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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

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Das sechste Capitel.
und ihme in unsern häusern und kämmerlein u. hertzen so viel eiffriger zu dienen uns
befleissen/ weil wir den öffentlichen dienst zu leisten verhindert werden. Gewiß ists
bey denen/ welche vorhin einen rechtschaffenen grund des glaubens gelegt/ und den
innerlichen lehrer aus der Schrifft erkant haben/ ob sie wohl des eusserlichen lehrers
u. seines dienstes hertzliches verlangen tragen/ erfahren gleichwohl in ermanglung
dessen in der that/ daß bey ihrem lesen und betrachten GOtt selbsten sie lehre und in
alle wahrheit leite/ auch krafft verleyhe/ aller verführung zu entfliehen. Vor die
jenige aber ists eine schwehre straff/ so vorhin sich mit dem eusserlichen begnügen
lassen/ und keinen rechtschaffenen schatz in ihrer seelen gefasset/ daher wann es ih-
nen an jenem manglet/ nichts haben/ wo mit sie ihren mangel ersetzen/ es seye dann
etwa ein und ander körnlein in den hertzen übrig/ welches so lange ohne krafft in den
dürren acker gelegen/ biß der regen der anfechtung diesen befeuchtet/ und jenen zu
keymen ursach gibet. Nun der HERR lasse sich seine sache befohlen seyn/ und gebe
daß sein nahme von uns und bey uns auff alle weise/ in lehren/ lernen/ glauben/ le-
ben und leyden herrlich möge gepriesen/ und endlich der satan/ (welcher ei-
ner seits mit unterdruckung der bekantnüß der wahrheit/ anderseits mit mißbrauch
derselben zur sicherheit/ dem reich CHristi so grossen schaden thut) in kurtzem unter
unsere füsse zutretten werden. 8. Octob. 1677.

SECTIO IX.

Auffmunterung die gnade recht zu brauchen. Al-
les aus GOttes wort zu prüfen. Erforderter ernst in dem
Christenthum. Dessen seligkeit.

NAch dem vor 8 tagen auff das an mich gethane freundliche nicht so bald sol-
chen tag zu antworten vermocht/ habe doch die antwort auch nicht länger
auffschieben wollen. Da dann zum allerfördersten dem geber alles guten
hertzlich und demüthigen danck sage/ der ein ernstliche begierde/ wie solches schreiben
bezeuget/ in dessen gemüth er wecket/ mit eiffer das Christenthum zu treiben und des-
sen übung ihn angelegen seyn zu lassen. Welcher nun das wollen gewircket hat/
derselbe wircke auch bey ihm das vollbringen nach seinen gnädigen wohlgefallen:
Wie ich mich auch versichere/ daß seine göttliche güte nirgend eine gute bewegung
eines heiligen vorsatzes erreget/ daß sie nicht in solchem augenblick so bald so viel gna-
de und krafft verleihet/ einen anfang an der vollstreckung zu machen: Werden wir
als dann dem HErrn in solchem ersten pfund treu/ so wird er folgends immer mehres ge-
ben. Neben dem bedancke mich freundlich des gegen mich bezeugten guten vertrauens/
erkenne zwar gern meine wenigkeit/ als der keine andere antwort oder rath zu geben
vermag/ als derselbe selbs in N. von Herr NN. ja jeglichem treuen diener GOttes

Das ſechſte Capitel.
und ihme in unſern haͤuſern und kaͤmmerlein u. hertzen ſo viel eiffriger zu dienen uns
befleiſſen/ weil wir den oͤffentlichen dienſt zu leiſten verhindert werden. Gewiß iſts
bey denen/ welche vorhin einen rechtſchaffenen grund des glaubens gelegt/ und den
innerlichen lehrer aus der Schrifft erkant haben/ ob ſie wohl des euſſerlichen lehreꝛs
u. ſeines dienſtes hertzliches verlangen tragen/ erfahren gleichwohl in ermanglung
deſſen in der that/ daß bey ihrem leſen und betrachten GOtt ſelbſten ſie lehre und in
alle wahrheit leite/ auch krafft verleyhe/ aller verfuͤhrung zu entfliehen. Vor die
jenige aber iſts eine ſchwehre ſtraff/ ſo vorhin ſich mit dem euſſerlichen begnuͤgen
laſſen/ und keinen rechtſchaffenen ſchatz in ihrer ſeelen gefaſſet/ daher wann es ih-
nen an jenem manglet/ nichts haben/ wo mit ſie ihren mangel erſetzen/ es ſeye dann
etwa ein und ander koͤrnlein in den hertzen uͤbrig/ welches ſo lange ohne krafft in den
duͤrren acker gelegen/ biß der regen der anfechtung dieſen befeuchtet/ und jenen zu
keymen urſach gibet. Nun der HERR laſſe ſich ſeine ſache befohlen ſeyn/ und gebe
daß ſein nahme von uns und bey uns auff alle weiſe/ in lehren/ lernen/ glauben/ le-
ben und leyden herrlich moͤge geprieſen/ und endlich der ſatan/ (welcher ei-
ner ſeits mit unterdruckung der bekantnuͤß der wahrheit/ anderſeits mit mißbrauch
derſelben zur ſicherheit/ dem reich CHriſti ſo groſſen ſchaden thut) in kurtzem unter
unſere fuͤſſe zutretten werden. 8. Octob. 1677.

SECTIO IX.

