Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.Das vierdte Capitel. SECTIO X. Ob einer seines brudern frauen schwester heyra- then dörffe/ oder doch eine solche ehe zu mißra- then seye? Aus der übersandten specie facti also lautend: NAchdem Titius sich mit seines leiblichen bruders Sempronii I. Ob die vorhabende heyrath vor eine blut-schande zu achten? AUf diese frage mögen wir nicht anders als absolute mit nein/ daß auf 1. Wo diß wort blut-schande in seiner eigenlichen bedeutung genom- stis
Das vierdte Capitel. SECTIO X. Ob einer ſeines brudern frauen ſchweſter heyra- then doͤrffe/ oder doch eine ſolche ehe zu mißra- then ſeye? Aus der uͤberſandten ſpecie facti alſo lautend: NAchdem Titius ſich mit ſeines leiblichen bruders Sempronii I. Ob die vorhabende heyrath vor eine blut-ſchande zu achten? AUf dieſe frage moͤgen wir nicht anders als abſolute mit nein/ daß auf 1. Wo diß wort blut-ſchande in ſeiner eigenlichen bedeutung genom- ſtis
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Das vierdte Capitel.
SECTIO X.
Ob einer ſeines brudern frauen ſchweſter heyra-
then doͤrffe/ oder doch eine ſolche ehe zu mißra-
then ſeye?
Aus der uͤberſandten ſpecie facti alſo lautend:
NAchdem Titius ſich mit ſeines leiblichen bruders Sempronii
hauß-frauen ſchweſter ehlichen verlobet/ iſt ſolches von einigen/
daferne ſolche verloͤbnuͤß ſolte werckſtellig gemacht werden/ fuͤr
eine blut-ſchande ausgeſchriehen worden. Weil nun Titius hierinn
gerne ſicher gehen/ und ſein gewiſſen nicht gerne beſchwehren will/ als
hat er ſich deßwegen raths erhohlen/ und fragen wollen/ ob derglei-
chen/ wie oben gedacht/ fuͤr eine blut-ſchande zu halten/ oder nicht?
und ſich chriſtlich reſolviret/ daß/ wo es eine blut-ſchande/ er viel lie-
ber ſolches verloͤbnuͤß fahren laſſen/ als ſein gewiſſen damit beſchweh-
ren/ wo aber ſolche verloͤbnuͤß goͤttlicher und menſchlicher ordnung
nicht zuwider/ er in ſolcher verloͤbnuͤß in GOttes nahmen fortfahren
wolle ꝛc. Moͤgen zu beſſerer beruhigung des gewiſſens Titii zwo fragen
formiret werden.
I. Ob die vorhabende heyrath vor eine blut-ſchande zu achten?
AUf dieſe frage moͤgen wir nicht anders als abſolute mit nein/ daß auf
keinerley weiſe und wege eine blut-ſchande oder nur einiger ſchein derſel-
ben in ſolcher heyrath anzutreffen ſey/ antworten.
1. Wo diß wort blut-ſchande in ſeiner eigenlichen bedeutung genom-
men wird/ ſo heiſſet es diejenige unziemliche vermiſchung/ worinn wider die
von GOTT verbotene grade geſuͤndiget wird: Da hingegen diejenige/ wel-
che allein wider menſchliche verordnung gehet/ ſonderbar verboten und un-
ordenliche vermiſchung genannt zu werden pfleget/ wie davon der gelehrte
Juriſt Ben. Carpzov. L. 2. Jur. Conſ. T. 5. def. 87. n. 2. 3. wol anmercket/ und
bezeugt/ daß ſolcher dieſer wort unterſcheid in dem ſchoͤpffen-ſtul gewoͤhnlich
pflege obſerviret zu werden/ welchem auch Herr D. Dannhauer beypflichtet
Theol. Conſcient. T. 1. Part. 2. dial. 3. p. 784. Nec proprie inceſtus com-
mittitur, ubi interdictum provinciale eſt, non immediate divinum. Glei-
chermaſſen macht der beruͤhmte Juriſt Joachim von Beuſt zu Planitz
p. 2. de matrim. n. 57. zweyerley nuptias illicitas, quædam enim dicuntur.
inceſtæ & nefariæ, quædam vero inutiles. Ja auch in den nefariis & ince-
ſtis
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Zitationshilfe: | Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 556. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/564>, abgerufen am 22.02.2025. |