Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

Bild:
<< vorherige Seite
ARTIC. I. DISTINCTIO II. SECTIO XV.
SECTIO XV.

Als ein anverwandter Theologus seine scrupel/
die ihm meinetwegen bey gebracht/ an mich geschrie-
ben. Verantwortung und
klage.

JCh sage freundlichen danck meinem großgünstigen hochgeehrten Herrn Vet-
tern vor die meinethalben tragende und bezeugte liebreiche sorgfalt/ so auß
den gantzen schreiben erhellet/ und mich in meiner allezeit gehabten confi-
denz
mehr bekräfftiget. Wie ich aber hoffe/ daß seiter deme mein zugesandtes
gedrucktes send-schreiben gleich wie anderen vornehmen patronen und freun-
den/ also auch meinem großg. Herrn Vettern/ werde in dem meisten allen satisfa-
ction
gegeben haben/ so bedarff es nicht/ daß ich mit weitläufftigen schreiben dieß-
mahl verdrießlich falle. Es wird sich in solchem send-schreiben gezeuget haben/
daß die so weit außgesprengte/ und erstlich hie von feindseligen gemüthern erdich-
tete (welches gedicht von leichtgläubigen angenommen und denn weiter sort gesetzt
worden) collegia privata sich hie nicht finden. Sondern ohne meine
hauß-zusammenkunfft/ dero niemahlen von dem Magistratu widersprochen/
von allen welche mit mir davon geredet/ gelobet/ und da sie die ihrige selbs dazu
schicken ihre billichung bekräfftiget wird/ ich auch einer-hochwürdigen Academi-
schen Theolog. Facultät völlige approbation darüber bereits vor etlichen jah-
ren habe/ sind nie einige privata collegia oder conventicula gehalten worden.
Man wolle dann alles collegia und conventicula nennen/ wo einige gute freun-
de einander besuchen/ und es seye/ wovon es wolle/ und wie es die gelegenheit gi-
bet/ sich mit einander besprechen. Welche verlaubnuß jeden Christen/ als
Christen so wenig mag versagt werden/ als in dem bürgerlichen stande ehrliche leu-
the ihrer an gelegenheit/ nutzes oder freude willen/ zusammen kommen mögen. Was
zwar meine hauß-übung anlanget/ sehe ich selbs lieber/ daß ich solche in der kirche
und also an öffentlichen ort halten dürffte/ dazu ich viele ursachen hätte: Aber
es stehet solches nicht in meiner macht/ und mögen die obere selbs dabey auch einig
bedencken haben. Wie aufrichtig hierinnen meine intention seye/ mag ich mich
vor GOtt in meinen gewissen beruffen/ daß ich nemlich nichts des meinigen dar-
innen suche/ also weder ehr noch reichtum oder etwas dergleichen davon hoffe/ son-
dern vielmehr ungunst/ vielerley leuthe haß/ verachtung/ schande vnd dergleichen
vor augen sehe: welche tentation zu überwinden gewißlich schwer würde seyn/ ei-
nem gemüthe das nicht versichert wäre/ vor was und wen es so vieles aussetze. Es

wer-
Bb 3
ARTIC. I. DISTINCTIO II. SECTIO XV.
SECTIO XV.

Als ein anverwandter Theologus ſeine ſcrupel/
die ihm meinetwegen bey gebracht/ an mich geſchrie-
ben. Verantwortung und
klage.

