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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

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ARTIC. II. SECT. III.
sich neiget/ und meistens zu keiner gewißheit zu kommen/ durch die furcht von
der wichtigkeit des amts und seinem unvermögen so dann liebe zu seiner gemein-
de/ abgehalten wird.
Rationes, welche anzuführen/ daß man die sache nicht
vor einen wahrhafftigen Göttlichen rath und beruff
zu achten habe.
1. D. Spener weiß gewiß/ daß er ietzt in einem Göttlichen beruff stehe/
der also nicht kan auffgehoben werden/ GOtt zeige dann seinen andern willen
auff eine gnugsam erkänntliche art/ so er gleichwol biß daher noch nicht zur über-
zeugung seines gewissens erkennen können.
2. Gott hat die zeit über des hiesigen diensts sein hertz mit seiner gemoinde
und des fast grössesten theils derselben mit ihm dermassen mit liebe verbunden/
daß es beyderseits nicht ohne die empfindlichste schmertzen hergehen würde/ wo
man von einander scheiden solte/ sonderlich würde es von vielen zuhörern schwere
seuffzen geben; da er doch ihrer billich schonen/ und nicht ohne die gewisseste ver-
sicherung Göttlichen willens dasjenige ihnen ausdrucken solle/ was in dem an-
dern fall ihn sonsten noch schwerer drucken und keinen segen bringen würde.
3. Der dienst derjenigen/ die in einem amt eine gute zeit lang gestanden/
und dero man gewohnet ist/ nutzet gemeiniglich/ auch bey wenigern gaben dan-
noch mehr/ hingegen in einem amt/ das man neu antritt/ währets eine gute weil/
biß man auch dazu kommt/ daß man auch recht frucht schaffen könne. Und stehet
sehr dahin/ nachdem D. Spener anfängt/ seines alters last zu fühlen/ ob er hoffen
möge/ vieles daselbst zu fruchten/ da sonst bald sein ende möchte nahe seyn/ ehe er
sich noch recht in die neue geschäfften schicken lernen.
4. Muß er sorgen/ daß ob zwar/ in so vornehme und wichtige stelle/ dan-
noch seine gaben möchten weniger frucht bringen/ als in der gegenwärtigen/ dann
weil alles/ was ihm unverdient die Göttliche güte gegeben/ in einer mitteimäßigen
gabe der predigten und dem cathechisiren bestehet/ so siehet er zu dem letzten keine
gelegenheit/ zu dem ersten aber ein zwar vom stande höheres/ aber von deren zahl
schwächeres auditorium, da doch jens ihre meiste frucht in der menge der zuhörer
finden solle.
5. Hingegen diejenige klugheit in allerley geistlichen geschäfften/ die hertz-
hafftigkeit/ Theologische gravität und andere dergleichen gaben/ welche zu die-
ser stelle die wichtigsten seyn möchten/ findet er nicht bey sich/ hat auch wenig na-
türliche hoffnung darzu zu kommen. Muß also billich förchten/ wo er dazu sich
verstünde bey diesem seinem scrupel/ er dannoch in der erfahrung selbst solchen
mangel findende/ in steten ängsten stehen/ und entweder wiederum qvittiren
oder immer sorgen müste/ daß durch ihn an dem werck des HErrn mehr versäu-
met als nutzen geschaffet werden möchte.
6. Daher
Rrrr 3
ARTIC. II. SECT. III.
ſich neiget/ und meiſtens zu keiner gewißheit zu kommen/ durch die furcht von
der wichtigkeit des amts und ſeinem unvermoͤgen ſo dann liebe zu ſeiner gemein-
de/ abgehalten wird.
Rationes, welche anzufuͤhren/ daß man die ſache nicht
vor einen wahrhafftigen Goͤttlichen rath und beruff
zu achten habe.
1. D. Spener weiß gewiß/ daß er ietzt in einem Goͤttlichen beruff ſtehe/
der alſo nicht kan auffgehoben werden/ GOtt zeige dann ſeinen andern willen
auff eine gnugſam erkaͤnntliche art/ ſo er gleichwol biß daher noch nicht zur uͤber-
zeugung ſeines gewiſſens erkennen koͤnnen.
2. Gott hat die zeit uͤber des hieſigen dienſts ſein hertz mit ſeiner gemoinde
und des faſt groͤſſeſten theils derſelben mit ihm dermaſſen mit liebe verbunden/
daß es beyderſeits nicht ohne die empfindlichſte ſchmertzen hergehen wuͤrde/ wo
man von einander ſcheiden ſolte/ ſonderlich wuͤrde es von vielen zuhoͤrern ſchwere
ſeuffzen geben; da er doch ihrer billich ſchonen/ und nicht ohne die gewiſſeſte ver-
ſicherung Goͤttlichen willens dasjenige ihnen ausdrucken ſolle/ was in dem an-
dern fall ihn ſonſten noch ſchwerer drucken und keinen ſegen bringen wuͤrde.
3. Der dienſt derjenigen/ die in einem amt eine gute zeit lang geſtanden/
und dero man gewohnet iſt/ nutzet gemeiniglich/ auch bey wenigern gaben dan-
noch mehr/ hingegen in einem amt/ das man neu antritt/ waͤhrets eine gute weil/
biß man auch dazu kommt/ daß man auch recht frucht ſchaffen koͤnne. Und ſtehet
ſehr dahin/ nachdem D. Spener anfaͤngt/ ſeines alters laſt zu fuͤhlen/ ob er hoffen
moͤge/ vieles daſelbſt zu fruchten/ da ſonſt bald ſein ende moͤchte nahe ſeyn/ ehe er
ſich noch recht in die neue geſchaͤfften ſchicken lernen.
4. Muß er ſorgen/ daß ob zwar/ in ſo vornehme und wichtige ſtelle/ dan-
noch ſeine gaben moͤchten wenigeꝛ frucht bringen/ als in der gegenwaͤrtigen/ dann
weil alles/ was ihm unverdient die Goͤttliche guͤte gegeben/ in einer mitteimaͤßigen
gabe der predigten und dem cathechiſiren beſtehet/ ſo ſiehet er zu dem letzten keine
gelegenheit/ zu dem erſten aber ein zwar vom ſtande hoͤheres/ aber von deren zahl
ſchwaͤcheres auditorium, da doch jens ihre meiſte frucht in der menge der zuhoͤrer
finden ſolle.
5. Hingegen diejenige klugheit in allerley geiſtlichen geſchaͤfften/ die hertz-
hafftigkeit/ Theologiſche gravitaͤt und andere dergleichen gaben/ welche zu die-
ſer ſtelle die wichtigſten ſeyn moͤchten/ findet er nicht bey ſich/ hat auch wenig na-
tuͤrliche hoffnung darzu zu kommen. Muß alſo billich foͤrchten/ wo er dazu ſich
verſtuͤnde bey dieſem ſeinem ſcrupel/ er dannoch in der erfahrung ſelbſt ſolchen
mangel findende/ in ſteten aͤngſten ſtehen/ und entweder wiederum qvittiren
oder immer ſorgen muͤſte/ daß durch ihn an dem werck des HErrn mehr verſaͤu-
met als nutzen geſchaffet werden moͤchte.
6. Daher
Rrrr 3
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[685/0703] ARTIC. II. SECT. III. ſich neiget/ und meiſtens zu keiner gewißheit zu kommen/ durch die furcht von der wichtigkeit des amts und ſeinem unvermoͤgen ſo dann liebe zu ſeiner gemein- de/ abgehalten wird. Rationes, welche anzufuͤhren/ daß man die ſache nicht vor einen wahrhafftigen Goͤttlichen rath und beruff zu achten habe. 1. D. Spener weiß gewiß/ daß er ietzt in einem Goͤttlichen beruff ſtehe/ der alſo nicht kan auffgehoben werden/ GOtt zeige dann ſeinen andern willen auff eine gnugſam erkaͤnntliche art/ ſo er gleichwol biß daher noch nicht zur uͤber- zeugung ſeines gewiſſens erkennen koͤnnen. 2. Gott hat die zeit uͤber des hieſigen dienſts ſein hertz mit ſeiner gemoinde und des faſt groͤſſeſten theils derſelben mit ihm dermaſſen mit liebe verbunden/ daß es beyderſeits nicht ohne die empfindlichſte ſchmertzen hergehen wuͤrde/ wo man von einander ſcheiden ſolte/ ſonderlich wuͤrde es von vielen zuhoͤrern ſchwere ſeuffzen geben; da er doch ihrer billich ſchonen/ und nicht ohne die gewiſſeſte ver- ſicherung Goͤttlichen willens dasjenige ihnen ausdrucken ſolle/ was in dem an- dern fall ihn ſonſten noch ſchwerer drucken und keinen ſegen bringen wuͤrde. 3. Der dienſt derjenigen/ die in einem amt eine gute zeit lang geſtanden/ und dero man gewohnet iſt/ nutzet gemeiniglich/ auch bey wenigern gaben dan- noch mehr/ hingegen in einem amt/ das man neu antritt/ waͤhrets eine gute weil/ biß man auch dazu kommt/ daß man auch recht frucht ſchaffen koͤnne. Und ſtehet ſehr dahin/ nachdem D. Spener anfaͤngt/ ſeines alters laſt zu fuͤhlen/ ob er hoffen moͤge/ vieles daſelbſt zu fruchten/ da ſonſt bald ſein ende moͤchte nahe ſeyn/ ehe er ſich noch recht in die neue geſchaͤfften ſchicken lernen. 4. Muß er ſorgen/ daß ob zwar/ in ſo vornehme und wichtige ſtelle/ dan- noch ſeine gaben moͤchten wenigeꝛ frucht bringen/ als in der gegenwaͤrtigen/ dann weil alles/ was ihm unverdient die Goͤttliche guͤte gegeben/ in einer mitteimaͤßigen gabe der predigten und dem cathechiſiren beſtehet/ ſo ſiehet er zu dem letzten keine gelegenheit/ zu dem erſten aber ein zwar vom ſtande hoͤheres/ aber von deren zahl ſchwaͤcheres auditorium, da doch jens ihre meiſte frucht in der menge der zuhoͤrer finden ſolle. 5. Hingegen diejenige klugheit in allerley geiſtlichen geſchaͤfften/ die hertz- hafftigkeit/ Theologiſche gravitaͤt und andere dergleichen gaben/ welche zu die- ſer ſtelle die wichtigſten ſeyn moͤchten/ findet er nicht bey ſich/ hat auch wenig na- tuͤrliche hoffnung darzu zu kommen. Muß alſo billich foͤrchten/ wo er dazu ſich verſtuͤnde bey dieſem ſeinem ſcrupel/ er dannoch in der erfahrung ſelbſt ſolchen mangel findende/ in ſteten aͤngſten ſtehen/ und entweder wiederum qvittiren oder immer ſorgen muͤſte/ daß durch ihn an dem werck des HErrn mehr verſaͤu- met als nutzen geſchaffet werden moͤchte. 6. Daher Rrrr 3

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 685. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/703>, abgerufen am 23.11.2024.