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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

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ARTIC. I. DISTINCT. I. SECTIO XVI.
SECTIO XVI.

(8. Als dieselbige einen prediger heurathen solte.
Uberlegung des gantzen geschäffts. Ob der ehe- oder ledige
stand vorzuziehen? Ubergebung der zweiffelhafften sachen
in freunde ausschlag. Mein verfahren in der

vocation von Straßburg nach Franck-
furth.

MO ich das werck ins gesamt ansehende und in der furcht des HERRN er-
wegende/ aus hertzen grund meiner vielgeliebten schwester/ mit der freyheit
wie es seyn solle/ zu entdecken habe/ weiß ich fast nicht/ was ich zusagen ha-
be. Kan auch noch weder das/ noch anders gewiß schliessen/ ob ichs einen göttli-
chen beruff oder versuchung zu zuschreiben habe: Sondern halte davor/ daß ich
noch etwas weiteres/ darinn sich göttlicher finger deutlicher zeige/ abwarten müsse.
Auff meiner seiten halte ich Herrn NN. intention gantz rein und Christlich/ und se-
he keine einige fleischliche absicht bey ihm/ vielmehr die hertzliche begierde/ eine per-
son von dem lieben GOTT zur gehülffin zu haben/ neben der er seinem GOTT
so viel hertzlicher dienen/ und von ihr weiter erbauet werden möchte. Wie nun
solches sein vorwand ist/ also habe ich nicht nur aus gemeiner Christlicher liebe kei-
ne falschheit darinnen bey ihm zu vermuthen/ sondern auch solche ursachen/ die mich
seiner auffrichtigkeit in der sache gantz ausser zweiffel setzen. Jch sehe ferner/ daß
er nachdem er eine dergleichen person zu suchen sich entschlossen/ in der wahl nicht
gefehlet/ sondern wo ihm der getreue Vater im himmel/ sie meine liebe schwester
ihm bescheret/ daß er seinen zweck erhalten. Welches ob sie vielleicht aus demuth
an sich nicht zu finden vermeint/ sie mir doch nicht wehren kan/ daß ichs davor erken-
ne/ aber bey ihr jetzo davon nicht viel worte machen will. Diese seine gute inten-
tion
und wohl bedachte wahl giebet bereits ein starckes fundament/ darauff zu
bauen/ daß das werck gantz aus GOTT seyn möchte. Doch lehret mich das ex-
empel Davids 1. Chron. 18/ 1. 2/ 3. 4. Daß solches fundament gleichwohl nicht
gantz unbeweglich seye: in dem da selbst eine gantz wohlgemeinte und an ihr selbst
GOTT gefällige intention ihren effect nach GOttes willen nicht haben solte/
und also nicht der wille Davids/ sondern gleichwohl die erfüllung desselben/ GOttes
rath/ zu wider war. Jch sehe ferner/ daß NN. ein sehnliches verlangen träget/
daß seine intention möchte erreichet werden/ und bin versichert/ daß/ wo der allgü-
tige GOT die sache zum fortgang bringet/ ihm sein amt wird mercklich erleichtet/
zu mehr erbauung seiner gemeinde gelegenheit gegeben/ auch an ihm weitere srucht
durch göttlichen segen werde geschaffet werden. Wie ich denn von denen/ so ihn

genauer
ARTIC. I. DISTINCT. I. SECTIO XVI.
SECTIO XVI.

(8. Als dieſelbige einen prediger heurathen ſolte.
Uberlegung des gantzen geſchaͤffts. Ob der ehe- oder ledige
ſtand vorzuziehen? Ubergebung der zweiffelhafften ſachen
in freunde ausſchlag. Mein verfahren in der

vocation von Straßburg nach Franck-
furth.