JCh ſage freundlichen danck meinem großguͤnſtigen hochgeehrten Herrn Vet-
tern vor die meinethalben tragende und bezeugte liebreiche ſorgfalt/ ſo auß
den gantzen ſchreiben erhellet/ und mich in meiner allezeit gehabten confi-
denz
mehr bekraͤfftiget. Wie ich aber hoffe/ daß ſeiter deme mein zugeſandtes
gedrucktes ſend-ſchreiben gleich wie anderen vornehmen patronen und freun-
den/ alſo auch meinem großg. Herrn Vettern/ werde in dem meiſten allen ſatisfa-
ction
gegeben haben/ ſo bedarff es nicht/ daß ich mit weitlaͤufftigen ſchreiben dieß-
mahl verdrießlich falle. Es wird ſich in ſolchem ſend-ſchreiben gezeuget haben/
daß die ſo weit außgeſprengte/ und erſtlich hie von feindſeligen gemuͤthern erdich-
tete (welches gedicht von leichtglaͤubigen angenommen und denn weiter ſort geſetzt
worden) collegia privata ſich hie nicht finden. Sondern ohne meine
hauß-zuſammenkunfft/ dero niemahlen von dem Magiſtratu widerſprochen/
von allen welche mit mir davon geredet/ gelobet/ und da ſie die ihrige ſelbs dazu
ſchicken ihre billichung bekraͤfftiget wird/ ich auch einer-hochwuͤrdigen Academi-
ſchen Theolog. Facultaͤt voͤllige approbation daruͤber bereits vor etlichen jah-
ren habe/ ſind nie einige privata collegia oder conventicula gehalten worden.
Man wolle dann alles collegia und conventicula nennen/ wo einige gute freun-
de einander beſuchen/ und es ſeye/ wovon es wolle/ und wie es die gelegenheit gi-
bet/ ſich mit einander beſprechen. Welche verlaubnuß jeden Chriſten/ als
Chriſten ſo wenig mag verſagt werden/ als in dem buͤrgerlichen ſtande ehrliche leu-
the ihrer an gelegenheit/ nutzes oder freude willen/ zuſammen kommen moͤgen. Was
zwar meine hauß-uͤbung anlanget/ ſehe ich ſelbs lieber/ daß ich ſolche in der kirche
und alſo an oͤffentlichen ort halten duͤrffte/ dazu ich viele urſachen haͤtte: Aber
es ſtehet ſolches nicht in meiner macht/ und moͤgen die obere ſelbs dabey auch einig
bedencken haben. Wie aufrichtig hierinnen meine intention ſeye/ mag ich mich
vor GOtt in meinen gewiſſen beruffen/ daß ich nemlich nichts des meinigen dar-
innen ſuche/ alſo weder ehr noch reichtum oder etwas dergleichen davon hoffe/ ſon-
dern vielmehr ungunſt/ vielerley leuthe haß/ verachtung/ ſchande vnd dergleichen
vor augen ſehe: welche tentation zu uͤberwinden gewißlich ſchwer wuͤrde ſeyn/ ei-
nem gemuͤthe das nicht verſichert waͤre/ vor was und wen es ſo vieles auſſetze. Es

