Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.Das fünffte Capitel. SECTIO I. Auffmunterung zu tröstlicher freudigkeit. JCh wünsche von hertzen/ daß diese zeilen/ meine in dem HErrn werth jenes
Das fuͤnffte Capitel. SECTIO I. Auffmunterung zu troͤſtlicher freudigkeit. JCh wuͤnſche von hertzen/ daß dieſe zeilen/ meine in dem HErrn werth jenes
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0718" n="710"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Das fuͤnffte Capitel.</hi> </fw><lb/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">SECTIO</hi> I.</hi><lb/> Auffmunterung zu troͤſtlicher freudigkeit.</hi> </head><lb/> <p><hi rendition="#in">J</hi>Ch wuͤnſche von hertzen/ daß dieſe zeilen/ meine in dem HErrn werth<lb/> geachte frau und freundin/ in ſo erwuͤnſchlicher leibes-beſchaffenheit<lb/> als ſonderlich dergleichen zuſtand ihrer ſeelen antreffen moͤgen/ wie<lb/> ſie ſelbs/ und ich mit ihr/ verlange: Daß ich dermaleins vernehmen<lb/> moͤchte/ daß die liebliche ſtrahlen der empfindlichen goͤttlichen troſt-<lb/> gnade die mehrmal beklagte dicke finſtere wolcken durchtrungen/ und das hertz<lb/> in eine rechtſchaffene ruhe geſetzt haͤtte. Ach daß ich einmal aus dem brieff<lb/> erkennen ſolte/ daß die gedaͤchtnuͤß der von dem Hoͤchſten ihr gnaͤdigſt be-<lb/> ſchehrter/ aber wieder nach ſeinem weiſen rath fruͤher zu ſich geforderter/<lb/> freunde/ bey ihr vielmehr eine zufriedenheit und danckſagung gegen GOTT/<lb/> welcher ſie auffs wenigſte einige/ kurtze oder laͤngere/ zeit gelaſſen/ und damit<lb/> uns gutes gethan hat/ als eine ſorgſame angſt und wehmuth uͤber ſolchen<lb/> verluſt wirckete/ wodurch freylich die ruhe der ſeelen nicht wenig geſtoͤhret<lb/> wiꝛd/ ohne welche wir aber auch ſonſten in andern ſtuͤcken die goͤttliche gnaden-<lb/> wuͤrckungen nicht ſo empfindlich ſpuͤhren koͤnnen. Jch zweiffele nicht/ die<lb/> natuͤrliche leibs-<hi rendition="#aq">diſpoſition</hi> bey derſelben thue zu der ſache viel/ gleichwie<lb/> alſo derſelben durch die in die natur von GOTT gelegte mittel zu begeg-<lb/> nen billich getrachtet wird/ ſo ſolle doch auch nicht unterlaſſen werden/ das<lb/> gemuͤth ſelbs mit der vorſtellung goͤttlicher gnaden-wolthaten zu ermuͤntern.<lb/> Wo ich dann kein kraͤfftiger mittel weiß/ ſo wol zu befoͤrderung eines heiligen<lb/> eiffers und uͤbung der gottſeligkeit/ als auch auffmunterung eines nieder-<lb/> geſchlagenen gemuͤths und angſthafften hertzens/ als die taͤgliche betꝛachtung<lb/> der ewigen liebe unſers GOttes/ und unzaͤhliche aus derſelben auff uns ge-<lb/> floſſener/ ja noch taͤglich flieſſender/ theuren gutthaten/ damit wir an ſeel<lb/> und leib der himmliſchen gnade verſichert werden. Wie nun deroſelben die<lb/> gantze ſchrifft voll iſt/ und billich die beſten buͤcher mit ſolcher betrachtung<lb/> groſſen theils ſollen erfuͤllet werden/ ſo ſoll es auch unſere taͤgliche ſorge ſeyn/<lb/> in leſung und anhoͤrung goͤttlichen worts auff ſolche materien acht zu geben/<lb/> und in eigenem nachdencken/ wie und was ausderſelben/ wir an unſerer ei-<lb/> genen perſon empfangen haben/ uns zu erinnern. Dieſes iſt die herrlichſte<lb/> ſo uͤbung als mehrung und ſtaͤrckung des glaubens/ aus dem darnach weiter<lb/> das uͤbrige gute entſpringet/ und obs nicht allezeit wegen entgegen ſtehender<lb/> leibes-<hi rendition="#aq">complexion,</hi> oder da uns ſonſten der HErr ſolches fuͤhlen nicht ſo nuͤtz-<lb/> lich findet/ eine empfindliche freudigkeit wuͤrcket/ ſo wehrets doch der nieder-<lb/> geſchlagenen angſthafftigkeit/ uͤber welche ſie am meiſten klaget. Gewiß iſts/<lb/> <fw place="bottom" type="catch">jenes</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [710/0718]
Das fuͤnffte Capitel.