Auffmunterung die gnade recht zu brauchen. Al-
les aus GOttes wort zu pruͤfen. Erforderter ernſt in dem
Chriſtenthum. Deſſen ſeligkeit.

NAch dem vor 8 tagen auff das an mich gethane freundliche nicht ſo bald ſol-
chen tag zu antworten vermocht/ habe doch die antwort auch nicht laͤnger
auffſchieben wollen. Da dann zum allerfoͤrderſten dem geber alles guten
hertzlich und demuͤthigen danck ſage/ der ein ernſtliche begierde/ wie ſolches ſchreiben
bezeuget/ in deſſen gemuͤth er wecket/ mit eiffer das Chriſtenthum zu treiben und deſ-
ſen uͤbung ihn angelegen ſeyn zu laſſen. Welcher nun das wollen gewircket hat/
derſelbe wircke auch bey ihm das vollbringen nach ſeinen gnaͤdigen wohlgefallen:
Wie ich mich auch verſichere/ daß ſeine goͤttliche guͤte nirgend eine gute bewegung
eines heiligen vorſatzes erreget/ daß ſie nicht in ſolchem augenblick ſo bald ſo viel gna-
de und krafft verleihet/ einen anfang an der vollſtreckung zu machen: Werden wir
als dañ dem HErrn in ſolchem erſten pfund treu/ ſo wird er folgends im̃er mehꝛes ge-
ben. Neben dem bedancke mich freundlich des gegen mich bezeugtẽ gutẽ vertrauens/
erkenne zwar gern meine wenigkeit/ als der keine andere antwort oder rath zu gebẽ
vermag/ als derſelbe ſelbs in N. von Herr NN. ja jeglichem treuen diener GOttes

wuͤ
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[172/0190] Das ſechſte Capitel. und ihme in unſern haͤuſern und kaͤmmerlein u. hertzen ſo viel eiffriger zu dienen uns befleiſſen/ weil wir den oͤffentlichen dienſt zu leiſten verhindert werden. Gewiß iſts bey denen/ welche vorhin einen rechtſchaffenen grund des glaubens gelegt/ und den innerlichen lehrer aus der Schrifft erkant haben/ ob ſie wohl des euſſerlichen lehreꝛs u. ſeines dienſtes hertzliches verlangen tragen/ erfahren gleichwohl in ermanglung deſſen in der that/ daß bey ihrem leſen und betrachten GOtt ſelbſten ſie lehre und in alle wahrheit leite/ auch krafft verleyhe/ aller verfuͤhrung zu entfliehen. Vor die jenige aber iſts eine ſchwehre ſtraff/ ſo vorhin ſich mit dem euſſerlichen begnuͤgen laſſen/ und keinen rechtſchaffenen ſchatz in ihrer ſeelen gefaſſet/ daher wann es ih- nen an jenem manglet/ nichts haben/ wo mit ſie ihren mangel erſetzen/ es ſeye dann etwa ein und ander koͤrnlein in den hertzen uͤbrig/ welches ſo lange ohne krafft in den duͤrren acker gelegen/ biß der regen der anfechtung dieſen befeuchtet/ und jenen zu keymen urſach gibet. Nun der HERR laſſe ſich ſeine ſache befohlen ſeyn/ und gebe daß ſein nahme von uns und bey uns auff alle weiſe/ in lehren/ lernen/ glauben/ le- ben und leyden herrlich moͤge geprieſen/ und endlich der ſatan/ (welcher ei- ner ſeits mit unterdruckung der bekantnuͤß der wahrheit/ anderſeits mit mißbrauch derſelben zur ſicherheit/ dem reich CHriſti ſo groſſen ſchaden thut) in kurtzem unter unſere fuͤſſe zutretten werden. 8. Octob. 1677. SECTIO IX. Auffmunterung die gnade recht zu brauchen. Al- les aus GOttes wort zu pruͤfen. Erforderter ernſt in dem Chriſtenthum. Deſſen ſeligkeit. NAch dem vor 8 tagen auff das an mich gethane freundliche nicht ſo bald ſol- chen tag zu antworten vermocht/ habe doch die antwort auch nicht laͤnger auffſchieben wollen. Da dann zum allerfoͤrderſten dem geber alles guten hertzlich und demuͤthigen danck ſage/ der ein ernſtliche begierde/ wie ſolches ſchreiben bezeuget/ in deſſen gemuͤth er wecket/ mit eiffer das Chriſtenthum zu treiben und deſ- ſen uͤbung ihn angelegen ſeyn zu laſſen. Welcher nun das wollen gewircket hat/ derſelbe wircke auch bey ihm das vollbringen nach ſeinen gnaͤdigen wohlgefallen: Wie ich mich auch verſichere/ daß ſeine goͤttliche guͤte nirgend eine gute bewegung eines heiligen vorſatzes erreget/ daß ſie nicht in ſolchem augenblick ſo bald ſo viel gna- de und krafft verleihet/ einen anfang an der vollſtreckung zu machen: Werden wir als dañ dem HErrn in ſolchem erſten pfund treu/ ſo wird er folgends im̃er mehꝛes ge- ben. Neben dem bedancke mich freundlich des gegen mich bezeugtẽ gutẽ vertrauens/ erkenne zwar gern meine wenigkeit/ als der keine andere antwort oder rath zu gebẽ vermag/ als derſelbe ſelbs in N. von Herr NN. ja jeglichem treuen diener GOttes wuͤ

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/190>, abgerufen am 21.11.2024.