Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

Bild:
<< vorherige Seite

Das sechste Capitel.
So wird das Gesetz am nachdrücklichsten getrieben/ nicht so wol directe mit hefftigem straffen und
schelten/ als wo man den trost des Evangelii nachtrücklich gezeiget hat/ darauf aber weiset/ wie
sich desselben alle die jenige/ so der sünde die herrschafft bey sich lassen/ durchaus nichts anzunehmen
haben/ sondern sich aller gnade verlustigt machen: wo dieses geschiehet/ wird die seele also kräfftig
gerühret durch eine unwidersprechliche überzeugung/ daß hingegen die affecten nicht zu einer bit-
terkeit oder zorn gereitzet werden/ in welcher des gemüthes bewantniß nichts ausgerichtet zu wer-
den pfleget. Es wird aber der HErr auch hierinnen weißheit verleihen. 22. Jan. 1690.

SECTIO XXX.

Antwort auf ein empfangenes trostschreiben an mich.

JCh habe einige meine freude gegen diejenige/ welche mich selbst zur freude so hertzlich aufmun-
tert zu bezeugen. Wie ich mich dann in der wahrheit erfreuet habe über den christlichen und
aus treuer seele her geflossenen trost/ auch deswegen dem GOtt alles trostes/ welcher mir durch
ihre wehrte feder solchen zusprechen wollen/ so dann ihro als dessen werckzeuge/ schuldigen danck
sage. Es ist freylich an dem/ wo uns der HErr um seines nahmens und wahrheit willen einiges
leiden wiederfahren lässet/ daß der darzu vom himmlischen Vater uns in seinem wort ertheilende
trost so überschwencklich ist/ daß er das leiden weit übertri[fft]/ und eben daher auch kommet/ daß
wir um deswillen der uns geliebet hat/ alles weit/ weit überwinden: daher es billich ist/ daß wir
uns vielmehr/ wo uns der liebste vater solcher hoffarbe seines lieben Sohnes würdiget/ darüber
erfreuen/ als betrübt seyen. Wo man aber von mir reden will/ so hat es bey mir noch wenig platz/
weil das jenige/ was mich der HErr bißher erfahren lassen/ noch gar gering gewesen/ in dem es
allezeit allein in verachtung/ übler nachrede/ lästerung/ haß/ drohen und unwillen bestanden ist/
welches aber lauter kinderproben und die unterste gnade der leiden sind/ hingegen hat es GOTT
bißher noch niemal an thätliches und würckliches leiden/ welches vor mir andere treue diener
Gottes haben erfahren müssen/ gelangen lassen: vielleicht daß er mich biß daher zu dergleichen zu
schwach befunden/ und daher noch mit den schwehrern proben verschonet hat. Solte es aber/ wie
es aus einigem das ansehen gewinnet/ auch noch an diese kommen/ so trage ich das kindliche ver-
trauen zu dem getreuesten vater/ daß er mir auch die krafft und vermögen aus der höhe alsdenn
in dem jenigen maaß ertheilen werde/ welche gemäß seye dem maaß des mir alsdenn bestimmten
leidens. Und vielleicht wil er mich durch den jenigen trost/ welchen mir ietzund christliche hertzen
zusprechen/ und dessen sonsten mein ietziges leiden nicht eben wehrt ist/ zu den ienigen härtern an-
stössen/ welche mir vorstehen mögen/ bereiten: Daher ich auch solches vor eine wohlthat zu erken-
nen habe: Jch schreibe auch hierinnen seiner weisen regierung nichts vor/ entweder um schwehrere