SECTIO I.
Auffmunterung zu troͤſtlicher freudigkeit.
JCh wuͤnſche von hertzen/ daß dieſe zeilen/ meine in dem HErrn werth
geachte frau und freundin/ in ſo erwuͤnſchlicher leibes-beſchaffenheit
als ſonderlich dergleichen zuſtand ihrer ſeelen antreffen moͤgen/ wie
ſie ſelbs/ und ich mit ihr/ verlange: Daß ich dermaleins vernehmen
moͤchte/ daß die liebliche ſtrahlen der empfindlichen goͤttlichen troſt-
gnade die mehrmal beklagte dicke finſtere wolcken durchtrungen/ und das hertz
in eine rechtſchaffene ruhe geſetzt haͤtte. Ach daß ich einmal aus dem brieff
erkennen ſolte/ daß die gedaͤchtnuͤß der von dem Hoͤchſten ihr gnaͤdigſt be-
ſchehrter/ aber wieder nach ſeinem weiſen rath fruͤher zu ſich geforderter/
freunde/ bey ihr vielmehr eine zufriedenheit und danckſagung gegen GOTT/
welcher ſie auffs wenigſte einige/ kurtze oder laͤngere/ zeit gelaſſen/ und damit
uns gutes gethan hat/ als eine ſorgſame angſt und wehmuth uͤber ſolchen
verluſt wirckete/ wodurch freylich die ruhe der ſeelen nicht wenig geſtoͤhret
wiꝛd/ ohne welche wir aber auch ſonſten in andern ſtuͤcken die goͤttliche gnaden-
wuͤrckungen nicht ſo empfindlich ſpuͤhren koͤnnen. Jch zweiffele nicht/ die
natuͤrliche leibs-diſpoſition bey derſelben thue zu der ſache viel/ gleichwie
alſo derſelben durch die in die natur von GOTT gelegte mittel zu begeg-
nen billich getrachtet wird/ ſo ſolle doch auch nicht unterlaſſen werden/ das
gemuͤth ſelbs mit der vorſtellung goͤttlicher gnaden-wolthaten zu ermuͤntern.
Wo ich dann kein kraͤfftiger mittel weiß/ ſo wol zu befoͤrderung eines heiligen
eiffers und uͤbung der gottſeligkeit/ als auch auffmunterung eines nieder-
geſchlagenen gemuͤths und angſthafften hertzens/ als die taͤgliche betꝛachtung
der ewigen liebe unſers GOttes/ und unzaͤhliche aus derſelben auff uns ge-
floſſener/ ja noch taͤglich flieſſender/ theuren gutthaten/ damit wir an ſeel
und leib der himmliſchen gnade verſichert werden. Wie nun deroſelben die
gantze ſchrifft voll iſt/ und billich die beſten buͤcher mit ſolcher betrachtung
groſſen theils ſollen erfuͤllet werden/ ſo ſoll es auch unſere taͤgliche ſorge ſeyn/
in leſung und anhoͤrung goͤttlichen worts auff ſolche materien acht zu geben/
und in eigenem nachdencken/ wie und was ausderſelben/ wir an unſerer ei-
genen perſon empfangen haben/ uns zu erinnern. Dieſes iſt die herrlichſte
ſo uͤbung als mehrung und ſtaͤrckung des glaubens/ aus dem darnach weiter
das uͤbrige gute entſpringet/ und obs nicht allezeit wegen entgegen ſtehender
leibes-complexion, oder da uns ſonſten der HErr ſolches fuͤhlen nicht ſo nuͤtz-
lich findet/ eine empfindliche freudigkeit wuͤrcket/ ſo wehrets doch der nieder-
geſchlagenen angſthafftigkeit/ uͤber welche ſie am meiſten klaget. Gewiß iſts/
jenes
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |