum heim weiſe.
Wir moͤchten jenes alten worte wiedeꝛhohlen. Domine, in quæ nos tempo-
ra! das betruͤbteſte iſt/ daß faſt auch die mittel/ ſo man wider dieſes uͤbel gebrauchen
moͤchte/ nicht mehr zulaͤnglich ſcheinen wollen: daher zwar alles dienliche vorzukeh-
ren und zu verſuchen/ der HErr aber vornehmlich ohne auffhoͤren anzuruffen iſt/
daß er ſich ſeines Zions erbarmen/ und deſſen bruͤche heilen/ die es treulich mit ſei-
ner ehre meinen erhalten/ ſchuͤtzen und ſtaͤꝛcken/ die neben ihrer guten meinung ſich
nicht allezeit in ihren ſchrancken zu halten wiſſen/ durch ſeine gnade auff die rechte
wege leiten/ welche er aber muthwillig ſich dem guten/ zu widerſetzen erkennen
moͤchte/ entweder znruͤck halten/ und ihnen die haͤnde binden/ oder (ſo er ja allen
thun wolte) auff ihm bekante art beſſern/ die bißherige aͤrgernuͤßen aber an abthun/
hingegen ſeine gnade auffs neue reichlicher uͤber ſeine kirche außgieſſen wolte.
1690. 12. Sept.
SECTIO XXXVII.
Von laͤſterung des guten/ und dero gewiſſen fol-
ge. Wahrer aͤnderung des menſchen wird vor zau-
berwerck gehalten.
Was
Lllll 3
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