leiden zu bitten/ damit ich ihn versuchen möchte/ noch dieselbe zu sörchten und davor zu fliehen/ son-
dern überlasse billich alles seiner gütigsten verfügung/ so alles dermassen schicken wird/ wie es mir
und andern selig seyn mag. Weil aber um der gottseligkeit willen nicht allein die jenige/ welche die-
selbe lehren müssen/ sondern die auch sich derselben befleissen/ ihre leiden zu erwarten haben/ und sich
darauf gefast machen müssen/ so lasset uns allerseits so viel ernstlicher unter und vor einander vor
dem HErrn zu seuftzen fortfahren/ der an uns allen seinen gnädigen willen vollbringen/ immer dessen
lebendige erkäntuiß in unsre seelen geben/ und uns iedesmal mit dem zu solchen proben nöthigen
maaß des glaubens und trostes von oben herab ausrüsten wolle: als versichert/ er könne sich nicht
verläugnen/ sondern werde unfehlbar seine verheissung an uns erfüllen. Wie ich nun weiß/ und auch
solches vor eine theure wohlthat des liebsten Vaters achte/ daß derselbe viele seelen seiner kinder
zu mir geneiget/ daß sie in reiner liebe vor mich hertzlich beten unter denen E. Gn. zu seyn erkenne/
also versichere/ daß auch meines orts mit gleicher liebe denselben zubegegnen/ und vor sie vor dem
gnadenthron zuerscheinen unvergessen bin/ daß aber solches mit so viel mehr krafft geschehe/ ihn
umb seinen H. Geist der gnaden und des gebets anruffe Nun der HErr/ der ie mehr und mehr seine
gnade kräfftig auf seine kinder auszugiessen beginnet/ und vieles hin und wieder rege macht/ hinge-
gen eben dadurch hoffnung giebet/ er wolle sich seines verstöhrten Zions wiederum nachtrücklicher
annehmen/ wird ie mehr und mehr alle derselben hertzen in einigkeit des Geistes und mit heiliger

lie-

Das ſechſte Capitel.
So wird das Geſetz am nachdruͤcklichſten getrieben/ nicht ſo wol directe mit hefftigem ſtraffen und
ſchelten/ als wo man den troſt des Evangelii nachtruͤcklich gezeiget hat/ darauf aber weiſet/ wie
ſich deſſelben alle die jenige/ ſo der ſuͤnde die herrſchafft bey ſich laſſen/ durchaus nichts anzunehmen
haben/ ſondern ſich aller gnade verluſtigt machen: wo dieſes geſchiehet/ wird die ſeele alſo kraͤfftig
geruͤhret durch eine unwiderſprechliche uͤberzeugung/ daß hingegen die affecten nicht zu einer bit-
terkeit oder zorn gereitzet werden/ in welcher des gemuͤthes bewantniß nichts ausgerichtet zu wer-
den pfleget. Es wird aber der HErr auch hierinnen weißheit verleihen. 22. Jan. 1690.

SECTIO XXX.

Antwort auf ein empfangenes troſtſchreiben an mich.

JCh habe einige meine freude gegen diejenige/ welche mich ſelbſt zur freude ſo hertzlich aufmun-
tert zu bezeugen. Wie ich mich dann in der wahrheit erfreuet habe uͤber den chriſtlichen und
aus treuer ſeele her gefloſſenen troſt/ auch deswegen dem GOtt alles troſtes/ welcher mir durch
ihre wehrte feder ſolchen zuſprechen wollen/ ſo dann ihro als deſſen werckzeuge/ ſchuldigen danck
ſage. Es iſt freylich an dem/ wo uns der HErr um ſeines nahmens und wahrheit willen einiges
leiden wiederfahren laͤſſet/ daß der darzu vom himmliſchen Vater uns in ſeinem wort ertheilende
troſt ſo uͤberſchwencklich iſt/ daß er das leiden weit uͤbertri[fft]/ und eben daher auch kommet/ daß
wir um deswillen der uns geliebet hat/ alles weit/ weit uͤberwinden: daher es billich iſt/ daß wir
uns vielmehr/ wo uns der liebſte vater ſolcher hoffarbe ſeines lieben Sohnes wuͤrdiget/ daruͤber
erfreuen/ als betruͤbt ſeyen. Wo man aber von mir reden will/ ſo hat es bey mir noch wenig platz/
weil das jenige/ was mich der HErr bißher erfahren laſſen/ noch gar gering geweſen/ in dem es
allezeit allein in verachtung/ uͤbler nachrede/ laͤſterung/ haß/ drohen und unwillen beſtanden iſt/
welches aber lauter kinderproben und die unterſte gnade der leiden ſind/ hingegen hat es GOTT
bißher noch niemal an thaͤtliches und wuͤrckliches leiden/ welches vor mir andere treue diener
Gottes haben erfahren muͤſſen/ gelangen laſſen: vielleicht daß er mich biß daher zu dergleichen zu
ſchwach befunden/ und daher noch mit den ſchwehrern proben verſchonet hat. Solte es aber/ wie
es aus einigem das anſehen gewinnet/ auch noch an dieſe kommen/ ſo trage ich das kindliche ver-
trauen zu dem getreueſten vater/ daß er mir auch die krafft und vermoͤgen aus der hoͤhe alsdenn
in dem jenigen maaß ertheilen werde/ welche gemaͤß ſeye dem maaß des mir alsdenn beſtimmten
leidens. Und vielleicht wil er mich durch den jenigen troſt/ welchen mir ietzund chriſtliche hertzen
zuſprechen/ und deſſen ſonſten mein ietziges leiden nicht eben wehrt iſt/ zu den ienigen haͤrtern an-
ſtoͤſſen/ welche mir vorſtehen moͤgen/ bereiten: Daher ich auch ſolches vor eine wohlthat zu erken-
nen habe: Jch ſchreibe auch hierinnen ſeiner weiſen regierung nichts vor/ entweder um ſchwehrere
leiden zu bitten/ damit ich ihn verſuchen moͤchte/ noch dieſelbe zu ſoͤrchten und davor zu fliehen/ ſon-
dern uͤberlaſſe billich alles ſeiner guͤtigſten verfuͤgung/ ſo alles dermaſſen ſchicken wird/ wie es mir
und andern ſelig ſeyn mag. Weil aber um der gottſeligkeit willen nicht allein die jenige/ welche die-
ſelbe lehren muͤſſen/ ſondern die auch ſich derſelben befleiſſen/ ihre leiden zu erwarten haben/ und ſich
darauf gefaſt machen muͤſſen/ ſo laſſet uns allerſeits ſo viel ernſtlicher unter und vor einander vor
dem HErrn zu ſeuftzen fortfahren/ der an uns allen ſeinen gnaͤdigen willen vollbringen/ im̃er deſſen
lebendige erkaͤntuiß in unſre ſeelen geben/ und uns iedesmal mit dem zu ſolchen proben noͤthigen
maaß des glaubens und troſtes von oben herab ausruͤſten wolle: als verſichert/ er koͤnne ſich nicht
verlaͤugnen/ ſondern werde unfehlbar ſeine verheiſſung an uns erfuͤllen. Wie ich nun weiß/ und auch
ſolches vor eine theure wohlthat des liebſten Vaters achte/ daß derſelbe viele ſeelen ſeiner kinder
zu mir geneiget/ daß ſie in reiner liebe vor mich hertzlich beten unter denen E. Gn. zu ſeyn erkenne/
alſo verſichere/ daß auch meines orts mit gleicher liebe denſelben zubegegnen/ und vor ſie vor dem
gnadenthron zuerſcheinen unvergeſſen bin/ daß aber ſolches mit ſo viel mehr krafft geſchehe/ ihn
umb ſeinen H. Geiſt der gnaden und des gebets anruffe Nun der HErr/ der ie mehr und mehr ſeine
gnade kraͤfftig auf ſeine kinder auszugieſſen beginnet/ und vieles hin und wieder rege macht/ hinge-
gen eben dadurch hoffnung giebet/ er wolle ſich ſeines verſtoͤhrten Zions wiederum nachtruͤcklicher
annehmen/ wird ie mehr und mehr alle derſelben hertzen in einigkeit des Geiſtes und mit heiliger

lie-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0794" n="776"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das &#x017F;ech&#x017F;te Capitel.</hi></fw><lb/>
So wird das Ge&#x017F;etz am nachdru&#x0364;cklich&#x017F;ten getrieben/ nicht &#x017F;o wol <hi rendition="#aq">directe</hi> mit hefftigem &#x017F;traffen und<lb/>
&#x017F;chelten/ als wo man den tro&#x017F;t des Evangelii nachtru&#x0364;cklich gezeiget hat/ darauf aber wei&#x017F;et/ wie<lb/>
&#x017F;ich de&#x017F;&#x017F;elben alle die jenige/ &#x017F;o der &#x017F;u&#x0364;nde die herr&#x017F;chafft bey &#x017F;ich la&#x017F;&#x017F;en/ durchaus nichts anzunehmen<lb/>
haben/ &#x017F;ondern &#x017F;ich aller gnade verlu&#x017F;tigt machen: wo die&#x017F;es ge&#x017F;chiehet/ wird die &#x017F;eele al&#x017F;o kra&#x0364;fftig<lb/>
geru&#x0364;hret durch eine unwider&#x017F;prechliche u&#x0364;berzeugung/ daß hingegen die <hi rendition="#aq">affect</hi>en nicht zu einer bit-<lb/>
terkeit oder zorn gereitzet werden/ in welcher des gemu&#x0364;thes bewantniß nichts ausgerichtet zu wer-<lb/>
den pfleget. Es wird aber der HErr auch hierinnen weißheit verleihen. <hi rendition="#aq">22. Jan. 1690.</hi></p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">SECTIO</hi> XXX.</hi> </head><lb/>
            <argument>
              <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Antwort auf ein empfangenes tro&#x017F;t&#x017F;chreiben an mich.</hi> </hi> </p>
            </argument><lb/>
            <p><hi rendition="#in">J</hi>Ch habe einige meine freude gegen diejenige/ welche mich &#x017F;elb&#x017F;t zur freude &#x017F;o hertzlich aufmun-<lb/>
tert zu bezeugen. Wie ich mich dann in der wahrheit erfreuet habe u&#x0364;ber den chri&#x017F;tlichen und<lb/>
aus treuer &#x017F;eele her geflo&#x017F;&#x017F;enen tro&#x017F;t/ auch deswegen dem GOtt alles tro&#x017F;tes/ welcher mir durch<lb/>
ihre wehrte feder &#x017F;olchen zu&#x017F;prechen wollen/ &#x017F;o dann ihro als de&#x017F;&#x017F;en werckzeuge/ &#x017F;chuldigen danck<lb/>
&#x017F;age. Es i&#x017F;t freylich an dem/ wo uns der HErr um &#x017F;eines nahmens und wahrheit willen einiges<lb/>
leiden wiederfahren la&#x0364;&#x017F;&#x017F;et/ daß der darzu vom himmli&#x017F;chen Vater uns in &#x017F;einem wort ertheilende<lb/>
tro&#x017F;t &#x017F;o u&#x0364;ber&#x017F;chwencklich i&#x017F;t/ daß er das leiden weit u&#x0364;bertri<supplied>fft</supplied>/ und eben daher auch kommet/ daß<lb/>
wir um deswillen der uns geliebet hat/ alles weit/ weit u&#x0364;berwinden: daher es billich i&#x017F;t/ daß wir<lb/>
uns vielmehr/ wo uns der lieb&#x017F;te vater &#x017F;olcher hoffarbe &#x017F;eines lieben Sohnes wu&#x0364;rdiget/ daru&#x0364;ber<lb/>
erfreuen/ als betru&#x0364;bt &#x017F;eyen. Wo man aber von mir reden will/ &#x017F;o hat es bey mir noch wenig platz/<lb/>
weil das jenige/ was mich der HErr bißher erfahren la&#x017F;&#x017F;en/ noch gar gering gewe&#x017F;en/ in dem es<lb/>
allezeit allein in verachtung/ u&#x0364;bler nachrede/ la&#x0364;&#x017F;terung/ haß/ drohen und unwillen be&#x017F;tanden i&#x017F;t/<lb/>
welches aber lauter kinderproben und die unter&#x017F;te gnade der leiden &#x017F;ind/ hingegen hat es GOTT<lb/>
bißher noch niemal an tha&#x0364;tliches und wu&#x0364;rckliches leiden/ welches vor mir andere treue diener<lb/>
Gottes haben erfahren mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en/ gelangen la&#x017F;&#x017F;en: vielleicht daß er mich biß daher zu dergleichen zu<lb/>
&#x017F;chwach befunden/ und daher noch mit den &#x017F;chwehrern proben ver&#x017F;chonet hat. Solte es aber/ wie<lb/>
es aus einigem das an&#x017F;ehen gewinnet/ auch noch an die&#x017F;e kommen/ &#x017F;o trage ich das kindliche ver-<lb/>
trauen zu dem getreue&#x017F;ten vater/ daß er mir auch die krafft und vermo&#x0364;gen aus der ho&#x0364;he alsdenn<lb/>
in dem jenigen maaß ertheilen werde/ welche gema&#x0364;ß &#x017F;eye dem maaß des mir alsdenn be&#x017F;timmten<lb/>
leidens. Und vielleicht wil er mich durch den jenigen tro&#x017F;t/ welchen mir ietzund chri&#x017F;tliche hertzen<lb/>
zu&#x017F;prechen/ und de&#x017F;&#x017F;en &#x017F;on&#x017F;ten mein ietziges leiden nicht eben wehrt i&#x017F;t/ zu den ienigen ha&#x0364;rtern an-<lb/>
&#x017F;to&#x0364;&#x017F;&#x017F;en/ welche mir vor&#x017F;tehen mo&#x0364;gen/ bereiten: Daher ich auch &#x017F;olches vor eine wohlthat zu erken-<lb/>
nen habe: Jch &#x017F;chreibe auch hierinnen &#x017F;einer wei&#x017F;en regierung nichts vor/ entweder um &#x017F;chwehrere<lb/>
leiden zu bitten/ damit ich ihn ver&#x017F;uchen mo&#x0364;chte/ noch die&#x017F;elbe zu &#x017F;o&#x0364;rchten und davor zu fliehen/ &#x017F;on-<lb/>
dern u&#x0364;berla&#x017F;&#x017F;e billich alles &#x017F;einer gu&#x0364;tig&#x017F;ten verfu&#x0364;gung/ &#x017F;o alles derma&#x017F;&#x017F;en &#x017F;chicken wird/ wie es mir<lb/>
und andern &#x017F;elig &#x017F;eyn mag. Weil aber um der gott&#x017F;eligkeit willen nicht allein die jenige/ welche die-<lb/>
&#x017F;elbe lehren mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en/ &#x017F;ondern die auch &#x017F;ich der&#x017F;elben beflei&#x017F;&#x017F;en/ ihre leiden zu erwarten haben/ und &#x017F;ich<lb/>
darauf gefa&#x017F;t machen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en/ &#x017F;o la&#x017F;&#x017F;et uns aller&#x017F;eits &#x017F;o viel ern&#x017F;tlicher unter und vor einander vor<lb/>
dem HErrn zu &#x017F;euftzen fortfahren/ der an uns allen &#x017F;einen gna&#x0364;digen willen vollbringen/ im&#x0303;er de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
lebendige erka&#x0364;ntuiß in un&#x017F;re &#x017F;eelen geben/ und uns iedesmal mit dem zu &#x017F;olchen proben no&#x0364;thigen<lb/>
maaß des glaubens und tro&#x017F;tes von oben herab ausru&#x0364;&#x017F;ten wolle: als ver&#x017F;ichert/ er ko&#x0364;nne &#x017F;ich nicht<lb/>
verla&#x0364;ugnen/ &#x017F;ondern werde unfehlbar &#x017F;eine verhei&#x017F;&#x017F;ung an uns erfu&#x0364;llen. Wie ich nun weiß/ und auch<lb/>
&#x017F;olches vor eine theure wohlthat des lieb&#x017F;ten Vaters achte/ daß der&#x017F;elbe viele &#x017F;eelen &#x017F;einer kinder<lb/>
zu mir geneiget/ daß &#x017F;ie in reiner liebe vor mich hertzlich beten unter denen E. Gn. zu &#x017F;eyn erkenne/<lb/>
al&#x017F;o ver&#x017F;ichere/ daß auch meines orts mit gleicher liebe den&#x017F;elben zubegegnen/ und vor &#x017F;ie vor dem<lb/>
gnadenthron zuer&#x017F;cheinen unverge&#x017F;&#x017F;en bin/ daß aber &#x017F;olches mit &#x017F;o viel mehr krafft ge&#x017F;chehe/ ihn<lb/>
umb &#x017F;einen H. Gei&#x017F;t der gnaden und des gebets anruffe Nun der HErr/ der ie mehr und mehr &#x017F;eine<lb/>
gnade kra&#x0364;fftig auf &#x017F;eine kinder auszugie&#x017F;&#x017F;en beginnet/ und vieles hin und wieder rege macht/ hinge-<lb/>
gen eben dadurch hoffnung giebet/ er wolle &#x017F;ich &#x017F;eines ver&#x017F;to&#x0364;hrten Zions wiederum nachtru&#x0364;cklicher<lb/>
annehmen/ wird ie mehr und mehr alle der&#x017F;elben hertzen in einigkeit des Gei&#x017F;tes und mit heiliger<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">lie-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[776/0794] Das ſechſte Capitel. So wird das Geſetz am nachdruͤcklichſten getrieben/ nicht ſo wol directe mit hefftigem ſtraffen und ſchelten/ als wo man den troſt des Evangelii nachtruͤcklich gezeiget hat/ darauf aber weiſet/ wie ſich deſſelben alle die jenige/ ſo der ſuͤnde die herrſchafft bey ſich laſſen/ durchaus nichts anzunehmen haben/ ſondern ſich aller gnade verluſtigt machen: wo dieſes geſchiehet/ wird die ſeele alſo kraͤfftig geruͤhret durch eine unwiderſprechliche uͤberzeugung/ daß hingegen die affecten nicht zu einer bit- terkeit oder zorn gereitzet werden/ in welcher des gemuͤthes bewantniß nichts ausgerichtet zu wer- den pfleget. Es wird aber der HErr auch hierinnen weißheit verleihen. 22. Jan. 1690. SECTIO XXX. Antwort auf ein empfangenes troſtſchreiben an mich. JCh habe einige meine freude gegen diejenige/ welche mich ſelbſt zur freude ſo hertzlich aufmun- tert zu bezeugen. Wie ich mich dann in der wahrheit erfreuet habe uͤber den chriſtlichen und aus treuer ſeele her gefloſſenen troſt/ auch deswegen dem GOtt alles troſtes/ welcher mir durch ihre wehrte feder ſolchen zuſprechen wollen/ ſo dann ihro als deſſen werckzeuge/ ſchuldigen danck ſage. Es iſt freylich an dem/ wo uns der HErr um ſeines nahmens und wahrheit willen einiges leiden wiederfahren laͤſſet/ daß der darzu vom himmliſchen Vater uns in ſeinem wort ertheilende troſt ſo uͤberſchwencklich iſt/ daß er das leiden weit uͤbertrifft/ und eben daher auch kommet/ daß wir um deswillen der uns geliebet hat/ alles weit/ weit uͤberwinden: daher es billich iſt/ daß wir uns vielmehr/ wo uns der liebſte vater ſolcher hoffarbe ſeines lieben Sohnes wuͤrdiget/ daruͤber erfreuen/ als betruͤbt ſeyen. Wo man aber von mir reden will/ ſo hat es bey mir noch wenig platz/ weil das jenige/ was mich der HErr bißher erfahren laſſen/ noch gar gering geweſen/ in dem es allezeit allein in verachtung/ uͤbler nachrede/ laͤſterung/ haß/ drohen und unwillen beſtanden iſt/ welches aber lauter kinderproben und die unterſte gnade der leiden ſind/ hingegen hat es GOTT bißher noch niemal an thaͤtliches und wuͤrckliches leiden/ welches vor mir andere treue diener Gottes haben erfahren muͤſſen/ gelangen laſſen: vielleicht daß er mich biß daher zu dergleichen zu ſchwach befunden/ und daher noch mit den ſchwehrern proben verſchonet hat. Solte es aber/ wie es aus einigem das anſehen gewinnet/ auch noch an dieſe kommen/ ſo trage ich das kindliche ver- trauen zu dem getreueſten vater/ daß er mir auch die krafft und vermoͤgen aus der hoͤhe alsdenn in dem jenigen maaß ertheilen werde/ welche gemaͤß ſeye dem maaß des mir alsdenn beſtimmten leidens. Und vielleicht wil er mich durch den jenigen troſt/ welchen mir ietzund chriſtliche hertzen zuſprechen/ und deſſen ſonſten mein ietziges leiden nicht eben wehrt iſt/ zu den ienigen haͤrtern an- ſtoͤſſen/ welche mir vorſtehen moͤgen/ bereiten: Daher ich auch ſolches vor eine wohlthat zu erken- nen habe: Jch ſchreibe auch hierinnen ſeiner weiſen regierung nichts vor/ entweder um ſchwehrere leiden zu bitten/ damit ich ihn verſuchen moͤchte/ noch dieſelbe zu ſoͤrchten und davor zu fliehen/ ſon- dern uͤberlaſſe billich alles ſeiner guͤtigſten verfuͤgung/ ſo alles dermaſſen ſchicken wird/ wie es mir und andern ſelig ſeyn mag. Weil aber um der gottſeligkeit willen nicht allein die jenige/ welche die- ſelbe lehren muͤſſen/ ſondern die auch ſich derſelben befleiſſen/ ihre leiden zu erwarten haben/ und ſich darauf gefaſt machen muͤſſen/ ſo laſſet uns allerſeits ſo viel ernſtlicher unter und vor einander vor dem HErrn zu ſeuftzen fortfahren/ der an uns allen ſeinen gnaͤdigen willen vollbringen/ im̃er deſſen lebendige erkaͤntuiß in unſre ſeelen geben/ und uns iedesmal mit dem zu ſolchen proben noͤthigen maaß des glaubens und troſtes von oben herab ausruͤſten wolle: als verſichert/ er koͤnne ſich nicht verlaͤugnen/ ſondern werde unfehlbar ſeine verheiſſung an uns erfuͤllen. Wie ich nun weiß/ und auch ſolches vor eine theure wohlthat des liebſten Vaters achte/ daß derſelbe viele ſeelen ſeiner kinder zu mir geneiget/ daß ſie in reiner liebe vor mich hertzlich beten unter denen E. Gn. zu ſeyn erkenne/ alſo verſichere/ daß auch meines orts mit gleicher liebe denſelben zubegegnen/ und vor ſie vor dem gnadenthron zuerſcheinen unvergeſſen bin/ daß aber ſolches mit ſo viel mehr krafft geſchehe/ ihn umb ſeinen H. Geiſt der gnaden und des gebets anruffe Nun der HErr/ der ie mehr und mehr ſeine gnade kraͤfftig auf ſeine kinder auszugieſſen beginnet/ und vieles hin und wieder rege macht/ hinge- gen eben dadurch hoffnung giebet/ er wolle ſich ſeines verſtoͤhrten Zions wiederum nachtruͤcklicher annehmen/ wird ie mehr und mehr alle derſelben hertzen in einigkeit des Geiſtes und mit heiliger lie-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/794
Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 776. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/794>, abgerufen am 21.12.2024.