MO ich das werck ins geſamt anſehende und in der furcht des HERRN er-
wegende/ aus hertzen grund meiner vielgeliebten ſchweſter/ mit der freyheit
wie es ſeyn ſolle/ zu entdecken habe/ weiß ich faſt nicht/ was ich zuſagen ha-
be. Kan auch noch weder das/ noch anders gewiß ſchlieſſen/ ob ichs einen goͤttli-
chen beruff oder verſuchung zu zuſchreiben habe: Sondern halte davor/ daß ich
noch etwas weiteres/ darinn ſich goͤttlicher finger deutlicher zeige/ abwarten muͤſſe.
Auff meiner ſeiten halte ich Herrn NN. intention gantz rein und Chriſtlich/ und ſe-
he keine einige fleiſchliche abſicht bey ihm/ vielmehr die hertzliche begierde/ eine per-
ſon von dem lieben GOTT zur gehuͤlffin zu haben/ neben der er ſeinem GOTT
ſo viel hertzlicher dienen/ und von ihr weiter erbauet werden moͤchte. Wie nun
ſolches ſein vorwand iſt/ alſo habe ich nicht nur aus gemeiner Chriſtlicher liebe kei-
ne falſchheit darinnen bey ihm zu vermuthen/ ſondern auch ſolche urſachen/ die mich
ſeiner auffrichtigkeit in der ſache gantz auſſer zweiffel ſetzen. Jch ſehe ferner/ daß
er nachdem er eine dergleichen perſon zu ſuchen ſich entſchloſſen/ in der wahl nicht
gefehlet/ ſondern wo ihm der getreue Vater im himmel/ ſie meine liebe ſchweſter
ihm beſcheret/ daß er ſeinen zweck erhalten. Welches ob ſie vielleicht aus demuth
an ſich nicht zu finden vermeint/ ſie mir doch nicht wehren kan/ daß ichs davor erken-
ne/ aber bey ihr jetzo davon nicht viel worte machen will. Dieſe ſeine gute inten-
tion
und wohl bedachte wahl giebet bereits ein ſtarckes fundament/ darauff zu
bauen/ daß das werck gantz aus GOTT ſeyn moͤchte. Doch lehret mich das ex-
empel Davids 1. Chron. 18/ 1. 2/ 3. 4. Daß ſolches fundament gleichwohl nicht
gantz unbeweglich ſeye: in dem da ſelbſt eine gantz wohlgemeinte und an ihr ſelbſt
GOTT gefaͤllige intention ihren effect nach GOttes willen nicht haben ſolte/
und alſo nicht der wille Davids/ ſondern gleichwohl die erfuͤllung deſſelben/ GOttes
rath/ zu wider war. Jch ſehe ferner/ daß NN. ein ſehnliches verlangen traͤget/
daß ſeine intention moͤchte erreichet werden/ und bin verſichert/ daß/ wo der allguͤ-
tige GOT die ſache zum fortgang bringet/ ihm ſein amt wird mercklich erleichtet/
zu mehr erbauung ſeiner gemeinde gelegenheit gegeben/ auch an ihm weitere ſrucht
durch goͤttlichen ſegen werde geſchaffet werden. Wie ich denn von denen/ ſo ihn

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[87/0105] ARTIC. I. DISTINCT. I. SECTIO XVI. SECTIO XVI. (8. Als dieſelbige einen prediger heurathen ſolte. Uberlegung des gantzen geſchaͤffts. Ob der ehe- oder ledige ſtand vorzuziehen? Ubergebung der zweiffelhafften ſachen in freunde ausſchlag. Mein verfahren in der vocation von Straßburg nach Franck- furth. MO ich das werck ins geſamt anſehende und in der furcht des HERRN er- wegende/ aus hertzen grund meiner vielgeliebten ſchweſter/ mit der freyheit wie es ſeyn ſolle/ zu entdecken habe/ weiß ich faſt nicht/ was ich zuſagen ha- be. Kan auch noch weder das/ noch anders gewiß ſchlieſſen/ ob ichs einen goͤttli- chen beruff oder verſuchung zu zuſchreiben habe: Sondern halte davor/ daß ich noch etwas weiteres/ darinn ſich goͤttlicher finger deutlicher zeige/ abwarten muͤſſe. Auff meiner ſeiten halte ich Herrn NN. intention gantz rein und Chriſtlich/ und ſe- he keine einige fleiſchliche abſicht bey ihm/ vielmehr die hertzliche begierde/ eine per- ſon von dem lieben GOTT zur gehuͤlffin zu haben/ neben der er ſeinem GOTT ſo viel hertzlicher dienen/ und von ihr weiter erbauet werden moͤchte. Wie nun ſolches ſein vorwand iſt/ alſo habe ich nicht nur aus gemeiner Chriſtlicher liebe kei- ne falſchheit darinnen bey ihm zu vermuthen/ ſondern auch ſolche urſachen/ die mich ſeiner auffrichtigkeit in der ſache gantz auſſer zweiffel ſetzen. Jch ſehe ferner/ daß er nachdem er eine dergleichen perſon zu ſuchen ſich entſchloſſen/ in der wahl nicht gefehlet/ ſondern wo ihm der getreue Vater im himmel/ ſie meine liebe ſchweſter ihm beſcheret/ daß er ſeinen zweck erhalten. Welches ob ſie vielleicht aus demuth an ſich nicht zu finden vermeint/ ſie mir doch nicht wehren kan/ daß ichs davor erken- ne/ aber bey ihr jetzo davon nicht viel worte machen will. Dieſe ſeine gute inten- tion und wohl bedachte wahl giebet bereits ein ſtarckes fundament/ darauff zu bauen/ daß das werck gantz aus GOTT ſeyn moͤchte. Doch lehret mich das ex- empel Davids 1. Chron. 18/ 1. 2/ 3. 4. Daß ſolches fundament gleichwohl nicht gantz unbeweglich ſeye: in dem da ſelbſt eine gantz wohlgemeinte und an ihr ſelbſt GOTT gefaͤllige intention ihren effect nach GOttes willen nicht haben ſolte/ und alſo nicht der wille Davids/ ſondern gleichwohl die erfuͤllung deſſelben/ GOttes rath/ zu wider war. Jch ſehe ferner/ daß NN. ein ſehnliches verlangen traͤget/ daß ſeine intention moͤchte erreichet werden/ und bin verſichert/ daß/ wo der allguͤ- tige GOT die ſache zum fortgang bringet/ ihm ſein amt wird mercklich erleichtet/ zu mehr erbauung ſeiner gemeinde gelegenheit gegeben/ auch an ihm weitere ſrucht durch goͤttlichen ſegen werde geſchaffet werden. Wie ich denn von denen/ ſo ihn genauer

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/105>, abgerufen am 30.12.2024.