wer-
Bb 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0215" n="197"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#aq">ARTIC. I. DISTINCTIO II. SECTIO <hi rendition="#g">XV</hi>.</hi> </fw><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">SECTIO</hi> XV.</hi> </head><lb/>
            <argument>
              <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr"><hi rendition="#in">A</hi>ls ein anverwandter</hi> <hi rendition="#aq">Theologus</hi> <hi rendition="#fr">&#x017F;eine &#x017F;crupel/<lb/>
die ihm meinetwegen bey gebracht/ an mich ge&#x017F;chrie-<lb/>
ben. Verantwortung und<lb/>
klage.</hi> </hi> </p>
            </argument><lb/>
            <p><hi rendition="#in">J</hi>Ch &#x017F;age freundlichen danck meinem großgu&#x0364;n&#x017F;tigen hochgeehrten Herrn Vet-<lb/>
tern vor die meinethalben tragende und bezeugte liebreiche &#x017F;orgfalt/ &#x017F;o auß<lb/>
den gantzen &#x017F;chreiben erhellet/ und mich in meiner allezeit gehabten <hi rendition="#aq">confi-<lb/>
denz</hi> mehr bekra&#x0364;fftiget. Wie ich aber hoffe/ daß &#x017F;eiter deme mein zuge&#x017F;andtes<lb/>
gedrucktes <hi rendition="#fr">&#x017F;end-&#x017F;chreiben</hi> gleich wie anderen vornehmen <hi rendition="#aq">patro</hi>nen und freun-<lb/>
den/ al&#x017F;o auch meinem großg. Herrn Vettern/ werde in dem mei&#x017F;ten allen <hi rendition="#aq">&#x017F;atisfa-<lb/>
ction</hi> gegeben haben/ &#x017F;o bedarff es nicht/ daß ich mit weitla&#x0364;ufftigen &#x017F;chreiben dieß-<lb/>
mahl verdrießlich falle. Es wird &#x017F;ich in &#x017F;olchem &#x017F;end-&#x017F;chreiben gezeuget haben/<lb/>
daß die &#x017F;o weit außge&#x017F;prengte/ und er&#x017F;tlich hie von feind&#x017F;eligen gemu&#x0364;thern erdich-<lb/>
tete (welches gedicht von leichtgla&#x0364;ubigen angenommen und denn weiter &#x017F;ort ge&#x017F;etzt<lb/>
worden) <hi rendition="#aq">collegia privata</hi> &#x017F;ich hie nicht finden. Sondern ohne meine<lb/>
hauß-zu&#x017F;ammenkunfft/ dero niemahlen von dem <hi rendition="#aq">Magi&#x017F;tratu</hi> wider&#x017F;prochen/<lb/>
von allen welche mit mir davon geredet/ gelobet/ und da &#x017F;ie die ihrige &#x017F;elbs dazu<lb/>
&#x017F;chicken ihre billichung bekra&#x0364;fftiget wird/ ich auch einer-hochwu&#x0364;rdigen <hi rendition="#aq">Academi-</hi><lb/>
&#x017F;chen <hi rendition="#aq">Theolog. Facul</hi>ta&#x0364;t vo&#x0364;llige <hi rendition="#aq">approbation</hi> daru&#x0364;ber bereits vor etlichen jah-<lb/>
ren habe/ &#x017F;ind nie einige <hi rendition="#aq">privata collegia</hi> oder <hi rendition="#aq">conventicula</hi> gehalten worden.<lb/>
Man wolle dann alles <hi rendition="#aq">collegia</hi> und <hi rendition="#aq">conventicula</hi> nennen/ wo einige gute freun-<lb/>
de einander be&#x017F;uchen/ und es &#x017F;eye/ wovon es wolle/ und wie es die gelegenheit gi-<lb/>
bet/ &#x017F;ich mit einander be&#x017F;prechen. Welche verlaubnuß jeden Chri&#x017F;ten/ als<lb/>
Chri&#x017F;ten &#x017F;o wenig mag ver&#x017F;agt werden/ als in dem bu&#x0364;rgerlichen &#x017F;tande ehrliche leu-<lb/>
the ihrer an gelegenheit/ nutzes oder freude willen/ zu&#x017F;ammen kommen mo&#x0364;gen. Was<lb/>
zwar meine hauß-u&#x0364;bung anlanget/ &#x017F;ehe ich &#x017F;elbs lieber/ daß ich &#x017F;olche in der kirche<lb/>
und al&#x017F;o an o&#x0364;ffentlichen ort halten du&#x0364;rffte/ dazu ich viele ur&#x017F;achen ha&#x0364;tte: Aber<lb/>
es &#x017F;tehet &#x017F;olches nicht in meiner macht/ und mo&#x0364;gen die obere &#x017F;elbs dabey auch einig<lb/>
bedencken haben. Wie aufrichtig hierinnen meine <hi rendition="#aq">intention</hi> &#x017F;eye/ mag ich mich<lb/>
vor GOtt in meinen gewi&#x017F;&#x017F;en beruffen/ daß ich nemlich nichts des meinigen dar-<lb/>
innen &#x017F;uche/ al&#x017F;o weder ehr noch reichtum oder etwas dergleichen davon hoffe/ &#x017F;on-<lb/>
dern vielmehr ungun&#x017F;t/ vielerley leuthe haß/ verachtung/ &#x017F;chande vnd dergleichen<lb/>
vor augen &#x017F;ehe: welche <hi rendition="#aq">tentation</hi> zu u&#x0364;berwinden gewißlich &#x017F;chwer wu&#x0364;rde &#x017F;eyn/ ei-<lb/>
nem gemu&#x0364;the das nicht ver&#x017F;ichert wa&#x0364;re/ vor was und wen es &#x017F;o vieles au&#x017F;&#x017F;etze. Es<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Bb 3</fw><fw place="bottom" type="catch">wer-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[197/0215] ARTIC. I. DISTINCTIO II. SECTIO XV. SECTIO XV. Als ein anverwandter Theologus ſeine ſcrupel/ die ihm meinetwegen bey gebracht/ an mich geſchrie- ben. Verantwortung und klage. JCh ſage freundlichen danck meinem großguͤnſtigen hochgeehrten Herrn Vet- tern vor die meinethalben tragende und bezeugte liebreiche ſorgfalt/ ſo auß den gantzen ſchreiben erhellet/ und mich in meiner allezeit gehabten confi- denz mehr bekraͤfftiget. Wie ich aber hoffe/ daß ſeiter deme mein zugeſandtes gedrucktes ſend-ſchreiben gleich wie anderen vornehmen patronen und freun- den/ alſo auch meinem großg. Herrn Vettern/ werde in dem meiſten allen ſatisfa- ction gegeben haben/ ſo bedarff es nicht/ daß ich mit weitlaͤufftigen ſchreiben dieß- mahl verdrießlich falle. Es wird ſich in ſolchem ſend-ſchreiben gezeuget haben/ daß die ſo weit außgeſprengte/ und erſtlich hie von feindſeligen gemuͤthern erdich- tete (welches gedicht von leichtglaͤubigen angenommen und denn weiter ſort geſetzt worden) collegia privata ſich hie nicht finden. Sondern ohne meine hauß-zuſammenkunfft/ dero niemahlen von dem Magiſtratu widerſprochen/ von allen welche mit mir davon geredet/ gelobet/ und da ſie die ihrige ſelbs dazu ſchicken ihre billichung bekraͤfftiget wird/ ich auch einer-hochwuͤrdigen Academi- ſchen Theolog. Facultaͤt voͤllige approbation daruͤber bereits vor etlichen jah- ren habe/ ſind nie einige privata collegia oder conventicula gehalten worden. Man wolle dann alles collegia und conventicula nennen/ wo einige gute freun- de einander beſuchen/ und es ſeye/ wovon es wolle/ und wie es die gelegenheit gi- bet/ ſich mit einander beſprechen. Welche verlaubnuß jeden Chriſten/ als Chriſten ſo wenig mag verſagt werden/ als in dem buͤrgerlichen ſtande ehrliche leu- the ihrer an gelegenheit/ nutzes oder freude willen/ zuſammen kommen moͤgen. Was zwar meine hauß-uͤbung anlanget/ ſehe ich ſelbs lieber/ daß ich ſolche in der kirche und alſo an oͤffentlichen ort halten duͤrffte/ dazu ich viele urſachen haͤtte: Aber es ſtehet ſolches nicht in meiner macht/ und moͤgen die obere ſelbs dabey auch einig bedencken haben. Wie aufrichtig hierinnen meine intention ſeye/ mag ich mich vor GOtt in meinen gewiſſen beruffen/ daß ich nemlich nichts des meinigen dar- innen ſuche/ alſo weder ehr noch reichtum oder etwas dergleichen davon hoffe/ ſon- dern vielmehr ungunſt/ vielerley leuthe haß/ verachtung/ ſchande vnd dergleichen vor augen ſehe: welche tentation zu uͤberwinden gewißlich ſchwer wuͤrde ſeyn/ ei- nem gemuͤthe das nicht verſichert waͤre/ vor was und wen es ſo vieles auſſetze. Es wer- Bb 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/215
Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/215>, abgerufen am 30.12.2024.